Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Militäroffensive in Syrien dauert an: Wer bleibt, gilt als Saboteur
> Die syrische Armee hat ihre Angriffe auf die Hafenstadt Latakia
> fortgesetzt. Betroffen ist auch das palästinensische Flüchtlingslager al
> Raml in einem Vorort der Protesthochburg.
Bild: Panzer in der Hafenstadt Latakia, Foto von einem Amateurvideo.
BEIRUT taz | Tausende Menschen sind auf der Flucht. Während die Armee ihre
Angriffe auf die syrische Hafenstadt Latakia fortsetzte, trieben
Sicherheitskräfte Augenzeugen zufolge die Anwohner aus ihren Häusern. Über
Lautsprecher forderten sie die Menschen auf, das Gebiet zu räumen. Jeder,
der bleibe, werde als Saboteur betrachtet.
Die Angriffe konzentrierten sich auf sunnitische Viertel im Süden und
Südosten der Stadt, vor allem aber auf den Vorort Ramel, wo ein
palästinensisches Flüchtlingslager mit 10.000 Bewohnern liegt. Nach Angaben
von UNRWA, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische
Flüchtlinge, haben 5.000 das Camp verlassen. Wohin die Palästinenser
entkommen sind, ist derzeit noch unklar.
"Nicht nur die Menschen in Ramel, auch die überwiegende Mehrheit in den
umliegenden Vierteln ist geflohen", sagt Ahmed, ein ortsansässiger
Computeringenieur. "Die Sicherheitskräfte haben Tausende Bewohner von Ramel
in ein Sportstadion gezwungen, um sie dort zu filmen. Dann behaupten sie,
es handle sich um Unterstützer des Regimes." Zudem haben sie den Leuten
ihre Ausweise weggenommen, sagt Ahmed.
Tausenden weiteren Anwohnern gelang die Flucht aus den belagerten Vierteln.
Berichten zufolge retteten sie sich in die Innenstadt von Latakia und nahe
gelegene Dörfer. Aktivisten berichteten von mehreren Fällen, in denen die
Soldaten sogar auf fliehende Familien gefeuert hätten.
## Einsatz von Nagelbomben?
Es ist derzeit unmöglich, Informationen aus Syrien unabhängig zu prüfen.
Das Regime verweigert nahezu allen ausländischen Journalisten die Einreise.
Seit dem Beginn der militärischen Offensive am Samstag sind nach Angaben
von Aktivisten rund 50 Menschen in Latakia ums Leben gekommen.
Am Sonntag schoss die Armee offenbar erstmals auch aus Kriegsschiffen auf
Wohnviertel. Zudem sollen die Regierungstruppen in den vergangenen Tagen
nahezu ununterbrochen mit Maschinengewehren und Panzern um sich gefeuert
haben. Nach Angaben von Anwohnern wurden sogar Luftabwehrgeschosse
eingesetzt, ein 22-jähriger Mann sei von einer Nagelbombe getötet worden.
"Am frühen Dienstagmorgen ging die Offensive weiter", sagt Ahmed, der
Aktivist und Computeringenieur. "Zwischen 5 Uhr und 11 Uhr früh hörten sie
nicht auf zu schießen." Auf den Dächern vieler Häuser haben Scharfschützen
Position bezogen und feuern auf alles, was sich auf den Straßen bewegt,
schildert er. Gleichzeitig sollen Tausende Menschen verhaftet worden sein.
Seit dem Beginn des Fastenmonats Ramadan treibt das Regime um Präsident
Baschar al-Assad eine landesweite militärische Offensive voran, um die
Protestbewegung niederzuschlagen. Auch in Latakia war es seit dem Beginn
der Unruhen Mitte März immer wieder zu Demonstrationen gekommen. Da die
Armee bereits Anfang April in die Hafenstadt einrückte, verlagerten sich
die Kundgebungen zuletzt in das Viertel Ramel am Stadtrand.
## Palästinenser beteiligen sich an Kundgebungen
"Dort konnten die Soldaten bislang nicht einrücken, da die Bewohner
Straßensperren errichtet hatten", erklärt Ahmed. "Zuletzt hatten dort jeden
Tag nach dem Fastenbrechen knapp 10.000 Menschen protestiert." Auch viele
Palästinenser beteiligten sich an den Kundgebungen.
