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# taz.de -- Deutsche Anti-Doping-Agentur: Nachhaltiger Abbau
> Die Nationale Anti-Doping-Agentur ist gegründet worden, um Doping aus dem
> deutschen Sport zu verbannen. Jetzt hat sie ein massives Führungsproblem.
Bild: Die Nada ist unverzichtbar, will man dem Sport noch den Hauch einer Illus…
Umstrukturierung - das ist das Schlagwort, das gegenwärtig in der Bonner
Heussallee permanent die Runde macht. Umstrukturiert wird die Nada, die
Nationale Anti-Doping-Agentur. Sie gönnt sich endlich mal eine neue
Stiftungsverfassung, es wird ja auch Zeit: Mehr "Hauptamtlichkeit"
(Nada-Chef Baumert) soll es in Zukunft geben, das alte Personal, das ehedem
den Vorstand darstellte, rückt zum Teil in den Aufsichtsrat auf.
Effektivität und übersichtlichere Strukturen, das ist das Ziel, und die
Nada verkauft es offensiv. Was in diesem Zuge geradezu verschämt am Ende
mancher Nachrichten erwähnt wurde, war der Umstand, dass Anja Berninger,
die ehemalige Justiziarin und kommissarische Geschäftsführerin der Nada,
zum 31. März ausscheidet. Sicher, solche Zeilen sind leicht zu übersehen.
Doch Frau Berninger galt nicht nur als begabte Juristin, mit gerade 31
Jahren wurde ihr zugetraut, die Politik der Nada in den kommenden Jahren zu
gestalten.
Wegen einer angeblichen Unpässlichkeit war sie zuletzt nicht zu sprechen,
die Nachricht indes klärte so manches. Anja Berninger demissionierte - und
ihr Ausscheiden rückt die Nada in ein ziemlich fahles Licht: Die Krise, in
der die Organisation steckt, ist gar nicht mehr zu leugnen, ein Ränkespiel
hinter den Kulissen setzt ihr schwer zu. Und auch die Ursachen sind schon
benannt worden. Die FAZ titelte: "Der Feind im eigenen Lager."
Gemeint ist damit Hanns Michael Hölz, ein Manager der Deutschen Bank, der
den Kuratoriumsvorsitz in der Nada innehat. Mit Berufung auf informierte
Kreise zeichnet die FAZ das Bild einer "Intrige" nach, der am Ende
Berninger zum Opfer fiel. Gern hätte Hölz auch die Geschäftsführung
übernommen, demnächst will er an der Spitze des Aufsichtsrats stehen. Der
Banker ist der erste Wirtschaftsvertreter, der im Kreise der Nada sitzt.
Und wenn man bedenkt, über welch exzellente Kontakte er verfügt, nimmt sich
die Sponsorship der Deutschen Bank für sauberen Sport mit einigen
hunderttausend Euro nicht eben überwältigend aus.
Hölz ist ein Mann mit einer etwas schwer verständlichen Vita: "Als Group
Sustainability Officer übernimmt er global Verantwortung für den Bereich
Sustainability (Konzernbeauftragter für das
Nachhaltigkeitsmanagementsystem). Quelle: Führungsakademie des DOSB)."
Kritiker meinen allerdings, dass nicht ganz klar sei, ob er nun ein Experte
für nachhaltigen Aufbau oder Abbau ist. Denn die Personalpolitik der Nada
gleicht einem Trümmerfeld.
Welches Ziel der gewiss nicht an Unterbeschäftigung leidende Hölz mit
seinem Machtstreben in einer notorischen Non-Profit-Organisation verfolgt,
ist allerdings rätselhaft. Am Mittwoch wird dies Thema im Sportausschuss
des Bundestags sein, die Ereignisse in der Nada, ihre "personelle
Situation" (Ausschussvorsitzende Dagmar Freitag) werden unter Ausschluss
der Öffentlichkeit besprochen. Die Krise kann den Kritikern der Nada nur
zupass kommen. In Teilen des Sports ist sie hinter vorgehaltener Hand nicht
gern gesehen. Offiziell wird sich niemand hinstellen und die Nada als
ineffizient oder gar unnütz bezeichnen - tatsächlich hat sich die Anzahl
der positiven Kontrollen über Jahre hinweg nicht signifikant verändert.
Aber das liegt nicht an der Nada, sie ist de facto unverzichtbar, sofern
man dem Leistungssport noch den Hauch einer Illusion von Sauberkeit lassen
will.
