| # taz.de -- Die USA vor dem Finale: Hoffen auf das Momentum | |
| > Das US-Team redet vor dem Finale nicht gern über Taktik. Man schwört auf | |
| > den Geist, der im Team lodert und für den ersten WM-Titel seit 1999 | |
| > sorgen möge. | |
| Bild: Hauptsache, das Gleichgewicht stimmt: Megan Rapinoe (m.) | |
| DÜSSELDORF taz | Das Momentum. Es ist noch nicht lange her, da war dieser | |
| terminus technicus ein Lehnwort aus dem Lateinischen, mit dem nur | |
| Ingenieure und Naturwissenschaftler sicher umgehen konnten. Es war das Wort | |
| für den Impuls oder die Schwungkraft. Seit ein paar Jahren wird diese | |
| Vokabel auch verwendet, um ein sportliches Phänomen zu bezeichnen. | |
| Wenn sich etwa eine Mannschaft anschickt, die Vormacht auf dem Platz zu | |
| übernehmen, dann ist das Momentum auf deren Seite. Im US-Team ist Momentum | |
| eines der am häufigsten bemühten Worte in diesen Tagen. Es wird nicht auf | |
| ein spezielles Spiel bezogen, sondern umfassender auf das ganze Turnier. | |
| Die US-Frauen sind sich ganz sicher, den Titel zu gewinnen, weil sie das | |
| Momentum auf ihrer Seite wähnen. | |
| Die sportliche Analyse der Teamleistung verschwindet hinter diesem Begriff, | |
| mit dem Phänomene auf dem Platz beschrieben werden, die sich nicht so recht | |
| messen lassen. Über diese gewisse Art des Kraftfußballs, den die Mannschaft | |
| von Pia Sundhage bei ihren WM-Auftritten vorgetragen hat, über die | |
| taktische Ausrichtung, über die fußballerische Qualität der einzelnen | |
| Spielerinnen – über all das wird kaum gesprochen. Fast wirkt es so, als | |
| seien sich die Amerikanerinnen ihrer taktischen und spielerischen Mängel im | |
| Klaren, ja, als glaubten sie, nur über ihre psychische Stärke ins Spiel | |
| kommen zu können. | |
| Und so erzählt Christie Rampone, erfahrene Innenverteidigerin und Kapitänin | |
| des Teams, dass man sich in der Kabine darüber unterhalten habe, wann es | |
| denn über die Gruppe gekommen sei, dieses Momentum. „Die einen sagen, es | |
| sei in der zweiten Hälfte des Spiels gegen Schweden gewesen, andere meinen | |
| nach der Roten Karte in der Partie gegen Brasilien.“ Egal, jetzt sei es | |
| eben da. | |
| Und deshalb ist auch Rampone sicher, dass sie zum zweiten Mal Weltmeisterin | |
| wird. Sie war 1999 als Ersatzspielerin dabei, als das US-Team zum letzten | |
| Mal den Titel geholt hat. „Das macht mich stolz“, sagt sie, „dass ich | |
| damals Teil dieses großen Teams war und dass ich jetzt wieder Weltmeisterin | |
| werde.“ Ähm. „Werden kann“, schiebt sie nach. | |
| Das Momentum. Auch Trainerin Pia Sundhage benutzt dieses Wort. Auch sie | |
| flieht regelrecht vor einer taktischen Diskussion. Für das Finale fordert | |
| sie von ihren Spielern vor allem, dass sie ihre „amerikanische Haltung“ | |
| zeigen. Sie blickt auf das Halbfinale gegen Frankreich zurück. Die | |
| Einwechslung von Megan Rapinoe in der 65. Minute habe „das Spiel gedreht. | |
| Von da an war das Momentum auf unserer Seite.“ | |
| ## Kraft von den Töchtern | |
| Nur einmal rutscht ihr auch etwas Analytisches raus. Im Spiel gegen | |
| Frankreich, da habe sie „schlecht gecoacht“. Ihr 4-4-2 hatte ja wirklich | |
| nicht funktioniert. Dann seien ihre Assistenztrainer auf die Idee gekommen, | |
| umzustellen auf ein Fünfer-Mittelfeld. Aber schnell wird klar, sie erzählt | |
| diese Episode lediglich, um zu veranschaulichen, dass auch die Betreuer ein | |
| Team bilden, dass auch auf der Bank immer alle für alle anderen da sind. | |
| Natürlich hat auch Pia Sundhage gesehen, welch „technisches Team“ die | |
| Japanerinnen sind. Angst kann ihr das ebenso wenig machen wie ihrer | |
| Kapitänin. „Was wir spielen müssen, ist eine harte Verteidigung, eine | |
| Team-Verteidigung, bei der jede der anderen hilft“, sagt die 36-jährige | |
| Rampone. Und schon wird wieder psychologisiert. Sie persönlich sei mental | |
| auch deshalb so stark, weil sie zwei kleine Töchter habe. „Daraus schöpfe | |
| ich Kraft“, meint sie. | |
| Und die anderen schöpfen Kraft daraus, dass sie sehen, wie eine Mutter | |
| Kraft aus ihren Kindern schöpft. „Zu sehen, wie sie das schafft, ist etwas | |
| ganz besonderes“, meint Mittelfeldrennerin Megan Rapinoe, der es als | |
| ehemalige Stammspielerin nichts ausmacht, bei dieser WM von der Bank zu | |
| kommen. „Ich weiß, dass ich zu diesem großartigen Team gehöre“, sagt sie. | |
| Es gehört zur Vorbereitung der US-Spielerinnen auf dieses Endspiel, dass | |
| sie sich in aller Öffentlichkeit starkreden. Und auch die größten | |
| Banalitäten werden mit größter Inbrunst vorgetragen. „Wir kämpfen weiter, | |
| was immer geschieht“, sagt Stürmerin Abby Wambach, die seit ihrem späten | |
| Ausgleichstor im Viertelfinale gegen Brasilien so etwas wie die | |
| Pressesprecherin des US-Teamgeists ist. Aber, Frau Wambach, machen das | |
| nicht alle Mannschaften? „Wir spielen für die USA, wir spielen für unser | |
| großartiges Land. Das spüren wir in jeder Minute des Spiels. Das ist der | |
| Unterschied.“ Sie glauben, dass sie mehr als andere an sich glauben. | |
| Also das Momentum. Ob Kraftstürmerin Abby Wambach auch die Bedeutung des | |
| Wortes kennt, das so gut auf sie selbst passt? Wucht. Es könnte ihr | |
| Momentum sein, das das Finale entscheidet. Mit Psychologie hätte das dann | |
| nur wenig zu tun. | |
| 17 Jul 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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