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# taz.de -- Schwere Unruhen in Malawi: "Polizei verprügelt jeden in Rot"
> Blutige Auseinandersetzungen in Malawi: Auslöser war eine Demonstration
> gegen Benzinknappheit und Preissteigerungen. Die Polizei ging mit
> äußerster Härte vor.
Bild: Demonstration in Malawis Wirtschaftsmetrople Blantyre.
BERLIN taz | Es waren die schwersten Unruhen in Malawi seit der
Demokratisierung 1993, und die Regierung des gewählten Präsidenten Bingu wa
Mutharika steht vor einem Scherbenhaufen. Mindestens 18 Menschen starben am
Mittwoch und Donnerstag, als Demonstrationen gegen hohe
Lebenshaltungskosten von der Polizei unterdrückt wurden und in Gewalt
ausarteten.
Unmittelbarer Auslöser der Proteste waren hohe Treibstoffpreise und
Benzinknappheit, die Analysten auf den Devisenmangel zurückführen, der alle
Importe und damit die Lebenshaltungskosten verteuert. Für Mittwoch meldete
ein Aktivistenbündnis eine Großdemonstration unter dem Motto "Ein besseres
Malawi ist möglich" an. Sie wurde am Dienstagabend von einem Gericht
verboten.
Am Mittwochmorgen nahmen schwer bewaffnete Sicherheitskräfte, darunter laut
Augenzeugen auch mit Macheten bewaffnete Jugendmilizionäre der
Regierungspartei, auf den Straßen der Hauptstadt Lilongwe Stellung. Als
dort sowie in anderen Städten die ersten Demonstranten auftauchten, setzte
die Polizei Tränengas ein, die Demonstranten verwüsteten Geschäfte und
Büros, zündeten Autos an und errichteten brennende Straßensperren. Es gab
Tote und zahlreiche Verletzte. Die Unruhen gingen am Donnerstag im ganzen
Land weiter. "Die Polizei verprügelt jeden, der Rot trägt" (die Farbe der
Opposition), twitterte eine Augenzeugin aus der Stadt Zomba. Am meisten
Tote gab es in der nördlichen Stadt Mzuzu, wo die Armee ausrückte.
## Angst einflößende Kampagne
Einst international gepriesen, weil er Malawi durch eine gute Agrarpolitik
aus dem chronischen Hunger herausgeführt hatte, wird der 77-jährige
Präsident Mutharika seit seiner Wiederwahl 2009 immer öfter mit Robert
Mugabe im nahen Simbabwe verglichen. "In den letzten zwei Jahren hat der
Präsident alle Macht systematisch in den eigenen Händen konzentriert und
eine konzertierte, oft Angst einflößende Kampagne lanciert, alle
potenziellen Kritiker zum Schweigen zu bringen", erklärt die in Südafrika
beheimatete Open Society Initiative for Southern Africa. Bei den Protesten
zündeten die Demonstranten in Lilongwe auch Geschäftshäuser von reichen
Freunden des Präsidenten an.
Die Devisenknappheit ist paradoxerweise Ergebnis des relativ hohen
Wirtschaftswachstums der letzten Jahre, das auf die Gesundung der
Landwirtschaft folgte: Malawi ist fast komplett importabhängig, und die
Importe boomen. Dass Mutharika letztes Jahr für rund zehn Millionen Euro
einen Präsidentenjet kaufte, während es ansonsten an Geld fehlte, löste
Empörung aus und brachte den wichtigsten Geldgeber Großbritannien dazu,
seine Budgethilfe zu suspendieren.
Der Streit mit London eskalierte weiter, als im März diesen Jahres die
malawische Zeitung Nation eine Depesche des britischen Botschafters Ferghus
Cochrane-Dye veröffentlichte, in der er auf zunehmende Einschüchterung
hinwies und warnte, Malawi sei auf dem Weg zurück in die Unterdrückung der
ersten Jahrzehnte nach der 1964 erlangten Unabhängigkeit. Der Botschafter
wurde ausgewiesen, am 14. Juli setzte Großbritannien seine Hilfszahlungen
an Malawi komplett aus.
Am späten Donnerstag rief Präsident Mutharika die Opposition zum Dialog
auf. "Organisiert euch und informiert mich", sagte er im Fernsehen und übte
scharfe Kritik an den Demonstranten: "Haben wir jetzt nach den
Demonstrationen unsere Treibstoff- und Devisenprobleme gelöst? Indem wir
Läden und Banken plündern, bekommen wir Benzin?" Am Freitag patrouillierte
in den wichtigsten Städten das Militär, während Angst vor neuer Gewalt nach
den Begräbnissen der Getöteten umging.
22 Jul 2011
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Präsidentschaftswahl
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