Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- In eigener Sache: Daily Dope, zum 500.
> Seit 2006 dokumentiert die taz mit einer Rubrik pharmazeutische
> Manipulationen im Sport. Sie erscheint heute zum 500. – und sicher nicht
> zum letzten Mal.
Bild: Mit ihm begann die Serie: Ville Tiisanoja.
BERLIN taz | Vor fast fünf Jahren gings los - mit dem finnischen
Kugelstoßer Ville Tiisanoja. Er war der Held des ersten "Daily Dope" in der
taz.
Premierenmann Tiisanoja, mittlerweile 35 Jahre alt, ist ein echter
Rekordhalter. Der Muskelprotz, der Platz elf bei den
Leichtathletik-Europameisterschaften des Jahres 2005 in Göteborg belegte,
hatte es geschafft, innerhalb von nur fünf Wochen dreimal positiv auf
Testosteron getestet zu werden.
Seine Proben vom 27. Juni, 21. Juli und 31. Juli 2006 waren alle positiv.
Er wurde vom finnischen Verband zwei Jahre gesperrt und mit einer
Geldstrafe von 50.000 Euro belegt. Bereits 2002 wurde gegen Ville Tiisanoja
eine sechsmonatige Sperre verhängt: Französische Zollbeamte hatten
verbotene Substanzen in seinem Wagen gefunden; der Kugelstoßer war auf dem
Rückweg von einem Trainingslager in Spanien.
## Überall, wo Spitzensport getrieben wird, da wird gedopt
Es gibt viele Villes. Tiisanoja hat zig Brüder und Schwestern im Geiste.
Doping ist ein ubiquitäres Phänomen: Überall, wo Spitzensport getrieben
wird, da wird gedopt. Es wird nicht von allen ständig mit Arzneimitteln
betrogen, aber der Beschiss hat System. Das ist keine Unterstellung,
sondern ein empirischer Befund. Die systematische Durchseuchung der
Sportszene wollen wir mit der Serie "Daily Dope" belegen, täglich und
wöchentlich.
Die Dokumentation soll den Lesern bewusst machen, dass ihr schöner Sport,
den sie vorm Fernseher oder im Stadion konsumieren, immer auch eine
Schattenseite hat. Sie ist nicht nur besiedelt vom Spitzensportler, der mit
Spritzen hantiert, sondern ebenso von blutpanschenden Ärzten,
arzneikundigen Masseuren und erfahrenen Kurieren.
Das System ist mafiös und oft auch so skrupellos wie die Cosa Nostra: Es
gilt die Omertà, die Schweigepflicht; wer dagegen verstößt, wird geächtet.
Opfer gibt es natürlich auch, das ist nicht anders als in den Straßen von
Neapel. Wer das neueste Blutdopingmittel nicht verträgt, der wacht am
nächsten Morgen vielleicht nicht mehr auf. Sein Herz ist stehen geblieben,
weil es das künstlich verdickte Blut nicht mehr transportieren konnte. Und
wer nicht auf professionelle ärztliche Betreuung bauen kann, der verreckt
halt an einer selbst durchgeführten Bluttransfusion. In Fällen des
dilettantischen Dopings muss man fast froh sein, wenn sich Sportärzte um
Radfahrer oder Langläufer kümmern. Dass er damit von seiner
Selbstverpflichtung als Heiler abrückt und zum leistungsoptimierenden
Alchimisten wird, muss jedem Mediziner klar sein.
## Mit einer Bagatellisierung kommt man nicht weiter
Dopinggegnern wird oft moralischer Rigorismus vorgeworfen: Sie machten aus
der Maus einen Elefanten und schürten einen generellen Verdacht gegen
jedweden Sportler. Aber wer sich die Mühe macht, das Dopingnetz näher zu
erkunden, dem wird schnell klar, dass man mit einer Bagatellisierung nicht
weiterkommt. Dopingdealer sind schlicht und ergreifend kriminell, Sportler
gefährden ihre Gesundheit, der Sportfan wird an der Nase herumgeführt – so
lautet der traurige Befund. Sollte man dies nicht ernst nehmen? Sollte man
gar dem in deutschen Feuilletons oft gehörten Ruf nach Dopingfreigabe
folgen?
Das würde den schönen Schein vom sauberen Sport vertreiben, das würde aber
auch den Medikamentenmissbrauch legitimieren und legalisieren. Das kann
aber keiner wollen: Sportler, die sich vorm Marathonlauf eine Kanüle in die
Ader jagen – und jeder nimmt es achselzuckend zur Kenntnis, ein zynisches
Statement raunend: "Jetzt ist die Chancengleichheit wenigstens
wiederhergestellt."
Wir wollen mit "Daily Dope" keine moralinsaure Kost verabreichen, sondern
kurz berichten und durch die hohe Frequenz der Dopingberichterstattung zu
einem Unbehagen am modernen Hochleistungssport beitragen. Der
Sportkonsument hatte ja schon immer das diffuse Gefühl, dass es da in der
hehren Sphäre des olympischen Sports nicht mit rechten Dingen zugeht. Aber
vom bloßen Verdacht zur Gewissheit führt nur der Nachweis des Dopings.
