Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leichtathletik-WM in Südkorea: Pures Entsetzen
> Usain Bolt, der haushohe Favorit über das 100-Meter-Finale, startet zu
> früh und wird disqualifiziert. Sein jamaikanischer Kollege Yohan Blake
> gewinnt Gold.
Bild: Disqualifiziert: Der Favorit Usain Bolt muss abgehen.
DAEGU taz | Es ist, als hätten es die Koreaner gewusst. Sie wollten von
Anfang an keine rechte Begeisterung für Usain Bolt zeigen. Und dann
passierte das: Finale über 100 Meter bei den
Leichtathletik-Weltmeisterschaften im südkoreanischen Daegu, acht Männer
hocken in den Startblöcken, unter denen, die das Stadion noch nicht
verlassen haben, breitet sich knisternde Spannung aus, alle gucken auf die
Bahn fünf, auf den Titelverteidiger, Olympiasieger und Weltrekordhalter aus
Jamaika. Und plötzlich rennt der los. Deutlich, bevor der Startschuss
gefallen ist. Danach: pures Entsetzen. Bei den Zuschauern. Und bei Bolt.
Er zieht sich das Trikot über den Kopf und entblößt seinen durchtrainierten
Oberkörper. Er weiß sofort genau, dass er es war, der den Fehlstart
ausgelöst hat.
Er will gar nicht sehen, wie eine rote Karte auf das Hütchen hinter seinem
Startblock gesteckt wird. Denn seit dem 1. Januar 2010 gilt die Regel: Wer
zu früh losrennt, ist raus.
Vorher war ein Fehlstart erlaubt, und derjenige, der den zweiten auslöste,
wurde disqualifiziert. Ganz früher konnte sich jeder Starter einen
Fehlstart erlauben.
So aber musste Usain Bolt sehen, wohin mit all seinem Adrenalin. Er schlug
ein bisschen gegen eine Wand, fluchte und verschwand in den Katakomben des
Stadions.
Diejenigen, die übrig geblieben waren, übernahmen die Show. Es siegte Bolts
Teamkollege und Trainingspartner Yohan Blake in 9,92 Sekunden vor Walter
Dix aus den USA (10,08) und Kim Kollins (St. Kitts und Nevis, 10,09). Blake
und Dix gaben sich "schockiert" ob Bolts Disqualifikation - haben an der
Regel aber nichts weiter auszusetzen.
Die habe der Weltverband IAAF eben so vorgegeben, meinte Blake. Und Dix mag
die "mentale Herausforderung", die dadurch gemeistert werden muss.
## Neue Regel überdenken
Kim Collins hingegen, Weltmeister von 2003 und 35 Jahre alt, erklärte, dass
er ja schon viele Regeln zum Fehlstart erlebt habe. Diese jedoch sollte
seiner Ansicht nach überdacht werden. "Usain Bolt ist der Weltmeister und
der Olympiasieger, ihn wollen die Leute laufen sehen, nicht mich oder
Blake."
Das koreanische Publikum allerdings feuerte am Sonntagvormittag Oscar
Pistorius, den südafrikanischen 400-Meter-Läufer mit
Unterschenkelprothesen, bei dessen Vorlauf mit "Oscar, Oscar"-Sprechchören
an.
Als Bolt jedoch am Abend zuvor zum ersten Mal bei dieser WM aus den
Startblöcken schoss, hatte sich ein Großteil der Zuschauer schon
verabschiedet.
## Musik und Feuerwerk
Rund 44.000 waren am Samstag ins ausverkaufte Fußball-WM-Stadion von 2002
gekommen, um die Eröffnungsfeier zu sehen. Die bunte Show mit Musik und
Feuerwerk schien sie mehr zu interessieren als der nachfolgende Sport.
Als Bolt sein lockeres Vorläufchen hinlegte, war nur noch die Hälfte der
Plätze besetzt. Der Jamaikaner tat trotzdem, was er am liebsten tut: Er
ulkte munter herum. Diesmal war es sein neues Ziegenbärtchen, das er mit
großen Gesten für die Kameras in Form zupfte.
