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# taz.de -- Anklage gegen Arid U.: Mit dem iPod in den Dschihad
> Arid U. soll zwei US-Soldaten ermordet haben. Auf dem Weg zum Attentat
> hörte er dschihadistische Kampflieder. Er hatte eine Pistole dabei, aber
> auch sein Pausenbrot.
Bild: Zwei Menschen starben, weil Arid U. sie erschoss. Die Bundesanwaltschaft …
BERLIN taz | Arid U. hatte die Pistole Marke FMAP im Rucksack versteckt. 22
Patronen hatte er dabei, dazu zwei Messer. Und sein Pausenbrot. Denn für
den Fall, dass er am Frankfurter Flughafen an diesem 2. März keine
US-Soldaten finden würde, wollte er um 17 Uhr ganz normal zur Arbeit
erscheinen, im Internationalen Postzentrum am Flughafen. Es kam anders.
Arid U. stieß auf eine Gruppe von 16 GIs, begleitete sie bis zum Bus,
wartete, bis fast alle eingestiegen waren - und schoss los.
Vier Monate nach der Bluttat am Frankfurter Flughafen hat die
Bundesanwaltschaft in Karlsruhe nun [1][Anklage] gegen den 21-Jährigen
erhoben. Sie wirft dem mutmaßlichen Attentäter vor, zwei US-Soldaten
heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen ermordet zu haben, drei weitere
habe er versucht zu ermorden.
Ernsthafte Zweifel, dass Arid U. die [2][tödlichen Schüsse] abgefeuert hat,
gibt es keine. Er selbst hat die Tat gestanden. Und ein Gutachten des
renommierten Psychiaters Norbert Leygraf hat ergeben, dass er zur Tatzeit
nicht vermindert schuldfähig war. Ein anderes Urteil als Mord scheint
ausgeschlossen.
Es war eine Tat, die international für Schlagzeilen sorgte. Kanzlerin
Merkel verurteilte das Attentat damals umgehend, und US-Präsident Obama
eilte in den Presseraum des Weißen Hauses, um sich bestürzt zu zeigen.
Vor kurzem fragte sich die Innenministerkonferenz der Länder, was mögliche
Folgen aus dem Attentat am Frankfurter Flughafen sein könnten. Und bei der
Vorstellung des Verfassungsschutzberichts vergangene Woche sprach
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vom "ersten vollendeten
islamistischen Anschlag" auf deutschem Boden.
## Hobbys: Basketball und Ballerspiele
Es ist aber auch eine Tat, die nach wie vor große Rätsel aufgibt. Denn der
im kosovarischen Mitrovica geborene Arid U., der als Kleinkind nach
Deutschland kam, galt als sozial gut integriert, höflich, humorvoll, hatte
sogar lange einen US-Amerikaner zum Freund, wie es in Ermittlungskreisen
heißt. Er jobbte nicht nur bei der Post, sondern auch eine Zeit lang als
Freiwilliger bei einem Pflegedienst. Seine Hobbys: Basketball und
Ballerspiele.
Erst in den letzten Monaten vor der Tat hat Arid U. nach Erkenntnissen der
Ermittler den Kontakt zu seinen alten Freunden nach und nach abgebrochen -
und driftete über das Internet immer stärker in die Welt der
[3][salafistischen] und dschihadistischen Ideologie ab.
Nach Informationen der taz war Arid U. noch viel stärker von dieser
Propaganda geprägt als bisher bekannt. So fanden die Ermittler auf iPod,
Laptop und PC zahlreiche Videos, Texte und Vorträge deutscher und
internationaler Dschihad-Apologeten - darunter ein Buch des einstigen
Mentors von Osama bin Laden, Abdullah Azzam, und englische Vorträge des
Predigers und Chef-Propagandisten von al-Qaida im Jemen, Anwar al-Awlaki.