Wer auch nur im Ansatz begreifen will, was sich in den letzten Jahren in
der Bonner Heussallee getan hat, der muss sich zunächst einmal in das
Zahlenwerk vertiefen. Damals, im Jahr 2002, war die Nada mit großen
Ambitionen gegründet worden. Sie war ein Lieblingskind des damaligen
Innenministers Otto Schily, der sich an den vollmundigen Ankündigungen der
ersten Legislaturperiode messen lassen musste: Man wolle der "Dopingseuche
Herr werden", gab er immer wieder zum Besten. Ein Anti-Doping-Gesetz kam
unter seine Leitung nie zustande - und es gibt nicht wenige, die dies für
vernünftig halten. Die Nada aber nahm ihre Arbeit auf - und doch war die
Institution von Anfang an ein Vehikel, das in der Summe nichts weiter als
eine Fehlkonstruktion war.
Es mangelte an allem: an Personal. An Organisationstalent. Und vor allem
aber: an Geld. Im Jahr 2005 hatte die Nada, die als Stiftung organisiert
ist, ein Stammkapital von 6,699 Millionen Euro. Im Jahr darauf waren es 2
Millionen mehr, inzwischen beträgt es 12,889 Millionen Euro. Und dies ist
auch nur ein gutes Viertel dessen, was damals als nötig erachtet worden
war, um eine vollends unabhängige Arbeit der Institution garantieren zu
können. Dennoch legte die Nada los.
Dabei war ihr doch eines ins Stammbuch geschrieben worden: die
Unabhängigkeit von Politik und vom Sport. Welche Eigenschaften aber muss
eine Stiftung mitbringen, die sich tatsächlich vollends autark zwischen den
Polen bewegen kann? Zum einen ist charakterfestes Personal eine
Voraussetzung. Eine zweite, die mindestens genauso wichtig ist, wäre eine
ordentliche Alimentierung. Die Zinserträge fielen also in den ersten Jahren
kaum ins Gewicht, die Arbeit wurde von Insidern als prothetisch bezeichnet.
Mit vier, fünf Angestellten sollte ein Betrieb gewährleistet werden, der
Schritt für Schritt ganz Deutschlands Leistungssport mit seinen
zuverlässigen Kontrollen versorgen sollte.
Das war mit der damaligen Ausstattung unmöglich. Und schon damals zeitigte
es personelle Konsequenzen. Zunächst schied Peter Busse als Nada-Direktor
aus. Der hoch angesehene ehemalige Direktor der Gauck-Behörde war Ende des
Jahres 2006 das Handtuch - und kam damit einer ganzen Reihe von
Enthüllungen zuvor. Offiziell lautete die Begründung Busses, dass er den
Weg frei machen wolle für junge, ambitionierte Funktionäre. Persönliche
Gründe hätten ein Übrigens getan. Tatsächlich aber dürfte Busse vor der
seinerzeit aussichtslos erscheinenden Situation kapituliert haben. Die Nada
betrieb Mängelverwaltung an allen Ecken und Enden. Das Ausmaß wurde bald
darauf durch eine TV-Bericht deutlich: Der Beitrag zählte Verstöße von
Sportlern gegen Meldeauflagen auf - und kritisierte, dass sie von der Nada
nicht weiter verfolgt worden waren.
Ein Kesseltreiben setzte ein, an dessen Ende der damalige Geschäftsführer
Augustin seinen Hut nehmen musste. Es gibt nicht wenige Beobachter, die
unterstellen, dass die Kritiker des Geschäftsführers nur zu gern die
Gelegenheit ergriffen haben, um sich seiner zu entledigen. Denn obschon die
Nada finanziell am Stock ging, war Augustin penibel auf die Unabhängigkeit
der Stiftung bedacht, was ihm nicht viele Freude eintrug.
Neuer Vorsitzender wurde Armin Baumert, ein ehemaliger Leistungssportchef
des Deutschen Sportbunds. Der ehemalige Hochspringer hat den Umbruch
geräuschlos bewerkstelligt. Manche monierten seine via Vita zweifelsohne
vorhandene Nähe zum Sport. Doch Baumert suchte immerhin die Öffentlichkeit
und begriff die Nada nicht als einen Geheimklub. Geschäftsführer Göttrik
Wewer war ehemaliger Staatssekretär im Innenministerium und kam dann zur
Nada. Vor nicht einmal einem halben Jahr gab er sein Amt überraschend - an
Anja Berninger.
Das aktuelle Führungschaos fügt der Pleitengeschichte der Nada ein weiteres
Kapitel hinzu. Und wieder wird die Frage nach dem Stellenwert der
Organisation gestellt. Mittlerweile gilt die finanzielle Ausstattung der
Nada als immerhin passabel, doch sie ist verschwindend gering gemessen an
der Förderung des Spitzensports, die dem Bund jährlich etwa eine
Viertelmilliarde Euro wert ist. Der Spitzensport gilt als ein Imageträger.
Doch eine Organisation wie die Nada trägt qua Aufgabe nicht zur
Medaillenproduktion bei, sondern bewirkt eher das Gegenteil.
11 Mar 2011
## AUTOREN
Stefan Osterhaus
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