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# taz.de -- Debatte Exilmedien: Geld für die Kontroverse
> Die deutsche Außenpolitik konzentriert sich stark auf die Machthaber und
> unterstützt zivilgesellschaftliche Ansätze zu wenig. Den Exilmedien fehlt
> es deshalb an Geld.
Wie erfuhr die Weltöffentlichkeit von der Safranrevolution in Birma oder
von der jüngsten Explosion eines Militärlagers in Turkmenistan, die über
tausend Tote gefordert haben soll? Was wissen wir von dem Aufstand in
Syrien? In diesen Staaten gibt es keine unabhängige Medienlandschaft. Die
Staatsmacht nutzt Fernsehen, Radio und Zeitungen allein zu dem Zweck, die
Bevölkerung mit Propaganda im Griff zu halten.
Das, was wir trotzdem von den realen Zuständen erfahren, kommt daher zu
einem Großteil von Medien, die von Exilanten betrieben werden vom Ausland
aus arbeiten. Über Websites oder auch Printmedien organisieren sie den
Informationsfluss in die Welt und in den Despotien selber - nicht selten
unter größten Schwierigkeiten.
## Lebensgefährliche Arbeit
Dem Exil-TV-Sender Democratic Voice of Burma in Norwegen zum Beispiel
gelang es trotz der Militärjunta, eine parallele Informationsstruktur im
Land aufzubauen. Trotz der Bedrohung durch die Diktatur versorgten Bürger
aus Birma den Sender in Norwegen mit Nachrichten und Bildern. Sie nutzten
dabei Internetcafés oder gingen in internationale Hotels mit
Internetzugang. Jeder einzelne der Mitarbeiter riskierte dabei seine
Gesundheit oder sein Leben.
Manchmal genügt schon ein Computer auf dem Schreibtisch. Die Website
"Chronicles of Turkmenistan" sammelt wichtigste Nachrichten aus dieser
postkommunistischen Diktatur, in der die persönliche Internetnutzung erst
seit wenigen Jahren erlaubt ist. Es ist die einzige journalistische Quelle,
die diesen opaken Staat zumindest etwas transparent macht.
In Weißrussland sind zwar kleine unabhängige Medien zugelassen, die aber
stehen unter ständigem Verfolgungsdruck. In Usbekistan kann noch nicht mal
eine Oppositionszeitung erscheinen. Jeweils sind die Kollegen im Ausland
der einzige Support, der die Zensur durchbrechen kann. Denn den Machthabern
gelingt es nicht, sich völlig von dem weltumspannenden Informationsnetz
abzukoppeln - das ginge nur, wenn Internet und Mobilfunk komplett
abgeschaltet würden. Nur Nordkorea ist bereit, diesen letzten Schritt zu
gehen.
Doch so wichtig die Berichterstattung ist, es geht nicht allein um den
Informationsfluss. Diktaturen leben davon, dass sie jeden Ansatz zur
Zivilgesellschaft zerstören. Exilmedien helfen, Keimzellen der Demokratie
zumindest im Ausland zu bewahren. Das Problem allerdings ist die
Finanzierung. Denn der Nutzermarkt der Exilmedien liegt vor allem in den
Despotien. Daher können sie sich nicht selbst finanziell tragen, sondern
sind auf Unterstützung angewiesen. Vor allem das Open Society Institut von
dem Investmentmilliardär George Soros und viele skandinavische Staaten
unterstützen die journalistische Arbeit im Exil. In Deutschland sieht es
dagegen mau aus.
## Angst vor Regimekritikern
Auf Anfrage erklärten die Heinrich-Böll-, die Friedrich-Naumann- und die
Rosa-Luxemburg-Stiftung, dass sie die Förderung von Exilmedien nicht zu
ihren Aufgabe zählen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und die
Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) drückten sich vager aus: "Wir verfolgen die
Förderung von Exilmedien nicht als Arbeitslinie", sagte die FES.
Dabei engagieren sich die Stiftungen ansonsten durchaus politisch in ihren
Gastländern. So unterschrieb die KAS genau am fünften Jahrestag des
Massakers in der usbekischen Stadt Andischan ein Medienmemorandum mit einer
regimetreuen Organisation und erwähnte darin mit keinem Wort die in Haft
einsitzenden Journalisten oder auch nur die allgemeine Unterdrückung der
Pressefreiheit. Im Mai 2005 hatte die Staatsmacht einen Volksaufstand mit
Panzerwagen zusammengeschossen.
Der Grund für die Nichtunterstützung von regimekritischen Medien im Exil
dürfte der Glaubenssatz sein, der die deutsche Außenpolitik wie eine
Bleimanschette umklammert hält: "Wandel durch Annäherung."
## Rücksicht auf die Diktatoren
Der Satz basiert auf der Überzeugung, dass über wirtschaftliche und
politische Kontakte mit Repräsentanten eines Gewaltregimes langfristig ein
Wechsel zu weniger Unterdrückung eingeleitet werden könnte. Als wäre es
möglich, Despotien zu läutern! In der Folge werden Repräsentanten der
Unrechtsregime umworben und eingeladen.
Als 2007 die EU Usbekistan mit Sanktionen belegte und ein Einreiseverbot
für einige hochrangige usbekische Staatsbeamte in Kraft war, empfing die
SPD Bundesabgeordnete Hedi Wegener in Berlin die zweite Garde der
usbekischen Politik, über die kein Einreiseverbot verhängt worden war.
Damit machte sie dem usbekischen Gewaltregime klar, dass Deutschland es
weiterhin willkommen heißt, staatlich verordnete Folter hin oder her.
Bundeskanzlerin Angela Merkel empfing während ihrer Amtszeit in Berlin
Despoten von Ägypten bis Turkmenistan.
Ab und an spuckt das jeweilige Regime einen Gefangenen aus den
Folterknästen, um Erfolge des Menschenrechtsdialogs zu beweisen und die
weitere Kooperation zu rechtfertigen. Denn es geht ja um Interessen, meist
sind es Rohstoffe und Antiterrorkrieg.
Die Unterstützung von Exilmedien würde dem Verhältnis zu den Despotien
automatisch ein konfrontatives Element hinzufügen. Und genau das scheint
die deutsche Politikelite zu fürchten. Man dürfe die Tür zu diesen Staaten
nicht zustoßen, ist einer gern gebrauchte Floskel. Aber der Ansatz geht
nicht auf. Die Empirie zeigt es deutlich: Die deutsche Annährung führt
nicht zu einem gewünschten demokratischen Wandel der Regime, sondern sie
trägt im Gegenteil dazu bei, dass sich deren Macht stabilisiert.
Gerade die revolutionären Ereignisse in Nordafrika in diesem Jahr zeigen,
dass Despoten Stabilität nur vortäuschen. Ist ihre Macht in Gefahr, sind
sie - siehe Libyen oder Syrien - umgehend bereit, eine ganze Region in
Kriegszustand zu versetzen. Gegen eine solch tödliche Politik hilft nur die
Zivilgesellschaft. Die also gilt es zu stärken. Es ist an der Zeit,
außenpolitische Konzepte zu entwickeln, die einen neuen Umgang mit
Unrechtssystemen erlauben. Die Unterstützung von kritisch arbeitenden
Exilmedien wäre da ein Anfang.
1 Aug 2011
## AUTOREN
Marcus Bensmann
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