In ein terroristisches Netzwerk sei Arid U. aber nicht eingebunden gewesen,
ließ die Bundesanwaltschaft am Donnerstag wissen. Auch weitere Beteiligte
hätten sich nicht ermitteln lassen. "Wir haben da jeden Stein umgedreht",
sagt ein Ermittler. Arid U. sei ein radikalisierter Einzeltäter. Ein "lone
wolf".
## Kinofilm-Vergewaltigung für echt gehalten
Zur Tat angestachelt hat Arid U. am Ende offenbar ein Propagandavideo, das
er am Abend vor der Tat im Internet anschaute. Der knapp fünfminütige Clip
soll eine Art Collage von Sequenzen aus Videos von al-Qaida und der
"Islamischen Bewegung Usbekistan" (IBU) sein, in der angebliche
Vergewaltigungen muslimischer Frauen durch westliche Soldaten angeprangert
werden. Im Zentrum dieses Propaganda-Mash-ups steht eine Szene aus dem
preisgekrönten Kinofilm "Redacted" von Brian De Palma.
Rucklige Nachtsichtkamerabilder zeigen, wie US-Soldaten das Haus einer
irakischen Familie stürmen und eine Frau vergewaltigen. Arid U. hielt die
Szene für echt, wie er in Vernehmungen sagte. Er müsse "irgendetwas
machen", habe er sich am nächsten Morgen gedacht - und das tat er dann
auch. Er wollte Vergeltung.
Wie die Ermittlungen ergaben, soll sich Arid U. die Pistole seines Bruders
aus dem Kleiderschrank genommen haben und sich in den Linienbus zum
Frankfurter Flughafen gesetzt haben. Gegen 14.45 Uhr beobachtet er in
Terminal 2, Halle D, US-Soldaten mit Militärgepäck. Er folgt ihnen bis zu
einer Haltestelle, an der ein Bus der U.S. Air Force wartet.
## "Dein Sohn ist im Dschihad"
Noch bis kurz vor der Bluttat soll Arid U. über seinen iPod Dschihadhymnen
gehört haben, sogenannt Nasheeds. Darunter auch ein deutschsprachiges Lied
eines Bonner Aktivisten der im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet
agierenden Terrortruppe IBU:
"Die Schreie wurden lauter, die Wunden nahmen zu, die unerfüllte Pflicht,
sie ließ mir keine Ruh. Noch heute muss ich gehen, morgen wäre schon zu
spät. Mutter bleibe standhaft, dein Sohn ist im Dschihad."
Um 15.52 Uhr schaltet Arid U. den iPod ab. Er ist bereit.
Arid U. fragt einen der US-Soldaten nach einer Zigarette, will dann wissen,
wohin sie unterwegs sind. Der Soldat antwortet: Richtung Afghanistan. Arid
U. wendet sich ab, lädt im Rucksack die Pistole und wartet, bis der letzte
der Soldaten in den Bus eingestiegen ist, so die Erkenntnisse der
Ermittler.
Dann soll er dem Soldaten von hinten in den Kopf geschossen, den Bus
gestürmt, den Fahrer erschossen und auf zwei weitere US-Soldaten gefeuert
haben. Als er dem nächsten Soldaten die Waffe an den Kopf hält, hat die
Pistole Ladehemmung - auf der Flucht nehmen Polizisten Arid U. noch im
Flughafen fest.
Er selbst hatte nicht damit gerechnet, dass er das Blutbad überleben würde,
sagte er in Vernehmungen, sondern dass er dabei erschossen wird - und als
"Märtyrer" stirbt. So wie die Dschihadisten, deren Leichen er am Abend
vorher noch auf YouTube gesehen hatte. Sie hatten ein Lächeln auf dem
Gesicht.
7 Jul 2011
## LINKS
[1] /1/politik/deutschland/artikel/1/anklage-gegen-arid-u/
[2] /1/politik/deutschland/artikel/1/arid-u-exekutierte-us-soldaten/
[3] /1/politik/deutschland/artikel/1/die-anziehung-der-salafisten/
## AUTOREN
Wolf Schmidt
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