Um die Hafenstadt wieder unter Kontrolle zu bringen, ist dem Regime nun
offenbar jedes Mittel recht. Auch das von den Vereinten Nationen verwaltete
Flüchtlingslager selbst soll vom Land und vom Meer aus bombardiert worden
sein. Damit hat das Regime scharfe internationale Kritik auf sich gezogen.
Jasser Abed Rabbo, der Generalsekretär der Palästinensischen
Befreiungsorganisation (PLO), hat das Vorgehen der Armee als "Verbrechen
gegen die Menschlichkeit" bezeichnet. Bislang zeigt die Empörung allerdings
wenig Wirkung auf das Regime in Damaskus. Nun jedoch verlieren zunehmend
auch die Verbündeten Syriens die Geduld. Gerade mit den Angriffen auf
Flüchtlinge setzt das Regime seinen Ruf in der arabischen Welt aufs Spiel.
Denn bislang hatte sich Präsident Assad stets als Verteidiger der Rechte
der Palästinenser dargestellt.
16 Aug 2011
## AUTOREN
Gabriela M. Keller
## ARTIKEL ZUM THEMA
Aufstand in Syrien: Karikaturist verprügelt
Der Karikaturist Ali Farzat stellt in seinen Zeichnungen die Heuchelei und
Brutalität der Machthaber in der Region bloß. Nun liegt er verletzt im
Krankenhaus.
Sanktionen gegen Syrien: Assad ist unbeeindruckt
Das syrische Regime zeigt sich gelassen angesichts der
Rücktrittsforderungen des Westens. Deutschland und andere europäische
Staaten wollen UN-Sanktionen durchsetzen.
Kommentar Aufstand in Syrien: Assad muss handeln
Ein einfaches Telefonat des UN-Generalsekretärs mit dem syrischen
Präsidenten wird nichts an dessen Vorgehen ändern. Für die Vereinten
Nationen ist das Ganze peinlich.
Aufstand in Syrien: Assad macht Versprechen
Der syrische Präsident hat dem UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Reformen und
Wahlen zugesagt. US-Präsident Obama und die EU fordern derweil Assads
Rücktritt.
Assad telefoniert mit UN-Generalsekretär: Militäraktionen sollen beendet sein
Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat in einem Telefonat mit Ban Ki
Moon gesagt, das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten sei beendet.
Reformen seien geplant.
Aufstand in Syrien: Westerwelle droht mit neuen Sanktionen
Assad schiebt seine Truppen von einem Brennpunkt zum nächsten. Deutschland
und die Türkei wollen den Druck auf das syrische Regime erhöhen, Russland
liefert weiter Waffen.
Oppositionelle in Damaskus: Zentrum unter Kontrolle
Vor fünf Monaten begannen die Proteste in Syrien. In Damaskus blieb es
weitgehend ruhig, doch diskutiert wird überall. Eine Begegnung mit
Oppositionellen.
Angriff auf syrische Stadt Latakia: Feuer auf Flüchtende
Die syrische Hafenstadt Latakia ist noch immer Ziel einer Offensive der
Regierungstruppen. An einer Grenzkontrolle eröffneten Militärs das Feuer
auf eine Gruppe Flüchtender.
Syrische Aktivisten im Libanon: Unsichere Zuflucht
Vom Libanon aus organisieren syrische Aktivisten ihren Kampf gegen das
Regime. Doch auch hier ist der Arm des syrischen Geheimdienstes zu spüren.
Aufstand in Syrien: Kanonenboote feuern auf Latakia
Syrische Truppen setzen ihre Offensiven in mehreren Landesteilen
fortgesetzt. In die Hafenstadt Latakia rückten am Samstag Panzer ein.
Mindestens fünf Menschen wurden getötet.
Erneut Tote in Syrien: Demonstranten wollen Assads Kopf
Manchen Regimegegnern auf der Straße genügt ein Rücktritt des Staatschefs
nicht mehr. Wieder versammelten sich Zehntausende zum Protest - und
gerieten ins Schussfeld der Armee.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.