Diese Nachweise wurden geführt. Das Material lief im Dutzend über die
Ticker. Es hätte noch viel mehr sein können, denn die Dunkelziffer ist
ungleich höher.
## Gedopter Gegner zeigte keine Reaktion auf Treffer
Ein "Daily Dope" findet sich also immer und überall. Man muss nicht erst
lang suchen. In "Daily Dope" Numero 52 zum Beispiel beschreibt der
amerikanische Boxer Robert Guerrero sehr treffend, wie ihn ein Gegner, der
unter dem Einfluss eines Muskelmastmittels stand, den letzten Nerv geraubt
hat: "Er zeigte keine Reaktion auf Treffer. Es war, wie wenn man mit einem
Luftgewehr auf einen Bullen schießt. Gott sei Dank bin ich nicht verletzt
worden."
Dopingberichterstattung ist ein Exkurs ins Arzneimittelwesen, ins
Juristische, in die Biochemie. Um sich mit Beta-2-Agonisten,
Erythropoietin, Cannabinoiden und Glukokortikoiden, Wachstumshormonen und
anabolen Steroiden, Carphedon und Testosteron auszukennen, tut regelmäßige
Berichterstattung not. Nicht weniger schwierig sind die juristischen
Winkelzüge wie die Beweislastumkehr und andere Tücken des Sportrechts.
"Daily Dope" ist ein Versuch der Aufklärung über Doping, wie auch in der
214. Ausgabe zu lesen war: Hier wird darüber berichtet, dass Doping nicht
nur im Erwachsenensport gang und gäbe ist.
Die ehemalige kanadische Straßenradmeisterin Geneviève Jeanson berichtet
davon, schon mit 16 Jahren das Blutdopingmittel Epo eingenommen zu haben.
"Ich wusste, dass es nicht gut war. Aber ich habe es genommen." Sie habe
geglaubt, dass die Einnahme unausweichlich sei, um Erfolg zu haben, so die
zweifache Juniorenweltmeisterin von 1999. Ihr Trainer habe sie dazu
angespornt, meinte Jeanson weiter. Außerdem beschuldigte sie auch ihre
Kolleginnen im Fahrerinnenfeld des Dopings: "Es ist unter uns."
Auch aktuell hat sich natürlich wieder etwas im Schattenreich des Sport
ereignet. So wurden fünf mexikanische Fußballer während des Gold-Cups in
den USA positiv auf das Kälbermastmittel Clenbuterol getestet. Sie wurden
umgehend nach Hause geschickt. Clenbuterol war während der Tour de France
2010 auch im Körper des späteren Siegers Alberto Contador gefunden worden.
Sein Fall ist noch nicht abgeschlossen. Fortsetzung folgt.
10 Jun 2011
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Daily Dope (531): Radprofi mit Kälbermastmittel
Noch im Januar will der Internationale Sportgerichtshof im Fall des
Rennradlers Alberto Contador entscheiden. Ihm droht eine Sperre wegen
Dopings.
Daily Dope (528): Iberische Entzaubertrankung
In Spanien findet die 58. Antidopingrazzia statt. Der Kampf der Polizei
zeigt Wirkung. Dem spanischen Radsport laufen jetzt die Sponsoren davon.
Doping im Fußball: Unkontrollierte Hormone
Zwei nordkoreanische Spielerinnen wurden positiv auf Doping getestet. Die
Fifa gibt sich schockiert. Doch Doping gehört längst zum Alltag im
internationalen Fußball.
Werner Franke über Sportfans und Doping: "Dumme Kontrollen"
Die Öffentlichkeit glaubt, das Dopingkontrollsystem sei effizient, sagt der
Zellbiologie Werner Franke. "Aber das ist es nicht". Die nationale
Anti-Dopingagentur setze auf die falschen Personen.
Doping beim Giro d'Italia: Fernduell der Flottenführer
Alberto Contador, unangefochtener Spitzenreiter des Giro d'Italia, kämpft
um seine Glaubwürdigkeit – Doping. Und es gibt auch neue Vorwürfe gegen
Lance Armstrong.
Deutsche Anti-Doping-Agentur: Nachhaltiger Abbau
Die Nationale Anti-Doping-Agentur ist gegründet worden, um Doping aus dem
deutschen Sport zu verbannen. Jetzt hat sie ein massives Führungsproblem.
Porträt Marit Björgen: Goldgewinnerin trotz Asthma
Vor zwei Jahren wollte die norwegische Skilangläuferin Marit Björgen den
Leistungssport eigentlich aufgeben. Jetzt hat sie vier Goldmedaillen
gewonnen.
Einblicke eines Dopingdealers: Austrias Wunderdoper
Der österreichische Sportmanager Steffen Matschiner wurde wegen
Dopinghandels verurteilt. Nun hat er ein Buch geschrieben - doch Einsicht
oder gar Reue sucht man vergeblich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.