Dann legte er einen Start hin, der diejenigen Konkurrenten, die glaubte,
der Bolt des Jahres 2011 sei schwach, das Fürchten lehrte. Nach etwa 50
Metern leitete er schon wieder die Boltsche Austrudelphase ein, es war ja
nur der Vorlauf.
Usain Bolt joggte ins Ziel - und die Uhr blieb bei 10,10 Sekunden stehen.
## Konkurrenzlos
Kein anderer rannte in der ersten Runde so schnell. Im Halbfinale gab Bolt
dann immerhin bis etwa zur 80-Meter-Marke Gas. 10,05 Sekunden zeigte die
Uhr. Es schien, als führe mal wieder kein Weg an dem Jamaikaner vorbei.
Zumal kurz vor der WM auch noch der Weltjahresbeste Asafa Powell verletzt
ausgefallen war.
Damit war nur noch einer der fünf Männer übrig, die in diesem Jahr über 100
Meter schon schneller waren als Bolt: nämlich Richard Thompson aus Trinidad
und Tobago, der am Ende aber schon im Halbfinale scheiterte.
Der Amerikaner Tyson Gay hatte seine Saison verletzt beendet, Steve
Mullings (Jamaika, 9,80) und Mike Rodgers (USA, 9,85) sind wegen des
Verdachts auf Doping gesperrt. Es war also niemand mehr übrig, der Bolt
hätte schlagen können. Außer ihm selbst.
28 Aug 2011
## AUTOREN
Susanne Rohlfing
## ARTIKEL ZUM THEMA
Usain Bolt bei der Leichtathletik-WM: Schneller Mann führt Selbstgespräche
Bolt gewinnt doch noch zweimal Gold in Südkorea. Mit Jamaikas Staffel
gelingt ihm über 4 x 100 Meter sogar eine Weltbestzeit. Und er gibt sich
ungewohnt ernsthaft.
Speerwerfer Matthias de Zordo: Ganz gelassen in der Vorbereitung
Er könnte eine WM-Medaille gewinnen, obwohl er im Training nicht der
Fleißigste ist. Kaum einer in der Weltspitze kann den Speer so gut
beschleunigen wie Zordo.
Robert Harting holt Gold in Daegu: Mit großer Klappe zum Erfolg
Robert Harting verteidigt in Daegu mit dem Diskus seinen WM-Titel. Der
größte Kritiker des Verbandes bewährt sich als einer seiner verlässlichsten
Medaillensammler.
Diskuswerferin Nadine Müller: "Ich bin nicht so der Kraft-Typ"
Bei der Leichtathletik-WM im südkoreanischen Daegu holt Müller Silber und
so die erste Medaille für Deutschland. Dabei war sie vor einem Jahr noch
ganz unten gelandet.
Nadine Kleinert über die Leichtathletik-WM: "In mir schlummert noch was"
Die Kugelstoßerin Nadine Kleinert hofft auf eine Medaille bei der WM in
Daegu. Wenn ihr beim Wettkampf "kotzübel" wird, sieht sie das als gutes
Zeichen.
Kubanischer Favorit über 110 Meter Hürden: Entspannt zum WM-Titel
Dayron Robles will bei der Leichtathletik-WM über 110 Meter Hürden
gewinnen. Es ist der letzte Titel, der ihm noch fehlt. Dazu muss er jedoch
seine Nervosität besiegen.
Leichtathletik-WM in Südkorea: Sportler auf Papp-Pyramiden
Kaum jemand interessiert sich in Südkorea für Leichtathletik. Das
WM-Stadion in Daegu dürfte dennoch voll werden – fast alle Karten sind
verkauft.
Rennen mit Prothesen: Wettlauf der Systeme
Oscar Pistorius darf an der WM der nichtbehinderten Leichtathleten
teilnehmen - obwohl er auf Karbonfüßen läuft. Die Frage ist: Hat er dadurch
Vorteile?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.