# taz.de -- Straßburger Urteil zu Waffen-SS-Massaker: Griechen werden nicht en… | |
> Griechische Opfer-Nachfahren können keinen Schadensersatz für deutsche | |
> Kriegsverbrechen einklagen. Das entschied jetzt der Gerichtshof für | |
> Menschenrechte in Straßburg. | |
Bild: Besuchte auch das Museum in Distomo: Griechenlands Ministerpräsident Geo… | |
FREIBURG taz | Die Opfer-Nachfahren eines Massakers der Waffen-SS von 1944 | |
in Griechenland können in Deutschland keine Entschädigung einklagen. Der | |
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg wies jetzt | |
eine Beschwerde des Griechen Argyris Sfountouris als unzulässig zurück. | |
Sfountouris hatte als Vierjähriger das Massaker von Distomo überlebt, dabei | |
aber seine ganze Familie verloren. Mehr als zweihundert Dorfbewohner, | |
überwiegend Frauen und Kinder, starben damals. Diese "Sühnemaßnahme", der | |
überwiegend Frauen und Kinder zum Opfer fielen, erfolgte als Rache für | |
einen Partisanenüberfall in der Gegend. Deutschland hat zwar anerkannt, | |
dass es sich hierbei um ein Kriegsverbrechen handelte, will aber keinen | |
Schadensersatz zahlen, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. | |
Den Rechtsweg in Deutschland hatte Sfountouris bereits ausgeschöpft. | |
Zuletzt entschied 2006 das Bundesverfassungsgericht gegen den | |
Wissenschaftler, der gemeinsam mit seinen drei Schwestern klagte. | |
Völkerrechtlich könnten Einzelpersonen mit Blick auf das Prinzip der | |
"Staatenimmunität" keinen individuellen Ausgleich von Kriegsverbrechen | |
einklagen. Möglich sei nur, dass die Staaten nach dem Krieg Reparationen | |
vereinbaren. | |
Einen Amtshaftungsanspruch nach deutschem Recht hielten die | |
Verfassungsrichter zwar grundsätzlich für möglich, doch könnten sich die | |
griechischen Kläger hierauf nicht berufen, da Griechenland in den | |
40er-Jahren deutschen Klägern auch keine Amtshaftung gewährt hätte, so die | |
kleinliche Argumentation aus Karlsruhe. | |
## Keine Verpflichtungen aus Vorgängerstaaten | |
Hiergegen zog Sfountouris zum EGMR nach Straßburg. Doch auch das von 47 | |
Staaten getragene Gericht des Europarats lehnte die Klage jetzt ab. Die | |
Europäische Menschenrechtskonvention enthalte keine Verpflichtung, | |
Schadensersatz für das Unrecht von Vorgängerstaaten zu leisten. Nur wenn | |
entgegen der nationalen Rechtslage eine Entschädigung verweigert wird, sei | |
das Recht auf Eigentum verletzt. In Deutschland konnte Sfountouris aber | |
aufgrund der hiesigen Rechtslage gar nicht erwarten, eine Entschädigung zu | |
bekommen, so die Straßburger Richter. Ihr Beschluss ist rechtskräftig. (Az: | |
24120.06) | |
In Griechenland hatten die Kläger zunächst mit Klagen gegen Deutschland | |
Erfolg. Zeitweise war das Goethe-Institut in Athen beschlagnahmt, um aus | |
dem Erlös Entschädigungen zu zahlen. Am Ende scheiterte eine Vollstreckung | |
in Griechenland aber auch am Prinzip der Staatenimmunität. | |
Mehr Erfolg hatten die griechischen Kläger bisher in Italien. Dort gingen | |
die Gerichte bis in die höchste Instanz davon aus, dass die | |
Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen nicht gilt, selbst wenn es | |
um Vorfälle vor Jahrzehnten geht. Die Kläger könnten deshalb deutsches | |
Staatseigentum in Italien verwerten. Die Bundesregierung hat dagegen jedoch | |
2008 den Internationalen Gerichtshof der UNO (IGH) in Den Haag angerufen, | |
der noch nicht entschieden hat. | |
Ein Dekret der italienischen Regierung hat die Vollstreckung der | |
griechischen Urteile in Italien inzwischen gestoppt, bis der IGH | |
entschieden hat. Das Prinzip der Staatenimmunität soll verhindern, dass | |
einzelne Ermittlungsbehörden oder Gerichte nach einer (vermeintlichen) | |
Straftat internationale Spannungen mit unüberschaubaren Folgen auslösen | |
können. Auch nach einem Krieg können Einzelpersonen bisher keinen | |
Schadensersatz einklagen, um die Nachkriegssituation nicht durch unzählige | |
Privatprozesse mit gigantischen Forderungen zu belasten. | |
6 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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Joachim Gauck | |
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