# taz.de -- Medienpolitik während der WM: Verband macht Vorschriften | |
> Der DFB hat während der Frauenfußball-WM so ziemlich alle | |
> Spielerinnen-Interviews glattgebügelt und entmenschlicht. Mit | |
> beamtenhafter Sturheit. | |
Bild: Überall ein Filter davor: Silvia Neid bei einer Pressekonferenz | |
FRANKFURT/BERLIN taz | Die Kollegen vom SZ-Magazin hatten eine gute Idee. | |
Sie wollten einigen deutschen Nationalspielerinnen witzige Fragen stellen | |
und deren mimische Antworten in der Rubrik „Sagen Sie jetzt nichts“ | |
abdrucken. So weit, so gut. Umsetzen ließ sich das meiste davon aber nicht. | |
„Lieber ein Abend mit Löw oder Guardiola? Zeigen Sie uns Ihren | |
Oberschenkelmuskel? Wie viel verdient man als Fußballerin? Sex vor dem | |
Spiel: ja oder nein?“ – all diese Fragen wurden von den Benimmonkeln und | |
-tanten der Spielerinnen zensiert. Auch nicht zulässig: Vergleiche zum | |
Männerfußball, politische Fragen und allzu Persönliches wie Kochen. Saskia | |
Bartusiak beantwortet dann also die extrem spannende Frage, wie viele | |
Fußballschuhe bei ihr zu Hause stünden mit einem Fingerzeig. Es sind – potz | |
Blitz! – acht Stück. Na wollte man das nicht schon immer wissen? | |
Dieses Dokument der Pressegängelung ist typisch für diese Weltmeisterschaft | |
gewesen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und etliche Manager von | |
Spielerinnen waren der Meinung, man könne der Öffentlichkeit ein bestimmtes | |
Bild oktroyieren, die Presse führen und bevormunden. Das war zu einem Teil | |
Strategie, zum anderen auch der Übervorsichtigkeit von DFB-Mitarbeitern | |
geschuldet, die sich in der Welle der Aufmerksamkeit freischwimmen mussten. | |
Lieber nichts falsch machen!, war die Devise. Also wurden meist alle | |
interessanten und irgendwie knackigen Stellen in Interviews umgeschrieben | |
oder gar gestrichen. | |
## Aggressive Autorisierung | |
Manchmal wurde in den Manuskripten so wild herumgefuhrwerkt, dass sich | |
manche Zeitungen entschieden, diese Interviews lieber gar nicht zu drucken. | |
Die taz hat im Vorfeld der WM in einem Interview mit Fatmire Bajramaj gegen | |
diese Praxis protestiert und nicht autorisierte Stellen trotzdem | |
abgedruckt. Auch während der WM erschien ein Interview mit dem | |
DFB-Vorstandsmitglied Hannelore Ratzeburg in der taz-Version. | |
Beim DFB ist es Usus, dass Gespräche mit Spielern und Spielerinnen, ob in | |
großer oder kleiner Runde aufgezeichnet, vorgelegt werden müssen. Bei den | |
Männern erledigt das der Stab von Pressesprecher Harald Stenger. Die | |
Gesprächsmöglichkeiten mit Nationalspielern sind begrenzt, doch die | |
Autorisierungspraxis ist in den meisten Fällen okay. Anders bei den Frauen: | |
Hier kommt man zwar leichter an Gesprächstermine heran, aber autorisiert | |
wird nach Steinzeitmethoden. Das gesprochene Wort wird hier nicht nur nicht | |
respektiert, sondern verfälscht. | |
Es klingt doch wirklich zu salopp und lebendig, wenn die Verteidigerin | |
Babett Peter ihrer Mitspielerin Birgit Prinz attestiert, sie habe etwas im | |
Kopf. Nein, Peter soll in der DFB-Version gesagt haben: „Birgit Prinz ist | |
intelligent.“ Der DFB sorgt aber nicht nur für die Entmenschlichung von | |
Interviews. Zuweilen werden Aussagen auch mutwillig entstellt. „Irgendwie | |
berühmt“ darf sich Peter nicht fühlen. Klingt doch viel zu abgehoben. | |
Besser, also braver und bescheidener ist: „Ich fühle mich ein bisschen | |
berühmt.“ | |
Und Kritik hat in Interviews sowieso gar nichts zu suchen. Also raus mit | |
den Vorwürfen von Assistenztrainerin Ulrike Ballweg an Dietmar Ness, den | |
Berater von Fatmire Bajramaj, der dieser zu viele Werbetermine aufgebrummt | |
habe. Und es mag ja stimmen, dass die U19 neulich in Italien unter | |
Ausschluss der TV-Öffentlichkeit gespielt und den EM-Titel errungen hat, | |
aber Frau Ratzeburg darf so etwas doch nicht in der Öffentlichkeit | |
monieren. Wo soll das denn hinführen, wenn jede sagt, worüber sie sich zu | |
Recht mokiert? | |
## Allgemeiner Unmut | |
Auch bei der Weltmeisterschaft 2007 in China war der Unmut über die | |
DFB-Presseabteilung groß. Obwohl nur ein paar Reporter vor Ort waren, | |
schottete DFB-Pressesprecher Niels Barnhofer die deutschen Spielerinnen ab, | |
als drohe Geheimnisverrat, wenn sie den Mund aufmachen. Einzeltermine waren | |
nur nach härtesten Verhandlungen möglich. Allein die Bild-Zeitung und | |
Spiegel genossen einen exklusiveren Zugang. Das war jetzt immerhin anders, | |
wenngleich das Ausmaß der Gängelung kaum kleiner war. | |
Andere Teams haben gezeigt, wie es besser geht. Zum Beispiel die | |
US-Amerikanerinnen. Ihre Medientage sahen so aus: Locker schlendernd nahmen | |
Spielerinnen an verschiedenen Tischen Platz, plauderten über dies und das. | |
Sie waren sich im Klaren, dass sie die Verantwortung für ihre Aussagen | |
übernehmen müssen, entsprechend selbstbewusst und reflektiert äußerten sie | |
sich. Hier war klar: Eine Zensur, sprich Autorisierung gibt es nicht. Warum | |
auch? Das öffentliche Bild lässt sich in einem Land mit freier Presse | |
ohnehin nicht steuern. Da kann man sich noch so sehr anstrengen. | |
Die Versuche des DFB, die Inszenierung zu lenken, zeigen doch vor allem | |
eines auf: Da traut jemand den eigenen Spielerinnen nicht. | |
17 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
J. Kopp | |
M. Völker | |
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