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# taz.de -- Jagd auf Oppositionelle in Weißrussland: Mit litauischer Amtshilfe
> Die weißrussische Opposition befürchtet nach der Festnahme von Ales
> Belyatsky, dass der Druck weiter wächst. Das Regime geht weiter gnadenlos
> gegen Kritiker vor.
Bild: Polizisten in Zivil mischen sich unter friedliche Demonstranten und verha…
BERLIN taz | "Die Tätigkeit von Menschenrechtlern in Weißrussland erinnert
an die Arbeit von Feuerwehrleuten. Sie stehen den Opfern der Repression
bei", sagt Olga Karatsch, Aktivistin der Vitebsker
Nichtregierungsorganisation Nasch Dom (Unser Haus). "Vjasna hat uns sehr
geholfen, als einige unserer Mitarbeiter am 19. April 2011 festgenommen
wurden und ohne jede Grundlage bis zu zehn Tagen inhaftiert waren."
Mit solcherart Unterstützung könnte jetzt Schluss sein. Am vergangenen
Donnerstag wurde Ales Belyatsky, der Vorsitzende von Vjasna und
bekanntester Menschenrechtler des Landes, festgenommen. Der Vorwurf lautet:
Steuerhinterziehung in größerem Umfang. Im Fall einer Verurteilung drohen
Belyatsky sieben Jahre Haft und die Konfiszierung seines Eigentums. Vjasna
unterstützt vor allem politisch Verfolgte und ihre Angehörigen.
Der Fall Belyatsky zeigt, wie gnadenlos das Regime gegen die Opposition
seit dem 19. Dezember 2010, dem Tag der Präsidentenwahlen, vorgeht.
Offiziellen Angaben zufolge hatte der autoritäre Staatschef Alexander
Lukaschenko die Wahl mit knapp 80 Prozent der Stimmen gewonnen. Als am
Abend des Wahltags Zehntausende in der Hauptstadt Minsk gegen das
gefälschte Ergebnis auf die Straßen gingen, antwortete die Staatsmacht mit
Knüppeln, Tränengas und hunderten von Festnahmen.
Auch vor oppositionellen Präsidentschaftskandidaten machten Lukaschenkos
Schergen nicht halt. Vier von ihnen wurden mittlerweile wegen Anstiftung
zum Massenaufruhr zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
## Schweigemärsche und demonstratives Klatschen
Aber nicht nur unbequeme Politiker hat das Regime im Visier. Rechtsanwälten
von politischen Gefangenen entzog man die Lizenz. Oppositionelle Zeitungen
werden - mit der Aussicht auf Schließung - verwarnt, ihre Mitarbeiter wegen
kritischer Berichterstattung bedroht und mit Geldstrafen belegt.
Trotzdem lassen sich viele Weißrussen, die überdies unter den Auswirkungen
einer schweren Wirtschaftskrise leiden, nicht mehr einschüchtern. Ab Mai
begannen sie ihrem Unmut einmal wöchtlich mit Schweigemärschen und
Klatschen Luft zu machen.
Auf diese für Weißrussland neuartigen Proteste, zu denen Aktivisten im
Internet aufrufen, haben die politisch Verantwortlichen mit einer
Verschärfung des Versammlungsgesetzes reagiert. Wer sich ohne Genehmigung
an vorherbestimmten Orten mit anderen trifft, um durch Aktionen, aber auch
passives Nichtstun seinen Protest auszudrücken, macht sich strafbar.
Am Montag berichtete das oppositionelle Webportal Charter 97 von der
Verurteilung eines jungen Mannes zu drei Tagen Administrativhaft. Er hatte
über das soziale Netzwerk "Vkontakte" eine Mail abgesetzt und darin zu
einem Treffen aufgerufen.
Für seine Festnahme bedanken kann sich Ales Belyatski übrigens beim
litauischen Justizministerium. Besagte Behörde versorgte die weißrussische
Regierung im Rahmen eines bilateralen Rechtshilfeabkommens mit
Informationen über die Konten hunderter Weißrussen bezeihungsweise
weißrussischer Nichtregierungsorganisationen bei litauischen Banken,
darunter auch Belyatskis Konto. Über dieses laufen Zahlungen ausländischer
Organisationen, mit denen Vjasna seine Arbeit finanziert.
Warum Litauen, wo viele weißrussische Oppositionelle im Exil leben, das
Lukaschenko-Regime offen unterstützt, versteht auch Olga Karatsch nicht.
"Doch sonst wären die Informationen über die Konten nicht nach Weißrussland
weitergereicht worden", sagt sie. Auch Nasch Dom hat eine Niederlassung in
Vilnius und fürchtet jetzt Sanktionen. "Litauens Präsidentin hat
Lukaschenko einen großen Dienst erwiesen."
9 Aug 2011
## AUTOREN
Barbara Oertel
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