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# taz.de -- Berliner Sechstagerennen: Radfahrerinnen statt Revolvergirls
> "Ladys Cup" beim Berliner Sechstagerennen. Erstmals in der 103-jährigen
> Geschichte der bierseligen Traditionsveranstaltung drehen auch Frauen
> ihre Runden.
Bild: Erik "Ete" Zabel (r.) mit zwei Angehörigen der sogenannten "Schultheiss-…
BERLIN taz | Die Lage ist ein wenig unübersichtlich und bietet eine Menge
Raum für unterschiedliche Interpretationen. Für Heinz Seesing, Chef des
Berliner Sechstagerennens, ist aber alles ziemlich eindeutig.
Wenn am Donnerstagabend in der nunmehr 103-jährigen Historie der
Veranstaltung erstmals offiziell Frauen an den Start gehen, dann ist das
für ihn nichts Geringeres als "eine Sensation, eine Deutschlandpremiere,
wohl auch eine Europapremiere. Und ich denke, weltweit hat es das so auch
noch nie gegeben."
Charlotte Becker sieht die Sache ein wenig anders. Die 28-jährige
Bahnradfahrerin erinnert sich durchaus an Versuche, Frauen als
Sportlerinnen beim Sechstagerennen zu etablieren. In Stuttgart vor acht
Jahren zum Beispiel oder immer mal wieder in den Niederlanden.
"In den deutschen Hallen wurde das schnell wieder eingestellt", erklärt die
aussichtsreiche Olympiakandidatin für London 2012. Becker hat sich seit
Jahren unerlässlich für die Startchancen von Frauen bei Sechstagerennen
eingesetzt. Und sie ist auch deswegen besonders stolz, dass sie in Berlin
ihre Runden drehen darf.
"Ladys Cup" ist der sicher nicht ganz glücklich gewählte Titel des
Wettkampfs. Doch warum kommt er eigentlich erst jetzt? "Die Frage stellen
wir uns allerdings auch. Und ich sage mal ehrlich, wir haben bis heute
keine Antwort darauf gefunden", sagt Heinz Seesing ein wenig ratlos. "Uns
fiel es einfach nie ein, Frauen einzuladen. Es hat sich aber auch keiner
darüber beschwert in all den Jahren."
## Attraktive Staffage im Rahmenprogramm
Kein Wunder. In den bierseligen Velodroms dieses Landes war die den Frauen
zugewiesene Rolle immer eindeutig definiert. Frauen traten bei
Sechstagerennen nie als Sportlerinnen in Erscheinung sondern immer nur als
attraktive Staffage im stimmungsvollen Rahmenprogramm. Zum Auftakt des
sechs Tage lang währenden Dauerspaßes hatten sie lediglich den Startschuss
abzugeben und dabei eine gute Figur zu machen.
Barbara Valentin, Milva, Franziska von Almsick, Barbara Schöneberger und
diverse B-Starlets haben sich in diese Liste der "Revolvergirls"
eingetragen. "Legendär" und für viele beschwingte Männer bis heute
unvergessen sind zudem die Oben-ohne-Auftritte einer Frauenband bei den
Sechstagerennen von München in den wilden siebziger Jahren. In Dortmund,
Bremen oder Stuttgart ging es kaum anders zu.
"Das wir nun im Jahr 2012 zum ersten Mal aktiv als Sportlerinnen am
Sechstagerennen teilnehmen dürfen, ist ein echter Fortschritt. Das haben
wir uns verdient und erkämpft", erklärt Charlotte Becker. Sie ist eine von
zwölf Frauen, die im Hauptstadt-Velodrom ihre Runden drehen werden, und hat
sich viel vorgenommen.
Vor allem will sie dem Publikum demonstrieren, "wie ernsthaft, engagiert
und athletisch wir diesen Sport betreiben", so Becker. Ein wenig aber
fürchtet sie sich schon vor dem Teil des Publikums, "das sich weniger für
den Sport als für unsere Hintern interessieren wird. Aber das kalkuliere
ich ein", sagt Becker selbstbewusst.
## Vizepräsident begrüßt die Frauen
"Wir begrüßen es, dass auch die Frauen ein Betätigungsfeld im Rahmen des
Berliner Sechstagerennens bekommen, denn ihre Präsenz in diesen
Bahndisziplinen ist sowohl bei Weltmeisterschaften als auch bei Olympischen
Spielen schon längst Normalität", erklärt ein wenig sperrig der
Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer, Udo Sprenger.
Damit liegt er allerdings nicht ganz richtig. Denn echte Normalität im
ohnehin erst seit 1988 für Frauen offenen olympischen Bahnradprogramm
stellt sich erst in diesem Jahr in London ein. Männer wie Frauen starten
erstmals in denselben fünf Disziplinen.
In Peking 2008 war das Verhältnis noch sieben (Männer) zu drei (Frauen).
Durch die Angleichung sind für die Frauen drei neue Wettbewerbe entstanden,
nämlich der Mehrkampfwettbewerb Omnium, die 3er-Mannschaftsverfolgung und
der Teamsprint.
Diese Aufwertung des olympischen Bahnradfahrens für Frauen hat wohl auch
die Macher des Sechstagerennens mit dazu bewogen, die Athletinnen mitfahren
zu lassen. Berlin macht heute den Anfang, "und in ein paar Jahren wird es
hoffentlich ganz normal sein, dass wir bei diesen Veranstaltungen unsere
Runden drehen", prophezeit Becker.
26 Jan 2012
## AUTOREN
Torsten Haselbauer
## TAGS
Radsport
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