# taz.de -- André Brie über Wahlkampf in Meck-Pomm: "Die anderen weichen uns … | |
> André Brie, Wahlkampfmanager der Linkspartei, beklagt den langweiligen | |
> Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Die Chancen für ein rot-rotes | |
> Bündnis sieht er gedämpft. | |
Bild: Bleiben liegen: Wahlkampfflyer der Linkspartei. | |
taz: Herr Brie, die SPD wirft der Linkspartei in Schwerin vor, soziale | |
Wohltaten auf Pump zu versprechen. Ist da was dran? | |
André Brie: Nein, das ist Unsinn. Dass Mecklenburg-Vorpommern keine neuen | |
Schulden macht, ist maßgeblich ein Verdienst der rot-roten Regierung, die | |
bis 2006 den Haushalt konsolidiert hat. Und unsere aktuellen Forderungen | |
sind doch bescheiden. | |
Sie wollen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, ein | |
kostenloses Mittagessen an den Schulen und 1.250 neue Lehrer bis 2016. Wer | |
soll das bezahlen? | |
Das kostenlose Mittagessen für Schulen und Kitas kostet das Land weniger | |
als 10 Millionen Euro im Jahr. Teuer ist - das stimmt - die Neuanstellung | |
von Lehrern. Aber es gibt in Mecklenburg-Vorpommern 16,8 Prozent | |
Schulabbrecher, im Bundesschnitt sind es 3,5. Um das zu ändern, brauchen | |
wir mehr Lehrer. | |
Wer bezahlt das? | |
Wenn wir aufhören, sinnlose Prestigeprojekte wie Flughäfen und Skihallen | |
auf dem flachen Land zu fördern, werden Gelder frei. Langfristig sparen wir | |
mit der Investion in Lehrer. Die Schulabbrecher werden ja oft Empfänger von | |
Transfergeldern. | |
Der Wahlkampf ist ziemlich gemütlich … | |
… ja, er ist langweilig. Es gibt kaum Zuspitzungen. | |
Sie sind Wahlkampfmanager der größten Oppositionspartei. Warum spitzen Sie | |
nicht zu? | |
Na, alleine schafft man das nicht. Man kann keine Konfrontation aufbauen, | |
wenn die anderen ausweichen. | |
Die Arbeitslosigkeit ist seit 2007 um ein Drittel gesunken, es gibt mehr | |
Ausbildungsplätze als Jugendliche, beides wegen der Demografie. Ist der | |
Wahlkampf deshalb so lahm? | |
Nein. Die soziale Lage ist auch nicht rosig. Es gibt zwar weniger | |
Arbeitslose, aber dafür mehr prekäre Jobs. Das Grundproblem ist: 75 Prozent | |
der unter 25-Jährigen arbeiten hier im Niedriglohnsektor, insgesamt sind es | |
40 Prozent aller Beschäftigten. Das ist nicht nur sozial, sondern auch | |
ökonomisch ein Problem. Es gibt hier wenig Exportindustrie, dafür viel | |
klein- und mittelständische Unternehmer, die von der Binnennachfrage leben. | |
Und die Kaufkraft ist, weil die Löhne so niedrig sind, bescheiden. Der | |
Mindestlohn ist die einzige echte Kontroverse im Wahlkampf. Linke und SPD | |
wollen ihn, CDU und FDP nicht. | |
In rot-roten Regierungen wirkt die Linkspartei oft sehr brav und wie ein | |
Anhängsel der SPD. Sehen Sie diese Gefahr? | |
Ja, das ist ein Problem. Die Grünen haben in rot-grünen Bündnissen eine | |
klare Rolle als der ökologische Part. Linkspartei und SPD sind hingegen | |
Stiefgeschwister. Da ist die Unterscheidbarkeit schwieriger. Natürlich | |
müssen wir in der Regierung beides tun: verlässlicher Partner sein und ein | |
eigenes Profil haben. Das ist in Berlin vor 2006 schlechter, danach besser | |
gelungen. | |
Und was unterscheidet die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern von der | |
SPD? | |
Unser ökologisches Profil. Die SPD war für das Steinkohlekraftwerk in | |
Lubmin, wir waren dagegen. Antikapitalismus und Kapitalismuskritik nutzen | |
hingegen auf Landesebene nicht viel. Wir müssen uns anders abheben: durch | |
Bürgernähe, Transparenz, Bescheidenheit, soziales Engagement. | |
Die Linkspartei will in Schwerin regieren. Wäre Opposition nicht einfacher? | |
Münteferings Satz "Opposition ist Mist" stimmt für uns als Partei überhaupt | |
nicht. In der Opposition können wir viel leichter Wähler ansprechen. Aber | |
wir wollen etwas für das Land erreichen. | |
Die SPD-Führung schließt Rot-Rot nicht aus, ist aber wenig begeistert | |
davon. | |
Ja, in der SPD wollen starke Kräfte die bequeme Koalition mit der CDU | |
fortsetzen. Aber die SPD hat ein sehr linkes Wahlprogramm, das sie mit der | |
CDU nicht umsetzen kann. Mecklenburg-Vorpommern hat als Niedriglohnland | |
keine Zukunft. Das wissen auch Teile der Unternehmer. Und das wird nur | |
Rot-Rot ändern. | |
Wie stehen die Chancen für Rot-Rot? | |
40:60. | |
26 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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