# taz.de -- Schwarzlicht-Blutdoping aus Thüringen: Strahlende Spezialbehandlung | |
> Hat der Sportmediziner Andreas F. aus Erfurt Spitzensportler gedopt? | |
> Staatsanwaltschaft und Antidopingagentur haben sich der Sache angenommen. | |
Bild: Trick 17: Statt umständlich Blut zu entnehmen, einfach gleich den ganzen… | |
BERLIN/ERFURT taz | Der Sportmediziner Andreas F. aus Erfurt bietet | |
verschiedene individuelle Gesundheitsleistungen in seiner Praxis an, zum | |
Beispiel "Leistungsdiagnostik im leistungsorientierten Individualsport" | |
oder Ernährungsberatung. | |
Patienten mit besonderen Ansprüchen können aber auch ihr Blut bei Andreas | |
F. behandeln lassen – mit UV-Strahlen. Das Blut wird abgezapft, mehrmals | |
mit Schwarzlicht bestrahlt und dem Patienten wieder refundiert. Das soll | |
angeblich die Aufnahme von Sauerstoff verbessern, was Leistungssportlern | |
sehr gelegen käme, denn sie könnten dann schneller laufen, radeln oder | |
Schlittschuh fahren. | |
Seit April 2011 läuft ein Ermittlungsverfahren gegen Andreas F., der bis zu | |
seiner Suspendierung Vertragsarzt des Olympiastützpunkts Thüringen war; auf | |
seiner Internetseite steht zudem, dass er Mitglied der Ärztekommission des | |
Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV ) sei – der DLV kann das nicht | |
bestätigen. | |
Die Erfurter Staatsanwaltschaft prüft, "ob ein Anfangsverdacht vorliegt" | |
gegen den Mediziner, sagt Sprecher Hannes Grünseisen. Es gehe konkret um | |
die "unerlaubte Anwendung von Arzneimitteln bei Anderen zu Dopingzwecken". | |
Einige Monate könne sich die Ermittlungsarbeit noch hinziehen, erklärt | |
Grünseisen. Ob ein Verfahren eröffnet wird, ist derzeit noch nicht | |
abzusehen. | |
Der Mediziner will sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Ein Telefongespräch | |
mit der taz beendet er nach wenigen Sekunden mit den Worten: "Dazu will ich | |
nichts sagen, auf Wiederhören und schönen guten Tag." | |
## Eine Eisschnellläuferin und ein Radfahrer | |
Der Mediziner soll möglicherweise Eisschnellläufer und Radsportler mit | |
seiner UV-Methode behandelt haben. Die Nationale Antidopingagentur (Nada) | |
bestätigt eine Meldung des Deutschlandfunks, wonach im Sommer 2011 ein | |
Disziplinarverfahren gegen eine deutsche Eisschnellläuferin eröffnet wurde. | |
Es gebe überdies "andere Fälle, in denen wir prüfen", wie Nada-Sprecher | |
Berthold Mertes sagt. Es soll sich um Radsportler handeln. Laut Mertes gehe | |
es in dem laufenden Disziplinarverfahren um einen "subjektiven Tatbestand", | |
das heißt, es werde überprüft, ob vom Sportler der Versuch unternommen | |
worden sei zu dopen. | |
Blutdoping ist im Hochleistungssport verboten. Seit 2011 untersagt der | |
Welt-Anti-Doping-Code explizit jegliche Entnahme, Manipulation und | |
Reinfusion des roten Saftes. Davor war das in kleinen Mengen erlaubt, es | |
musste aber eine medizinische Indikation vorliegen. | |
Nada-Sprecher Mertes sagt, dass es sich bei der inkriminierten Sportlerin | |
nicht um Claudia Pechstein handle. Das ist insofern von Belang, als die | |
Staatsanwaltschaft Erfurt auf Initiative der Kollegen aus München aktiv | |
geworden ist. In der bayerischen Landeshauptstadt war gegen Pechstein | |
ermittelt worden; Ende August hat die dortige Staatsanwaltschaft das | |
Verfahren aber eingestellt. Einige der Akten liegen nun in Erfurt. | |
Das Lichtdoping ist im Übrigen keine Erfindung des Doktors aus Thüringen. | |
Es wurde schon in den 80er Jahren im DDR-Sport angewendet. Manfred Höppner, | |
Chefalchimist im DDR-Dopingsystems, wusste der Staatssicherheit schon 1983 | |
zu vermelden, dass im Sport-Club Dynamo Berlin eine Untersuchung "zur | |
Ultraviolett-Bestrahlung des Blutes durchgeführt und teilweise an Aktiven | |
erprobt" worden sei. Auch die österreichischen Biathleten ließen ihr Blut | |
jahrelang bestrahlen. | |
12 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
## TAGS | |
Doping im Spitzensport | |
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