# taz.de -- Doping im Fußball: Unkontrollierte Hormone | |
> Zwei nordkoreanische Spielerinnen wurden positiv auf Doping getestet. Die | |
> Fifa gibt sich schockiert. Doch Doping gehört längst zum Alltag im | |
> internationalen Fußball. | |
Bild: Offizielle Doping-Kontrolleurin bei der WM 2011 | |
BERLIN taz | Jiri Dvorak ist der Chefmediziner des Internationalen | |
Fußballverbandes. Er tourt durch die Welt und verkündet die Lehre vom | |
Fußball als Gesundheitssport. „11 für Gesundheit“, heißt das Fifa-Progra… | |
für das der Mediziner mit der weißen Mähne wirbt. Lektion zehn der elf | |
Gesundheitsgebote, die nicht nur den Fußball betreffen, sondern auch | |
Ratschläge zur Lebensführung beinhalten, lautet: „Nimm die verschriebenen | |
Medikamente ein.“ Gut möglich, dass Song Jong Sun und Jong Pok Sim genau | |
das gemacht haben. [1][Die zwei Fußballerinnen aus Nordkorea wurden positiv | |
getestet.] | |
Es geht um erhöhte Werte von leistungssteigernden körpereigenen Hormonen. | |
Weil gleich zwei Spielerinnen deshalb aufgefallen waren, musste nach dem | |
letzten Gruppenspiel Nordkoreas gegen Kolumbien (0:0) alle Koreanerinnen | |
zum Dopingtest, deren Ergebnisse nächste Woche erwartet werden. So etwas | |
hat es bei einem Weltturnier noch nie gegeben. Jiri Dvorak gab sich | |
schockiert. Auch das Anti-Doping-Programm der Fifa gehört zu seinem | |
Verantwortungsbereich. | |
Für den interessiert sich normalerweise allerdings kaum jemand. Eine im | |
Turnierverlauf angesetzte Pressekonferenz zu medizinischen Fragen wurde | |
mangels Interesse der Medienvertreter abgesagt. Dabei hat Dvorak derzeit | |
jede Menge zu berichten. Vor dem koreanischen Fall gab es bereits einen im | |
kolumbianischen Team. Auch bei der nachnominierten Torfrau Yineth Varon | |
ging es um körpereigene Hormone. Sie soll eine Hormonbehandlung, der sie | |
sich in ihrer Heimatstadt Cali unterzogen hat, verschwiegen haben. | |
Und dann gibt es da noch das mexikanische Männerteam. Fünf Nationalspieler | |
wurden während des Gold Cups im Juni in den USA positiv auf Clenbuterol | |
getestet. Von einer hohen Konzentration des verbotenen Mittels war da die | |
Rede. Vergangene Woche wurde bekannt, dass das Kälbermastmittel im Urin von | |
vier weiteren Auswahlspielern nachgewiesen wurde. 14 Spieler wurden in den | |
letzten Wochen getestet, 9 von ihnen waren positiv. | |
## „Kultur des Spritzens“ | |
„Verwundert“ zeigte sich Jiri Dvorak angesichts dieser Zahlen. Verliert der | |
Fußball die Unschuld, die er sich selbst immer wieder attestiert? Die hat | |
er nie gehabt, sagt einer, der sich als ehemaliger Mediziner der Tour de | |
France mit dem Sujet Doping auskennen sollte. Jean-Pierre de Mondenard hat | |
im November 2010 in Frankreich das Buch „Doping im Fußball – Das Gesetz des | |
Schweigens“ veröffentlicht. Seine Kernthese: „Im Fußball ist es nicht | |
anders als im Radsport. Es gibt eine Kultur des Spritzens.“ Der Autor | |
erinnert an die große Zeit von Olympique Marseille Anfang der 90er Jahre. | |
Da haben die Spieler auf der Tafel in der Umkleidekabine lesen können: | |
„Heute Abend Spritzen für die ganze Mannschaft.“ | |
Mondenard ist überzeugt, dass im Fußball das ganze Arsenal der | |
pharmazeutischen Sportlerbeschleunigung zum Einsatz kommt: Anabolika, | |
Stimulanzen und Mittel, die den Sauerstofftransport in Blut befördern, wie | |
Epo. Am beliebtesten seien Wachstumshormone. | |
Die können ebenso wie das Epo-ähnliche Cera nur im Blut nachgewiesen | |
werden. Bluttests allerdings sind die absolute Ausnahme im Fußball. Kein | |
Wunder, sag de Mondenard, dass es so wenige spektakuläre Dopingfälle unter | |
Kickern gibt. Nicht einmal in der Männerbundesliga, die ihre Kontrollen vor | |
zwei Jahren verdichtet hat, werden Blutproben genommen. In ihrer Freizeit | |
müssen Profis gar nicht mit Kontrollen rechnen. Im deutschen Frauenfußball | |
müssen nur die Nationalspielerinnen Urin abgeben. In anderen Ländern gibt | |
es überhaupt kein Kontrollwesen. Die Fifa bittet die Spielerinnen nur bei | |
den großen Turnieren zum Test. | |
Es besteht Handlungsbedarf. Der Fall der positiv getesteten Koreanerinnen | |
mag zwar der erste große Dopingfall bei einer WM sein, seit Diego Maradona | |
1994 in den USA ein veritabler Aufputschcocktail serviert worden ist. Ein | |
Einzelfall ist er sicher nicht. | |
7 Jul 2011 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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