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# taz.de -- Cablegate weitet sich aus: Wikileaks geht auf "Guardian" los
> Die einen stellen eine geheime Großdatei ins Netz, die anderen plaudern
> das geheime Passwort dazu aus. Und schon liegen die 250.000 geheimen
> US-Cables offen.
Bild: Sein Werk wird demontiert: Wikileaks-Gründer Julian Assange.
BERLIN taz | Die Affären um 250.000 geheime Telegramme des
US-Außenministeriums nehmen immer neue Wendungen. Die bisher nur wenigen
Medien bekannte Datei mit den unzensierten "Cables" steht vollständig
zugänglich im Netz. Damit sind Interna aus über hundert Ländern samt den
zugehörigen US-Informanten öffentlich.
Seit Donnerstag ist bekannt, wer das Passwort dazu veröffentlicht hat. Die
Telegramme gelangten ursprünglich über die Whistleblower-Organisation
Wikileaks an die Öffentlichkeit. "Ein Journalist des Guardian hat, in einem
Akt großer Ignoranz oder Heimtücke, ... streng geheime Passwörter zur
Entschlüsselung des kompletten, unredigierten Wikileaks Cablegate-Archivs
veröffentlicht."
Mit diesem harten Angriff ging Wikileaks in der Nacht von Mittwoch auf
Donnerstag seinen ehemaligen Partner an, nämlich die britische Tageszeitung
Guardian. Der Vorwurf kam über den [1][Twitterfeed #wikileaks], dieses
Konto beim Botschaftendienst Twitter nutzt die Enthüllungsplattform.
Wikileaks hat nach eigenen Angaben am 25. August das US-Außenministerium
gewarnt, dass die vollständige Veröffentlichung der Cables bevorsteht. Das
Ministerium solle prüfen, ob sein Zeugenschutz- und Warnprogramm schon
abgeschlossen sei.
Der Guardian weist die Vorwürfe in einer Stellungnahme vom Donnerstag
zurück. Die Zeitung habe die Datei verschlüsselt im Jahr 2010 bekommen.
Tatsächlich samt dem zugehörigen Passwort. Allerdings laut der Zeitung über
einen Server, der nur für ein paar Stunden online gewesen sei. Die Dateien
auf dem Server wären danach alle gelöscht geworden. Von einem Fehler könne
keine Rede sein.
## Alberne Ausrede
Wikileaks findet dies eine alberne Ausrede, wie weitere Twittereinträge der
Organisation von diesem Donnerstag zeigen. Es handele sich um ein
sogenanntes PGP-Passwort, und die seien prinzipiell nicht für eine
bestimmte Zeit gültig. Jeder wisse das. PGP ist eine nicht knackbare und
verbreitete Verschlüsselungsmethode.
Für den Guardian ist das Ganze ähnlich heikel wie für Wikileaks. Das
Passwort wurde nämlich im Februar 2011 in einem Buch seines derzeit
berühmtesten Enthüllungsjournalisten veröffentlicht, David Leigh. Das Buch
beschreibt den Aufstieg Wikileaks und seines Frontmanns Julian Assange samt
Insidergeschichten, die Filmrechte daran sind schon an Hollywood verkauft.
Wenn Leigh nun eines dummen Fehlers mit potentiell katastrophalen Folgen
beschuldigt wird, käme das einer herben Rufschädigung gleich.
Der Guardian weist darauf hin, dass das Passwort seit Februar gedruckt sei
und sich niemand daran gestört habe. Das aktuelle Problem komme woanders
her. Das stimmt zumindest zur Hälfte. Denn das offene Passwort hilft ja
nichts, wenn nicht die verschlüsselte Datei dazu (sie heißt cables.csv)
auch im Netz steht. Wie, wann und über wen diese ins Netz gelangt ist,
darüber gibt es verschiedene Versionen.
## Quasi unlöschbar
Eine hoffentlich weitgehend korrekte Variante: Als Wikileaks und seine
Medienpartner eine vorsichtige Auswahl der Telegramme im Dezember 2010
veröffentlichten, kam es weltweit zu Skandalen. Informanten der USA konnten
ihre vertraulichen Berichte in Zeitungen lesen. Die US-Regierung schäumte,
wie schon bei vorherigen Veröffentlichungen Wikileaks zu Verbrechen im
Afghanistan- und Irakkrieg.
Politiker forderten den Tod des Wikileaks-Chefs Assange. US-Banken und
Netzbetreiber sorgten dafür, dass Wikileaks finanziell trocken gelegt wurde
und keine Server mehr in Betrieb hatte. Daraufhin spiegelten Unterstützer
von Wikileaks die Daten auf hunderten von Computern weltweit und machten
sie dadurch quasi unlöschbar.
Im Laufe dieses Vervielfältigungsprozesses wurde anscheinend auch die
verschlüsselte Ur-Datei cables.csv unerkannt verbreitet. Das Passwort heißt
übrigens: ACollectionOfDiplomaticHistorySince_1966_ToThe_PresentDay#. Schön
lang und damit prinzipiell sicher, aber leider nur noch ähnlich geheim wie
die Adresse des Weißen Hauses.
Die Taz ist einer der Medienpartner der Plattform Openleaks.org. Diese
Enthüllungswebsite befindet sich noch in der Testphase. Sie besteht zu
einem gewissen Teil aus Personen, die auch bei Wikileaks mitgearbeitet
haben.
1 Sep 2011
## LINKS
[1] http://twitter.com/#!/wikileaks
## AUTOREN
Reiner Metzger
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