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# taz.de -- NPD in Mecklenburg-Vorpommern: "Verpiss dich!"
> Den Wiedereinzug in den Schweriner Landtag verdankt die NPD ihren
> Stammwählern im Landesosten. Die sind weit entfernt vom bürgerlichen
> Touch, den sie so gerne hätten.
Bild: Meck-Pomms NPD-Spitze Udo Pastörs verkündet eine "klare und harte" Parl…
UECKERMÜNDE taz | Nach Koblentz führt eine kurvige Straße ohne
Mittelstreifen. Ein kleines Dorf nahe der polnischen Grenze, am Tag nach
der Wahl regnet es, kein Mensch ist zu sehen. Hier wurde ein trauriger
Rekord aufgestellt: 33 Prozent NPD. An der Gegend um Koblentz liegt es,
dass die rechtsextreme NPD wieder in den Landtag in Schwerin eingezogen
ist. Sechs Prozent hat sie gewonnen, fünf Mandate gibt das, eines weniger
als bisher.
Am Abend zuvor, dem Wahlabend, in Schwerin, vor der Schlossinsel, findet
NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs seine Sprachregelung für den Wahlausgang:
Klar, ein Verlust von 1,3 Punkten, aber immerhin der Wiedereinzug. Er
verspricht eine "klare und harte" Parlamentsarbeit. Die Ordnungsrufe wegen
seiner Auftritte haben ihn offenbar nicht sonderlich beeindruckt.
Neben ihm steht Udo Voigt, NPD-Bundesvorsitzender. Er gratuliert Pastörs,
betont das Gemeinschaftliche. Dabei sind die beiden Rivalen. Pastörs hatte
2009 gegen Voigt erfolglos um den Bundesvorsitz kandidiert. Jetzt dürfte
sein Zuspruch in der Partei steigen. Aber das soll jetzt kein großes Thema
sein. Die beiden geben sich so, wie sie gerne gesehen werden möchten:
Entspannt, professionell, bürgerlich.
Ihr wahres Gesicht zeigt die NPD etwa zur gleichen Zeit an diesem Abend
knapp drei Autostunden weiter östlich. Plattenbausiedlung Ueckermünde-Ost.
Vor dem Wahllokal des Stimmbezirks 8 steht ein muskelbepackter Mann, er
trägt ein schwarzes trägerloses Shirt. Er versperrt dem Reporter den Weg,
droht mit Prügeln und fasst ihn hart am Arm an. "Verpiss dich!", ruft er.
Nachdem der Wahlvorsteher ihm versichert hat, dass jeder Zugang hat, lässt
er ab.
## 30,5 Prozent für die NPD
Drinnen sitzen die Wahlhelfer und zählen Stimmzettel. Zusammen mit einem
Begleiter notiert der Muskelmann die Stimmen auf einem Formular. "Dürfen
wir mitzählen?", fragen sie. Die Antwort der mehrheitlich weiblichen
Wahlhelfer: Zuschauen ja, anfassen nicht. "Wir wollten die Frauen nur ein
bisschen entlasten, damit die Männer noch was von ihnen haben heute Abend",
sagt der Muskelprotz.
Auch ohne Mithilfe der selbsternannten Wahlbeobachter ist der Stapel mit
den NPD-Stimmzetteln am Schluss am höchsten. 117 von 338 Zweitstimmen, 30,5
Prozent. Das zweitbeste Ergebnis im Land. "Die großen Parteien sind selbst
schuld, dass die NPD so stark ist", sagt Joachim Rühl. Der 59-Jährige im
weißen Poloshirt hat gerade sein Kreuz gemacht. Für die CDU, wie er
versichert, nicht für die NPD. Er habe schließlich auch Arbeit,
Straßenbauer sei er.
Angesprochen auf die NPD sagt Heide Michaelis, Ueckermündes Bürgermeisterin
von der Linkspartei: "Eigentlich fehlen mir die Worte." Es müsse einfach
mehr für die "einfachen Bürger" getan werden. Sie fordert, mit einem
Mindestlohn der NPD den Nährboden zu entziehen. Denn die NPD im Nordosten
spielt gerne den Kümmerer. Aber sie ist hier auch sehr eng mit den
rechtsradikalen Kamaradschaften verbandelt.
## Landesgelder für die leeren NPD-Kassen
Wie der wiedergewählte Tino Müller kommt auch der neue Abgeordnete David
Petereit aus der Kameradschaftsszene. Das der NPD-Landesvize einen der
vorderen Listenplätze bekam, war da auch eine Dankesgeste. "Das
Erfolgsrezept der Zusammenarbeit", sagt Spitzenkandidat Pastörs, "ist der
weltanschaulich fundierte gemeinsame Wille". Dass viele der NPD-Kameraden
verurteilte Gewalttäter sind, erwähnt er da natürlich nicht.
Die NPD wird jetzt weiter Geld in die recht leeren Kassen bekommen, 1,4
Millionen Euro pro Jahr gab es zuletzt vom Bundesland. Allerdings lässt die
Landtagspräsidentin gerade prüfen, ob die NPD verbotenerweise
Fraktionsgelder für den Wahlkampf verwendet hat.
Eine Sache kam der NPD da gut gelegen: Die Eisengießerei in Torgelow, einer
der größten Arbeitgeber im Landesosten, kündigte an, bis zu 200
Zeitarbeiter rauszuschmeißen. Möglicherweise würden sie durch polnische
Leiharbeiter ersetzt. Chris Müller, 18, macht dort eine Ausbildung zum
Gießerei-Mechaniker. Auf seinem schwarzen T-Shirt steht: "Refugees
welcome", oft muss er den Leuten erklären, dass nicht nur Neonazis
Springerstiefel tragen.
Am Sonntagmittag steht er vor seinem Wahllokal und sagt: "Eigentlich geht
mir das alles am Arsch vorbei." Er meint die Wahlen, das Parlament, die
Abgeordneten. Neben ihm sein Kumpel Julien Rambow, 19, Glatze, zerissene
Jeans. Wenn es im Ort überhaupt so etwas wie eine linke Jugendszene hier
gibt, dann gehören die beiden dazu. "Wenn die NPD nicht wäre, wäre ich zu
Hause geblieben", sagt Chris. Aber jetzt müsse er einfach etwas tun, damit
sie nicht wiedergewählt wird, deshalb seien sie hier. Und zwar nur deshalb,
sagt Juliens Mutter, die auch mitgekommen ist.
Die Hoffnung erfüllte sich nicht.
5 Sep 2011
## AUTOREN
S. Erb
A. Speit
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