# taz.de -- Kampf um Tripolis: Nato hilft bei der Suche nach Gaddafi | |
> Mit Geheimdienstinformationen und einem Kopfgeld soll der untergetauchte | |
> Despot aufgespürt werden. Unterdessen gibt es Hinweise auf Exekutionen in | |
> Tripolis und eine Audiobotschaft. | |
Bild: Rebellen in Tripolis. | |
TRIPOLIS dpa/afp/rtr | Für den untergetauchten Diktator Muammar al-Gaddafi | |
wird es immer enger. Nachdem bereits ein Kopfgeld auf den Despoten | |
ausgelobt wurde, hilft jetzt auch die Nato bei der Suche nach ihm. Gaddafis | |
letzte Anhänger lieferten sich indessen auch am Donnerstag heftige Gefechte | |
mit Aufständischen, sowohl in der Hauptstadt Tripolis als auch in anderen | |
Landesteilen. | |
Diktator Muammar al-Gaddafi hat sich am späten Donnerstagnachmittag, vier | |
Tage nach dem Fall seiner Festung in Tripolis, in einer Audio-Botschaft | |
erneut zu Wort gemeldet. Er rief nicht nur seine Anhänger, sondern die | |
gesamte Bevölkerung zum Widerstand gegen die Rebellen auf, die er als | |
Ratten bezeichnete. | |
Die Imame in den Moscheen sollten die Jugend zum Heiligen Krieg gegen die | |
Rebellen aufrufen, so der gesuchte Machthaber. Auch Frauen und Kinder | |
sollten am Kampf teilnehmen, sagte Gaddafi nach Angaben des arabischen | |
Nachrichtensenders Al Dschasira in der kurzen Audiobotschaft, die von einem | |
regimetreuen Sender ausgestrahlt wurde. | |
Die Nato stelle dem Übergangsrat in Libyen sowohl Geheimdienstinformationen | |
als auch Mittel zur Aufklärung und Erkundung zur Verfügung, sagte der | |
britische Verteidigungsminister Liam Fox am Donnerstag in London in einem | |
Interview des Senders BBC. Die Zeitung Daily Telegraph hatte zuvor | |
berichtet, eine Spezialeinheit der britischen Armee suche nach Gaddafi und | |
dessen Söhnen suche. Die Elitesoldaten hätten sich als Einheimische | |
verkleidet. | |
## Rätselraten um Gaddafis Aufenthaltsort | |
Der Aufenthaltsort des langjährigen Diktators ist weiterhin nicht bekannt. | |
Aufständische vermuten ihn außerhalb der Hauptstadt. "Gaddafi ist nicht in | |
Tripolis. Er ist an einem Ort ungefähr 150 Kilometer von Tripolis entfernt | |
mit einem seiner Söhne", sagte Atman Ibrahim Mleita, Kommandeur der | |
Rebelleneinheit al-Karkar, am Donnerstag im Westen der Hauptstadt. | |
Der frühere Zentralbankchef Farhat Bengdara glaubt, dass Gaddafi entweder | |
in einer Militärbasis nahe Sabha Zuflucht gesucht hat oder bereits auf dem | |
Weg nach Algerien ist. Aus seiner Sicht könnte Gaddafi einen Teil des | |
Goldes im Wert von insgesamt zehn Milliarden Dollar (knapp sieben | |
Milliarden Euro) mit auf die Flucht genommen haben, auch um einige libysche | |
Stämme und Milizen zu bestechen und für seinen Schutz zu gewinnen, sagte | |
Bengdara der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera. | |
## Italien gibt Gelder frei | |
Der Chef der libyschen Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, warnte am | |
Donnerstag in Mailand vor einer weiteren Destabilisierung seines Landes, | |
falls der Westen nicht schnell die eingefrorenen Gelder des Gaddafi-Clans | |
freigebe. Unter anderem müssten Mitarbeiter im Staatsdienst bezahlt werden, | |
die seit vier Monaten keine Gehälter erhalten hätten. Der Übergangsrat | |
