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# taz.de -- Daily Dope (528): Iberische Entzaubertrankung
> In Spanien findet die 58. Antidopingrazzia statt. Der Kampf der Polizei
> zeigt Wirkung. Dem spanischen Radsport laufen jetzt die Sponsoren davon.
Bild: Beamte der Guardia Civil finden gefrorene Blutbeutel bei einer Anti-Dopin…
BERLIN taz | "Als ich mit meinem Tennisschläger unterwegs war, haben wir
gegenüber unseren spanischen Freunden keine lächerliche Figur abgegeben. So
war es auch auf dem Fußballfeld, dem Basketballparkett und den Straßen der
Tour de France", blickte im November diesen Jahres Yannick Noah auf
vergangene Zeiten zurück. Der Mitte der 1980er Jahre erfolgreiche
französische Tennisprofi sprach über spanische Sportler und konstatierte
für die Gegenwart: "Heute rennen sie schneller als wir, sind kräftiger und
lassen uns nur die Brosamen."
Als sich Noah in seinem Aufsatz in der Tageszeitung Le Monde dann fragte,
wie es dazu gekommen sei, und bekannte, er habe keine revolutionären
Trainingsmethoden bei den südlichen Nachbarn gefunden, fiel ihm als einzige
Erklärung nur ein: "Es ist wie in ,Asterix bei den Olympischen Spielen'.
Wenn du keinen Zaubertrank hast, ist es schwer, zu gewinnen. Man hat den
Eindruck, dass sie wie Obelix in den Topf gefallen sind, die Glückskinder."
Noah wies dann noch auf ein solches Glückskind hin, ein Mitglied des
spanischen Europameisterteams im Basketball. Bei dem wurden während der EM
in Litauen zwar erhöhte Testosteronwerte gemessen. Es handle sich aber um
einen "natürlich erhöhten Wert", erläuterte der spanische Verband. Beim
dicken Obelix hätten das die Gallier auch gesagt.
## Dopingring ausgehoben
Dass hinter jedem Hinkelsteinwuchter meist ein Miraculix gehört, bewies
letzte Woche die spanische Guardia Civil. In ihrer "58. Antidopingrazzia
seit 2004", wie die Tageszeitung El Pais penibel auflistete, nahm sie 18
Mitglieder eines Dopingrings in Valencia fest.
Damit erhöhte sich, ebenso nach Zählung von El Pais, die Anzahl der wegen
Dopingdelikten verhafteten Personen auf 616. Zu dem Kreis der diesmal
hinter Gitter Gebrachten gehören wenig überraschend mehrere ehemalige
Radprofis - darunter ein früherer Sieger der Tour de Langkawi und Antonio
Olmo, ein bereits als Fuentes-Kunde aufgefallener früherer Profi des
Rennstalls Comunidad Valenciana.
Außerdem wurden ein im Profibereich aktiver Masseur, ein Trainer von
Comunidad Valenciana sowie Mitarbeiter von drei Krankenhäusern und einem
Altenheim festgenommen. Sichergestellt wurden große Mengen Epo,
Wachstumshormon und Testosteron.
## Leere Pharma-Depots
Die Medikamente wurden hauptsächlich aus den Krankenhäusern sowie dem
Altenheim, in dem die Beschuldigten tätig waren, entwendet. Schwund in den
Pharma-Depots hatte die Ermittlungen ausgelöst.
Der Fund von einem guten Kilogramm Kokain sowie ausgedehntere
Marihuana-Plantagen weisen noch auf den seit Längerem bekannten
Zusammenhang von Doping- und Drogengeschäft hin. Der italienische
Anti-Doping-Aktivist Alessandro Donati weist seit mehreren Jahren auf
konvergierende Strukturen hin.
Kai Gräber von der neu gegründeten Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping in
München konstatierte: "Die Gewinnspannen im Dopinghandel übersteigen die
des Drogenhandels."
Die aktuelle "Operacion Master" passt sowohl ins Doping-Drogen-Bild als
auch ins Szenario spanischer Sporterfolge. Pikant ist, dass die Razzia und
die begleitende mediale Aufmerksamkeit parallel zum Regierungswechsel
erfolgten.
## Finanzloch im Radsport
Sozialistische Politiker suchten die Nähe auch zu umstrittenen Sportstars -
und erschwerten zuweilen Ermittlungen. Viellicht weht bald ein anderer Wind
südlich der Pyrenäen.
Im Radsport ist schon jetzt ein Gegentrend zu beobachten. Das italienische
Magazin Biciclismo hält die vielen Dopingskandale im spanischen Radsport
für die Ursache einer aktuellen Finanzierungslücke.
Nur vier spanische Profiteams haben für die kommende Saison Lizenzen
gelöst. Das ist die geringste Anzahl in den letzten zehn Jahren.
Den Höhepunkt mit insgesamt neun Teams gab es in der Saison 2006 - just
bevor die Enttarnung des Zaubertrankmixers und Blutauffrischers Eufemiano
Fuentes eine weitere Progression verhinderte. Jetzt müssen nur noch die
anderen Sportarten entzauber(trank)t werden.
22 Dec 2011
## AUTOREN
Tom Mustroph
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In eigener Sache: Daily Dope, zum 500.
Seit 2006 dokumentiert die taz mit einer Rubrik pharmazeutische
Manipulationen im Sport. Sie erscheint heute zum 500. – und sicher nicht
zum letzten Mal.
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