Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Al-Qaida-Prozess in Berlin: Dschihad made in Germany
> Warum ziehen junge Männer aus Deutschland in den Krieg gegen Ungläubige?
> Ein Prozess soll Antworten geben. Angeklagt sind zwei mutmaßliche
> Al-Qaida-Terroristen.
Bild: Hinter dem Maschinengewehr: Ayyub, der Deutsche. Screenshot von dem Al-Qa…
BERLIN taz | Ayyub al-Almani nennt sich der junge Mann, der hinter einem
Maschinengewehr kniet. Ayyub, der Deutsche. Für das Drohvideo aus dem
fernen Waziristan hat er sich mit einem schwarzen Tuch vermummt. "Diesen
Krieg könnt ihr und euer Onkel Sam niemals gewinnen", sagt er in die
Kamera. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Dschihad die deutschen
Mauern einreißt."
Als das Video kurz vor der Bundestagswahl 2009 im Internet erschienen ist,
hat es für einige Aufregung gesorgt. Denn zu den Tiraden von Ayyub
al-Almani wurden Bilder eingeblendet: das Brandenburger Tor, das
Oktoberfest, die Frankfurter Bankentürme. War das eine ernste Drohung mit
Anschlägen? Und wer sind diese ominösen Deutschen Taliban Mudschahidin, in
deren Namen Ayyub den deutschen Verteidigungsminister zu einem "Fall für
den Henker" erklärt?
An diesem Mittwoch beginnt im Kriminalgericht Berlin-Moabit der Prozess
gegen einen 26-Jährigen, der nach Überzeugung der Ermittler der Mann aus
dem Video ist: Yusuf O., ehemaliger Student an einer technischen Hochschule
in Berlin, muss sich wegen der mutmaßlichen Mitgliedschaft in zwei
terroristischen Vereinigungen verantworten.
Nicht zuletzt durch eine Stimmanalyse und Zeugenaussagen sehen sie sich
bestätigt. Ende Mai 2009 soll er mit einem weiteren Islamistenfreund aus
Berlin in das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet gereist sein, um in den
Krieg gegen die USA und deren Verbündete zu ziehen.
Zum ersten Mal wird mit Yusuf O. ein mutmaßlicher Kämpfer der Deutschen
Taliban Mudschahidin vor Gericht stehen, einer kleinen Terrortruppe in der
Bergregion Nordwaziristan, dem Zentrum des globalen Dschihad.
Seit Jahren wandern immer wieder junge Menschen aus Deutschland hierher
aus, weil sie glauben, den Islam am Hindukusch gegen die "Kreuzzügler" und
"Ungläubigen" verteidigen zu müssen. Sie kommen aus Berlin, Hamburg,
Wuppertal, Langen, Neunkirchen, Frankfurt oder Bonn.
Manche von ihnen sind erschreckend jung. Ein Berliner, der wenige Monate
später Yusuf O. in den Krieg gefolgt sein soll, war gerade mal 19 - mit ihm
reiste seine 16-jährige Freundin.
## In Pakistan getötet
Manchmal sind die Nachwuchs-Dschihadisten erst wenige Monate in Waziristan,
schon sterben sie bei Drohnenangriffen der US-Amerikaner oder bei Gefechten
mit der pakistanischen Armee, um dann in schwülstigen Nachrufen der
Terrorgruppen als "Märtyrer" gefeiert zu werden.
So war es auch bei den Deutschen Taliban Mudschahidin. Deren Anführer,
Ahmet Manavbasi, ein ehemaliger Drogendealer aus Niedersachsen, starb im
April 2010, mutmaßlich bei einem Gefecht mit pakistanischen Soldaten
zwischen den Militantenhochburgen Mir Ali und Miranshah.
Mit ihm wurde der bekannteste Kämpfer der kleinen Gruppe getötet, der
saarländische Konvertit Eric Breininger, sowie ein weiterer junger Mann aus
Berlin-Reinickendorf.
Was danach geschah, wird zu einer der zentralen Fragen in dem am Mittwoch
beginnenden Terrorprozess in Berlin werden. Denn dabei wird es nicht nur um
die ominösen Deutschen Taliban Mudschahidin gehen, sondern um das
Innenleben von al-Qaida, deren angebliche Pläne in Europa und die
Hintergründe der Anschlagswarnungen des deutschen Innenministers im Herbst
2010.
## Freiwillige für europäisches Netzwerk
Denn nach dem Tod ihres Anführers sollen einige der Deutschen Taliban
Mudschahidin auf die Suche nach einer neuen Terrorgruppe gegangen sein,
darunter offenbar auch der in Lübeck geborene Yusuf O. Er soll, so der
Vorwurf der Bundesanwaltschaft, im Laufe des Jahres 2010 bei al-Qaida
gelandet sein.
Damals, so erzählte es ein ehemaliges Al-Qaida-Mitglied aus Frankfurt den
Ermittlern, suchte der Terrorscheich Yunis al-Mauretani Freiwillige für ein
Netzwerk in Europa. Bis heute ist nicht vollständig klar, was der
inzwischen in Pakistan festgenommene ranghohe Al-Qaida-Mann vorhatte.