könne scheitern, wenn er die Dienstleistungen für die Bevölkerung nicht | |
finanzieren könne. | |
Italien will zur Unterstützung der libyschen Übergangsregierung zunächst | |
eine erste Tranche in Höhe von 350 Millionen Euro freigeben. Regierungschef | |
Silvio Berlusconi kündigte weiterhin an, der italienische Energiekonzern | |
Eni wolle die Bevölkerung mit Gas und Benzin versorgen. | |
Außenminister Guido Westerwelle bot deutsche Hilfe bei der Beseitigung von | |
libyschen Giftgas-Beständen an. Der FDP-Politiker verwies auf deutsche | |
Spezialfirmen, die mit solchen Aufgaben Erfahrung hätten. Nach | |
Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes lagern in Libyen aus Gaddafis Zeiten | |
noch allein elf Tonnen Senfgas. "Das ist auch heute noch eine große | |
Gefahr", sagte Westerwelle. | |
## Hinweise auf Exekutionen | |
Bei den Kämpfen in Libyen mehren sich die Anzeichen für willkürliche | |
Exekutionen wehrloser Gegner. Die Leichen von über 30 Männern, die | |
höchstwahrscheinlich zu den Truppen von Machthaber Muammar Gaddafi | |
gehörten, seien in einem Feldlager im Zentrum von Tripolis gefunden worden, | |
berichtete ein Reuters-Reporter am Donnerstag. | |
Die Körper seien von Kugeln durchsiebt worden. Bei mindestens zweien seien | |
die Hände mit Kabelbindern gefesselt gewesen. Fünf der Toten seien in einem | |
Feldlazarett gefunden worden. Einer lag in einem Krankenwagen, in seinem | |
Arm befand sich eine Nadel, über die ihm intravenös eine Flüssigkeit | |
zugeführt worden war. | |
In ein Krankenhaus in Tripolis wurden die Leichen von 17 Zivilisten | |
eingeliefert, die nach Angaben einer britischen Helferin von | |
Gaddafi-Kämpfern exekutiert wurden. "Diese Jungs wurden vor zehn Tagen | |
verhaftet", sagte Kirsty Campbell vom Internationalen Ärzte-Korps. Rebellen | |
hätten die Leichen in Bab al-Asisija gefunden, dem militärischen Areal mit | |
dem Wohnsitz Gaddafis. "Diese Jungs wurden dort mit Schüssen hingerichtet", | |
sagte Campbell. Ihr sei berichtet worden, es seien noch mehr Leichen | |
Erschossener dort gefunden worden. | |
## Rebellen übernehmen Sitz in der Arabischen Liga | |
Die Arabische Liga hat den Übergangsrat der libyschen Rebellen am | |
Donnerstag als offiziellen Vertreter des Landes zu ihren Sitzungen | |
zugelassen. Die Mitgliedsländer der Staatengemeinschaft seien sich einig, | |
dass der Übergangsrat derzeit "der einzige legitime Repräsentant Libyens" | |
sei, sagte Generalsekretär Nabil el Arabi vor Journalisten. | |
Am Samstag sollen die Rebellen demnach bei einer Zusammenkunft der Liga in | |
der ägyptischen Hauptstadt Kairo zum ersten Mal an einer Sitzung | |
teilnehmen. Bei dem Treffen solle über die Entwicklungen in Libyen und | |
Syrien gesprochen werden. | |
Die Arabische Liga hatte die Regierung von Libyens langjährigem Machthaber | |
Muammar el Gaddafi bereits im Februar von ihren Sitzungen ausgeschlossen. | |
Die Entscheidung zur Zulassung der Rebellen zu Treffen der Liga erfolgte | |
nun bei einem Außenministertreffen der Gemeinschaft in Katar. Aus | |
Teilnehmerkreisen hieß es aber, dass die Rebellen nur zugelassen, aber | |
nicht offiziell anerkannt seien, weil "die Liga kein Staat ist", der eine | |
Anerkennung aussprechen könne. | |
25 Aug 2011 | |
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