# taz.de -- Kriegsverbrecherprozess Uganda: Leerer Blick vor vollem Saal | |
> Zum ersten Mal wird einem Kommandanten der berüchtigten Rebellenarmee LRA | |
> der Prozess gemacht. Das Sondergericht tagt im einstigen nordugandischen | |
> Kriegsgebiet. | |
Bild: Hat viel zu verarbeiten: der Angeklagte Thomas Kwoyelo beim Prozess. | |
GULU taz | Mit abwesendem Blick stiert Thomas Kwoyelo vor sich hin. Er | |
steht vor der Anklagebank im Saal des Hohen Gerichts in der nordugandischen | |
Stadt Gulu. Sein Verteidiger, John Francis Onyango, fragt die Richter, ob | |
sich sein Klient setzen könne. Er sei sehr schwach. Der Richter nickt. | |
Kwoyelo setzt sich, ohne aufzublicken. | |
Knapp zwanzig Jahre lang hat der 39-Jährige in Afrikas brutalster | |
Rebellengruppe gekämpft, der LRA (Lords Resistance Army). Das hat den | |
dürren Mann aus Norduganda schwer gezeichnet. Als Jugendlicher wurde er | |
Ende der 1980er Jahre von den Rebellen unter dem berüchtigten Joseph Kony | |
zwangsrekrutiert. Kwoyelo kämpfte über ein Dutzend Jahre in Uganda, stieg | |
in der Miliz zum Oberst auf. | |
Bis 2005 befehligte er ein LRA-Lazarett in der Region Pabbo nördlich von | |
Gulu. 2006 floh er mit seiner Einheit in den Südsudan und weiter in den | |
Nordosten der Demokratischen Republik Kongo, wo sich die LRA im Urwald des | |
Garamba-Nationalparks einnistete. Ende 2008 bombardierte Ugandas Armee das | |
Dschungelcamp, die Rebellen flohen, Kwoyelo wurde angeschossen. Seit 2009 | |
sitzt er in Uganda in einem Hochsicherheitsgefängnis. | |
Jetzt wird dem LRA-Kommandeur der Prozess gemacht. Es ist das erste Mal | |
überhaupt, dass ein LRA-Kämpfer sich vor Gericht verantworten muss. Kwoyelo | |
ist angeklagt wegen absichtlicher Tötung, Geiselnahme und Zerstörung von | |
Eigentum. Darauf steht "lebenslänglich". Laut den 12 Anklagepunkten habe er | |
zwischen 1994 und 2005 in Norduganda mehrere Massaker befohlen, Zivilisten | |
entführt und Häuser in Brand gesteckt. | |
Ugandas Hohes Gericht hat für den Prozess eigens eine "Internationale | |
Abteilung" eingerichtet, die jetzt im Justizgebäude von Gulu tagt. Um dem | |
Zuschaueransturm Herr zu werden, stehen im Innenhof des kleinen | |
Gerichtshofs Zelte mit Bänken. Über 50 Ugander verfolgen die Verhandlung. | |
Einer von ihnen ist Alex Nyeko: 1990 griff die LRA sein Dorf Koro an und | |
tötete seinen Onkel, zehn Jahre lang lebte er unter miserablen Bedingungen | |
in einem Flüchtlingslager. Inzwischen pflegt er wieder seinen Acker in | |
Koro, aber heute ist er nach Gulu gereist, um den Prozess zu verfolgen. | |
"Solange es die LRA gibt, werden wir keinen Frieden finden", sagt er. | |
## Dem Angeklagten wurde die beantragte Amnestie verweigert | |
Vor zwei Wochen wurde die Anklage verlesen. Am Montag, bei der zweiten | |
Anhörung, erhebt nun die Verteidigung Einspruch. "Wir müssen erst klären, | |
ob das Verfahren überhaupt zulässig ist, und benötigen dazu eine | |
Entscheidung des Verfassungsgerichts", sagt Anwalt Onyango der taz. | |
Im Jahr 2000 verabschiedete Uganda ein Amnestiegesetz, das allen Exkämpfern | |
Straffreiheit garantiert, wenn sie der Rebellion abschwören. Auch Kwoyelo | |
habe Amnestie beantragt, so Onyango. "Bis heute ist nicht klar, warum ihm | |
diese nicht gewährt wurde." Das Gesetz lässt zwar die Möglichkeit offen, | |
hochrangigen LRA-Kommandeuren die Straffreiheit zu verweigern. Doch das | |
Parlament hat bislang keine dafür erforderliche Namensliste verabschiedet. | |
Kwoyelos älterer Bruder, George Abedo, sitzt mit seiner Mutter im | |
Gerichtssaal. Er guckt verzweifelt. Er kann sich gut an den Tag vor zwei | |
Jahrzehnten erinnern, als sein Bruder nicht mehr von der Schule nach Hause | |
kam. Damals hatte die LRA das Dorf Amuru umstellt. "Irgendwann wurde uns | |
bewusst, dass er verschleppt worden war", erzählt Abedo. Erst 20 Jahre | |
später traf er seinen Bruder wieder, im Militärkrankenhaus in Kampala. "Er | |
lächelte, als er mich sah, doch ich sah an seinem Blick, er war ein | |
gebrochener Mann." | |
Dass Kwoyelo keine Amnestie erfährt, findet sein Bruder ungerecht. "Er ist | |
doch ein Opfer von Kony wie alle anderen auch", sagt er. Selbst der | |
Kommandeur, der Kwoyelo einst entführt hatte, habe Amnestie erhalten. Er | |
lebt als freier Mann in Gulu. | |
Das Verfassungsgericht muss jetzt auch klären, ob es sich bei dem Krieg in | |
Norduganda um einen internationalen Konflikt handle, wie die Anklageschrift | |
sagt. Sie beruft sich auf die Genfer Konvention von 1947, die sich auf | |
zwischenstaatliche Konflikte bezieht. Die Anklage definiert den Bürgerkrieg | |
in Norduganda als internationalen Krieg, weil die LRA vom Sudan unterstützt | |
wurde. "Doch dafür sind keine hinreichenden Beweise vorgelegt worden", | |
kritisiert Onyango. | |
Nach knapp sieben Stunden beschließen die Richter, die Fragen an das | |
Verfassungsgericht zu übergeben. Kwoyelos Bruder Abedo ist erleichtert. | |
Kwoyelo selbst stiert auf der Anklagebank weiter vor sich hin ins Leere. | |
26 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
## TAGS | |
Uganda | |
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