# taz.de -- Nach den Riots in England: Nun zoffen sich Politik und Polizei | |
> Der britische Premier und die Innenministerin kritisieren die Polizei für | |
> ihr Vorgehen. Der Verband der Ordnungskräfte fühlt sich ungerecht | |
> behandelt. | |
Bild: David Cameron (l.) und ein Ordnungshüter vor Downimng Street #10. | |
LONDON taz | Die Fehde zwischen der britischen Regierung und ihrer Polizei | |
geht weiter. Premierminister David Cameron hatte während der Sondersitzung | |
des Parlaments am Donnerstag die Polizei für ihre falsche Einschätzung der | |
Situation kritisiert. Innenministerin Theresa May erklärte, man habe die | |
Lage nur deshalb unter Kontrolle bekommen, weil sie eine "robustere | |
Vorgehensweise der Polizei" angeordnet habe. | |
Die Polizei wehrte sich gegen die heftig gegen die Vorwürfe. Hugh Orde, der | |
Präsident des Polizeiverbands, bezeichnete Mays Äußerung am Donnerstag als | |
unwahr. Man habe die Taktik geändert, weil mehr Beamte zur Verfügung | |
standen, sagte er. Dass einige Politiker frühzeitig aus dem Urlaub | |
zurückgekehrt sind, sei völlig irrelevant. Darüber hinaus habe May "nicht | |
die geringste Befugnis", sämtlichen Urlaub bei der Polizei zu streichen. | |
Orde warnte davor, die Haushaltskürzungen bei der Polizei durchzusetzen. | |
"Das wird zu deutlich weniger Polizisten auf den Straßen führen, das muss | |
allen klar sein", sagte er. | |
Gestern früh gab es einen weiteren Toten. Der 68-jährige Richard Mannington | |
Bowes erlag seinen Verletzungen, die ihm am Montag während der Krawalle im | |
Londoner Stadtteil Ealing zugefügt worden waren, als er versuchte, ein | |
Feuer zu löschen. Ein 22-Jähriger ist gestern verhaftet und des Mordes | |
angeklagt worden. Insgesamt sind bei den Unruhen in Großbritannien fünf | |
Menschen getötet worden. Die Gerichte arbeiten seit Mittwoch rund um die | |
Uhr. Bisher sind 2.000 Menschen festgenommen worden. Täglich kommen | |
Hunderte hinzu, da die Polizei jetzt das Material aus den Kameras | |
auswertet, mit denen britische Innenstädte nahezu lückenlos überwacht | |
werden. Mehr als 500 Menschen wurden bereits verurteilt, die Hälfte davon | |
ist unter 18. | |
Harry Fletcher von der Gewerkschaft der Bewährungshelfer fürchtet, dass | |
wegen politischen Drucks auf die Gerichte keine Zeit für die Untersuchung | |
der sozialen Umstände und der Motive der Angeklagten bleibe. "Die Frage der | |
Motivation ist komplex", sagte er. "Es gibt Gier, Opportunismus, | |
Vandalismus und Hass auf die Polizei. Darüber muss man reflektieren, bevor | |
man seine Schlüsse zieht, doch das wird wegen der Intervention der | |
Regierung schwierig." Cameron hatte am Donnerstag im Unterhaus erklärt, er | |
erwarte von den Gerichten harte Urteile. Und die Justiz spurt: Verhängten | |
die Bezirksgerichte im vorigen Jahr nur in 3,5 Prozent der Fälle | |
Haftstrafen, sind es jetzt 60 Prozent. | |
Wegen der Krawalle blies die Jeansfirma Levis gestern eine Werbekampagne | |
ab, die demnächst im Fernsehen und in Kinos starten sollte. In dem | |
Werbefilm, der auf YouTube zu sehen ist, steht ein junger Mann vor einem | |
massiven Polizeiaufgebot in Kampfmontur. Eine Hintergrundstimme sagt: "Du | |
bist großartig. Geh voran." Das Filmchen solle "jugendlichen Optimismus und | |
Ambitionen für die Zukunft" ausdrücken und nicht zur Aufruhr anstacheln, | |
sagte ein Levis-Sprecher. In Anbetracht der Ereignisse verschiebe man die | |
Werbekampagne aber lieber. | |
12 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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