Fest steht aber: Die Hinweise auf seine Pläne führten mit dazu, dass der
damalige Innenminister Thomas de Maizière im Herbst 2010 öffentlich vor
Anschlägen warnte. Wochenlang ließ er mit Maschinenpistolen bewaffnete
Polizisten an Bahnhöfen und Flughäfen Wache schieben.
Auch Yusuf O., so glauben es die Ermittler, hat der mysteriöse
Al-Qaida-Scheich angeheuert und ihm unter anderem den Umgang mit
Verschlüsselungsprogrammen wie "Asrar" und "Camouflage" beigebracht. Yusuf
O. selbst schweigt, sein Anwalt bestreitet alle Vorwürfe.
## Die Angeklagten schweigen
Laut Anklage soll der Berliner dann Anfang 2011 mithilfe von Schleusern
über den Iran und die Türkei bis in die ungarische Hauptstadt Budapest
gereist sein, um in Europa für al-Qaida Geld zu sammeln, Kämpfer zu
rekrutieren und für "nicht näher spezifizierte Operationen" bereitzustehen.
Mit ihm reiste der heute 22-jährige Wiener Maqsood L., der Soldat im
österreichischen Bundesheer war, bevor er in den Dschihad zog. Auch er
schweigt zu den Vorwürfen.
Von Budapest aus fuhr Yusuf O. weiter nach Wien, während der mit ihm
Angeklagte Maqsood L. Berlin erreichte. Dort verhaftete ihn am 16. Mai 2011
die Polizei. Bei ihm fand sie einen USB-Stick und eine SD-Speicherkarte,
deren Inhalt nach Ansicht der Ermittler "aus dem Inner Circle von Al-Qaida"
kam und die Sicherheitsbehörden aufschreckte.
Eines der dort geschilderten Szenarien soll ein "Serienkilling" gewesen
sein: eine Geiselnahme samt finaler Exekution.
25 Jan 2012
## AUTOREN
Wolf Schmidt
## TAGS
Saudi-Arabien
„Islamischer Staat“ (IS)
Terror
## ARTIKEL ZUM THEMA
Religionswechsel in Saudi-Arabien: Eine Bratpfanne für Neumuslime
Viele Gastarbeiter in Saudi-Arabien treten zum Islam über. In großen
Städten rufen Prediger zur Konversion auf. Mit bisweilen absurden Anreizen.
Haftstrafe für IS-Aktivistin aus Bonn: Von der Katholikin zur Terrorhelferin
Ein Düsseldorfer Gericht verurteilt erstmals eine Frau, die den
„Islamischen Staat“ unterstützt hat. Ihr Mann kämpft in Syrien.
Urteil im Berliner Terrorprozess: „Monströse Anschlagspläne“
Vor der Bundestagswahl drohte ein Berliner den Deutschen mit Terror. Nun
wurde der Al-Qaida-Mann zu neun Jahren Gefängnis verurteilt.
Urteil für Flughafenattentäter: Wie der Dschihad deutsch wurde
Arid Uka wurde durch deutschsprachige Propaganda im Internet indoktriniert.
2006 gilt als Jahr, in dem erstmals Dschihad-Webseiten auf Deutsch
erschienen.
Pakistans Regierung unter Druck: Die Generäle trumpfen auf
Militärhörige Richter drohen dem zivilen pakistanischen Regierungschef
Gilani. Falls das Oberste Gericht ein Verfahren eröffnet, dürften seine
Tage gezählt sein.
Düsseldorfer Al-Qaida-Zelle: Mutmaßlicher Islamist festgenommen
Die Bundesanwaltschaft hat ein weiteres mutmaßliches Mitglied der
Düsseldorfer Al-Qaida-Zelle festgenommen. Er soll Anschläge geplant und
Urkunden gefälscht haben.
Deutsche Online-Dschihadisten verurteilt: Keyboard und Kalaschnikow
Der Anführer der Dschihad-Gruppe Gimf muss für 3,5 Jahre in Haft, weil er
sich al-Qaida anschließen wollte. Die anderen Angeklagten bekamen mildere
Urteile.
Berliner Polizei fasst zwei Terrorverdächtige: Verdächtig wegen Kühlpacks
Die Polizei hat zwei Männer festgenommen, die einen Anschlag vorbereitet
haben sollen. Eine Verbindung zu einer terroristischen Vereinigung sehen
die Ermittler nicht.
Islamismus in Deutschland: Ein Attentat und viele offene Fragen
Arid U. hat im März am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen.
Ab Mittwoch muss er sich dafür vor Gericht verantworten.
Anklage gegen Arid U.: Mit dem iPod in den Dschihad
Arid U. soll zwei US-Soldaten ermordet haben. Auf dem Weg zum Attentat
hörte er dschihadistische Kampflieder. Er hatte eine Pistole dabei, aber
auch sein Pausenbrot.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.