# taz.de -- Kommentar Mecklenburg-Vorpommern: Bitte keine Wählerbeschimpfung | |
> Die Wähler im Nordosten haben sich nicht ignorant verhalten, sondern | |
> angemessen. Was stand eigentlich außer dem Thema Mindestlohn zur Wahl? | |
> Nichts. Das ist zu wenig. | |
Die Wahlbeteiligung ist mal wieder gesunken, die Nazis sind bei fünf | |
Prozent - typisch Ostdeutschland. So werden viele dieses Wahlergebnis | |
lesen. Doch ehe diese routinierte Beschwerde über den Osten anhebt, der die | |
Segnung der Demokratie auch nach 20 Jahren noch nicht zu schätzen weiß, | |
sollte man kurz innehalten. | |
Die Wähler im Nordosten haben sich nicht ignorant verhalten, sondern | |
angemessen. Was stand diesmal eigentlich zur Wahl? Linkspartei, Grüne und | |
CDU wollen allesamt unbedingt mit der SPD koalieren. Im Wahlkampf wurde nur | |
ein strittiges Thema sichtbar: Die Linkspartei will einen Mindestlohn, die | |
CDU lieber nicht. | |
Das ist, um kollektive politische Leidenschaften zu entfesseln, ein | |
bisschen wenig. Wenn die einzig wirklich aufregende Frage lautet, ob die | |
NPD es wieder in den Landtag schafft, ist das ein Armutszeugnis für die | |
demokratischen Parteien - und kein Argument gegen die Wähler. | |
Das Wahlvolk hat seine Sympathien sehr gezielt vergeben. Die CDU hat | |
verloren, weil sie an der Seite der SPD unauffällig bis an die Grenze des | |
Unsichtbaren agiert hat. Auch das vernichtende Ergebnis für die Liberalen, | |
sollte man nicht voreilig auf das Konto von Guido Westerwelle buchen. | |
Die FDP in Schwerin ist, nach heftigen Personalquerelen, mit einem | |
unbekannten Kandiaten angetreten. Zu Mindestlöhnen fiel der FDP außer einem | |
Fundi-Nein nichts ein. Damit landet man in einer Region, in der | |
Niedriglöhne ein Problem der Mittelschicht sind, im Abseits. | |
Die SPD wurde für ihren smarten Ministerpräsidenten hingegen und die | |
schwindende Arbeitslosigkeit belohnt, auch wenn die nur demographische | |
Gründe hat. Die Linkspartei, die eine schrille Selbstdemontage vorführte, | |
hat der Souverän glimpflich dakommen lassen. Rot-Rot ist jedenfalls | |
möglich. | |
Diese Wahl ist kein Indiz, dass die Bürger im Nordosten unsicherer | |
Kantonisten für die Demokratie sind. Sie sind keine Pflichtdemokraten, die | |
zu jeder Wahl gehen, egal was auf dem Spiel steht. Sie treten wie | |
Konsumenten auf, die situativ und je nach Angebot entscheiden. Man kann das | |
beklagen. Aber anders funktioniert Politik im Westen auch nicht. | |
Und nun? Die SPD kann geräuscharm mit der CDU weiter regieren. Oder sie | |
kann es mit der Linkspartei versuchen. Rot-Rot würde kein ganz so | |
leichtgängiges Bündnis. Aber eines, das, jedenfalls bei den Löhnen, mehr | |
erreichen kann. | |
4 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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