# taz.de -- Gaddafis gesperrtes Geld: Die Welt hat ein Faustpfand | |
> Internationale Planspiele zur Unterstützung des neuen Libyen laufen an. | |
> Weltweit sind 30 Milliarden US-Dollar eingefroren. Wer kriegt sie und | |
> wann? | |
Bild: Im Zentrum der ehemaligen Macht: Rebell am Mittwoch im eroberten Regierun… | |
GENF/BRÜSSEL taz | Wie kann das Ausland Libyen nach dem Sturz Gaddafis | |
helfen? Die im Ausland eingefrorenen Milliardenvermögen des Gaddafi-Clans | |
und libyscher Staatsunternehmen sollten nach Meinung von | |
Bundesaußenminister Guido Westerwelle "so schnell wie möglich freigegeben" | |
und "dem libyschen Volk" zur Verfügung gestellt werden. | |
Auch britische und französische Diplomaten haben erklärt, sie würden eine | |
entsprechende Resolution in den UN-Sicherheitsrat einbringen. Doch so | |
einfach ist das nicht. Es stellt sich die Frage, an wen genau in Libyen die | |
Gelder übergeben werden und ob dies nicht mit politischen Bedingungen | |
verknüpft werden sollte. | |
Anders als in fast allen früheren Beispielen von Haiti über die Philippinen | |
bis Nigeria, wo Auslandsguthaben von Despoten nach deren Sturz den | |
Nachfolgern zur Verfügung gestellt wurden, gibt es im Fall der | |
Gaddafi-Gelder völkerrechtlich verbindliche Sanktionsbeschlüsse des | |
UNO-Sicherheitsrates. Am 26. Februar verfügte der Rat in seiner Resolution | |
1970 zunächst das "Einfrieren" (freeze) der Auslandsvermögen von Gaddafi, | |
dreien seiner Söhne, seiner Tochter sowie von zehn engen Vertrauten des | |
Diktators. | |
Mit Resolution 1973 vom 19. März erweiterte der Sicherheitsrat diese Liste | |
um weitere Personen und ordnete auch das Einfrieren sämtlicher | |
Auslandsvermögen libyscher Staatsfirmen an. Auf Grundlage dieser beiden | |
Sanktionsbeschlüsse des UNO-Sicherheitsrats wurden weltweit rund 30 | |
Milliarden US-Dollar eingefroren - in Deutschland allein etwa 9 Milliarden | |
Dollar (7,2 Milliarden Euro) auf 200 Konten der Bundesbank sowie 13 | |
weiterer Geldinstitute. | |
Diese Gelder können erst nach einem entsprechenden neuen UN-Beschluss | |
freigegeben werden. Deutschland hatte im Rat Ende Juli bereits einmal eine | |
teilweise Entsperrung der Gelder und ihre Auszahlung an die libysche | |
Opposition beantragt, war damit aber an den Vetomächten China und Russland | |
gescheitert. Stattdessen hat Deutschland ebenso wie Frankreich den | |
libyschen Rebellen Darlehen gewährt, die nach einer Übergabe entsperrter | |
Gelder zurückgezahlt werden sollen. | |
## Skepsis gegenüber dem Übergangsrat | |
Mehrere Mitglieder des Sicherheitsrats neigen dazu, die eingefrorenen | |
Gelder erst an eine künftige Übergangsregierung auszuzahlen, die | |
repräsentativer ist als der bisherige "Nationale Übergangsrat" in Bengasi. | |
Zudem gibt es Vorschläge, die 30 Milliarden US-Dollar nicht auf einen | |
Schlag auszuzahlen, sondern in Etappen, verbunden mit Bedingungen wie dem | |
Verzicht auf Rache gegenüber ehemaligen Gaddafi-Anhängern oder der baldigen | |
Ansetzung freier, UN-überwachter Wahlen. | |
Es gibt auch gesperrte Gelder, die ohne UN-Beschluss eingefroren wurden. | |
Bereits vor dem ersten UN-Sanktionsbeschluss ließ die US-Regierung 29,7 | |
Milliarden Dollar libyscher Auslandsvermögen in den USA einfrieren, die sie | |
auch im nationalen Alleingang wieder auszahlen könnte. Nach | |
Regierungsangaben könnten bis zu 1,5 Milliarden Dollar davon demnächst | |
freigegeben werden. Das gesamte libysche Auslandsvermögen wurde zu | |
Kriegsbeginn auf über 140 Milliarden US-Dollar geschätzt. | |
Die EU will über die Modalitäten der Freigabe gesperrter Gelder mit dem | |
Nationalrat der Rebellen sprechen und diese Gelder zielgerichtet einsetzen. | |
EU-Chefaußenpolitikerin Catherine Ashton sagte, man wolle "rasch | |
reagieren", um Libyens Wirtschaft anzukurbeln. "Wenn wir den Libyern helfen | |
können, dann muss das Geld in die Infrastruktur fließen und dafür dienen, | |
die Staatsangestellten zu bezahlen", sagte die Britin am Dienstag in | |
Brüssel im Anschluss an Beratungen auf Botschafterebene. | |
Dies ist eine von vier Maßnahmen, die die EU laut Ashton gegenüber Libyens | |
neuen Machthabern plant. Die anderen drei sind humanitäre Nothilfe in Form | |
von Medikamenten und Benzin für das Rote Kreuz und Ärzte ohne Grenzen; | |
Hilfe beim Aufbau neuer Polizeikräfte in Zusammenarbeit mit der Nato; und | |
die Entsendung von Beobachtern zur Vorbereitung und Durchführung der | |
geplanten ersten freien Wahlen. | |
Am Freitag soll die sogenannter Kairoer Gruppe aus der EU, der | |
Afrikanischen Union (AU), der Arabischen Liga, der Islamischen | |
Konferenzorganisation und der UNO eine gemeinsame internationale Position | |
gegenüber dem "neuen Libyen" definieren. Frankreichs Präsident Nicolas | |
Sarkozy will überdies eine internationale Libyen-Konferenz einberufen. | |
24 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
A. Zumach | |
F. Misser | |
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