| # taz.de -- Euro-Krisengipfel in Brüssel: Die Rettung ist nah | |
| > Die Eurozone plant ein neues Rettungspaket für Griechenland und | |
| > kalkuliert dabei eine Pleite mit ein. Banken und Fonds sollen sich | |
| > beteiligen. | |
| Bild: Hat sich durchgesetzt: Angela Merkel. | |
| BRÜSSEL taz | Die Zukunft der europäischen Währungsunion ist weiter offen. | |
| Am späten Donnerstagnachmittag zeichnete sich beim Euro-Krisengipfel indes | |
| eine Einigung auf neue Hilfen für Griechenland ab. Wie von Bundeskanzlerin | |
| Angela Merkel gefordert, sollen private Banken und Versicherungen an einem | |
| neuen, bis zu 120 Milliarden Euro schweren Rettungsplan für das | |
| überschuldete Land beteiligt werden. | |
| Mit dieser Lösung nehmen die 17 Euroländer aber eine Pleite Griechenlands | |
| in Kauf. Banken und Fonds sollen dafür ihre Griechenland-Anleihen in neue | |
| Papiere mit niedrigeren Zinsen und längeren Laufzeiten umtauschen oder die | |
| Konditionen verbessern. Sie müssten dafür auf 20 Prozent des Wertes | |
| verzichten, würden den Rest aber von den Euroländern garantiert bekommen. | |
| Die Euroländer gehen damit allerdings das Risiko ein, dass es zu weiteren | |
| Turbulenzen auf den Finanzmärkten kommt. | |
| Merkel setzt sich seit Wochen für eine "substanzielle" Beteiligung des | |
| privaten Sektors an der Rettung Griechenlands ein, um die Euro-Kritiker in | |
| ihren eigenen Reihen ruhigzustellen. Frankreich und die Europäische | |
| Zentralbank (EZB) hatten sich bis zuletzt dagegen gewehrt, weil eine | |
| Verpflichtung zur Hilfe von den Märkten als Zahlungsausfall gewertet werden | |
| könnte. | |
| Doch nach einer Krisensitzung im Kanzleramt am Mittwochabend hatten | |
| Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und EZB-Chef Jean-Claude | |
| Trichet ihren Widerstand aufgegeben. Noch vor Beginn des Gipfels zog | |
| Sarkozy seinen Vorschlag für eine Bankenabgabe zurück, gegen die sich vor | |
| allem deutsche Banken gewehrt hatten. | |
| Erstmals waren bei einem EU-Gipfel mit Josef Ackermann von der Deutschen | |
| Bank oder Baudouin Prot von der französischen BNP Paribas Banker als | |
| Berater geladen. Die Lösung, über die die Euro-Chefs gestern diskutierten, | |
| läuft auf ein riskantes Vabanquespiel hinaus. Mehrere große Ratingagenturen | |
| haben bereits angekündigt, dass sie Griechenland bei einer Beteiligung der | |
| Banken für zahlungsunfähig erklären würden. | |
| ## Streit um Höhe der Beteiligung | |
| Zwar drohe nur ein "teilweiser" oder auf wenige Stunden "befristeter" | |
| Zahlungsausfall, hieß es beim Krisengipfel in Brüssel. Doch auch das könnte | |
| schon reichen, um die Märkte zu verunsichern und die Spekulation gegen den | |
| Euro anzuheizen. Zuletzt hatten sich amerikanische Hedgefonds auf Italien | |
| eingeschossen. | |
| Laut dpa geht aus dem Entwurf für die Abschlusserklärung hervor, dass der | |
| "Finanzsektor seine Bereitschaft erklärt, Griechenland auf einer | |
| freiwilligen Basis mit einer Reihe von Optionen zu unterstützen". Auf dem | |
| Gipfel kam es zum Streit über die Höhe der Beteiligung. Finnland und die | |
| Niederlande forderten, konkrete Zahlen zu nennen. Nach Angaben der | |
| Nachrichtenagentur Reuters war von 17 Milliarden Euro die Rede. | |
| Diskussionen gab es auch über die Frage, in welcher Form die Banken zur | |
| Rettung Griechenlands beitragen sollen. Merkel, Sarkozy und die anderen | |
| Euro-Chefs berieten über mehrere Modelle, bei denen die Geldinstitute ihre | |
| griechischen Staatsanleihen gegen neue Papiere tauschen. Dabei würden sie | |
| schlechtere Konditionen eingehen - etwa längere Laufzeiten von bis zu | |
| dreißig Jahren - und so zur Entlastung Griechenlands beitragen. Keine | |
| Mehrheit fanden Forderungen nach einem radikalen Umbau der Währungsunion. | |
| Die 17 Euro-Chefs konnten sich weder auf gemeinsame Anleihen ("Euro-Bonds") | |
| noch auf neue Institutionen wie ein EU-Finanzministerium einigen. Für die | |
| Euro-Bonds hatten sich zuletzt SPD, Grüne und prominente Europapolitiker | |
| wie der frühere EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti ausgesprochen. Ein | |
| Finanzministerium hatte EZB-Chef Trichet ins Gespräch gebracht. | |
| Deutschland blockte diese Vorschläge ab. Man plane keine großen Schritte, | |
| hatte Merkel bereits vor dem Gipfel erklärt. Allerdings zeichnete sich | |
| gestern ein wichtiges Zugeständnis ab: Der Euro-Rettungsfonds EFSF soll die | |
| Möglichkeit erhalten, Anleihen aus Krisenstaaten zu kaufen. Damit könnte er | |
| nicht nur Griechenland stützen, sondern auch andere angeschlagene Länder | |
| wie Portugal und Irland. | |
| Für größere Befugnisse des Rettungsfonds hatte sich vor allem Frankreich | |
| eingesetzt. Langfristig könnte sich der Fonds zu einer Art Währungsfonds | |
| entwickeln oder sogar die umstrittenen Euro-Bonds einführen - wenn auch | |
| durch die Hintertür. | |
| 21 Jul 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Gert Stuby | |
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