# taz.de -- Schwarz-Gelb nach MV-Wahl: Mit Sacherfolgen ins Debakel | |
> Während die Sozialdemokraten ihr Ergebnis feiern, suchen die Vertreter | |
> der schwarz-gelben Koalition nach dem Bürger, der ihnen einst Wahlerfolge | |
> beschieden hatte. | |
Bild: Hatte schon einmal mehr Profil: Die Union. | |
BERLIN taz | Mit tonloser Stimme erklärt Lorenz Caffier, der | |
Spitzenkandidat der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, am Montag an der Seite | |
von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Berliner Parteizentrale, er habe | |
ein "besseres Ergebnis erwartet". Dennoch wirbt er für eine Fortsetzung | |
seiner "großen Koalition" mit der SPD in Schwerin, wo er bislang | |
Innenminister ist. Er weiß: allein an ihm liegt es ja nicht, dass seine | |
Partei in seinem Bundesland ihr schlechtestes Ergebnis seit 1990 | |
eingefahren hat. Merkel sagt: "Streit ist nicht hilfreich". | |
In Berlin wurde am Montag überall die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern | |
bewertet. SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht nach dem Sieg in Schwerin von | |
"Rückenwind", auch Linke und Grüne frohlocken. Bei der schwarz-gelben | |
Regierungskoalition dagegen herrscht Katerstimmung. CDU und FDP kamen dort | |
zusammen nur knapp über ein Viertel aller Stimmen - und das bei einer | |
Wahlbeteiligung von gerade einmal 51,4 Prozent. Die FDP fliegt sogar - nach | |
Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Bremen - zum vierten Mal in diesem Jahr | |
aus einem Landesparlament. Deshalb klappt bei den Liberalen jetzt nicht | |
einmal mehr das typische Schönreden. | |
Im Thomas-Dehler-Haus in Berlin spricht Parteichef Philipp Rösler am Montag | |
zwar von den "Sacherfolgen", die die FDP in den vergangenen Monaten | |
eingefahren haben will: von der Arbeit an einer Pflegepflichtversicherung, | |
der "klaren Haltung" gegen Euro-Bonds, den Korrekturen an mehreren | |
Sicherheitsgesetzen. | |
Aber auch Rösler weiß: Das interessiert niemanden, wenn am Ende nur ein | |
weiterer Rauswurf aus einem Landtag steht. Und am kommenden Sonntag bei den | |
Kommunalwahlen in Niedersachsen und der Wahl in Berlin in zwei Wochen droht | |
der FDP schon das nächste Ungemach. | |
## Rösler verspricht wieder ein neues Grundsatzprogramm | |
Rösler sorgt deshalb vor. Am Montag versprach er unter dem Schlagwort der | |
"Neuen Bürgerlichkeit" nicht weniger als ein neues Grundsatzprogramm. Damit | |
will der FDP-Vorsitzende jene Wähler zurückgewinnen, die für das | |
Rekordergebnis der Freidemokraten bei der Bundestagswahl 2009 sorgten, | |
danach aber enttäuscht zu Hause blieben. Wie das genau aussehen soll, | |
konnte Rösler aber auch nicht so genau benennen. | |
Um die Verwirrung komplett zu machen, hatte Christian Ahrendt, der | |
Landeschef der FDP in Mecklenburg-Vorpommern, noch am Wahlabend seinen | |
Rücktritt erklärt: Er mache den Weg frei für einen neuen Landesvorstand. | |
Dann allerdings kündigte er an, sich gleich wieder für den Posten des | |
Landesvorsitzenden zu bewerben - denn er "glaube nicht, dass es an Personen | |
gelegen hat". | |
In Schwerin droht der Union indessen, nach ihrem Debakel in Hamburg und der | |
historischen Niederlage in Baden-Württemberg, bereits nach einer | |
Legislaturperiode der Abschied von der Macht. Denn SPD-Spitzenkandidat | |
Erwin Sellering, dessen Partei seit 1998 den Ministerpräsidenten stellt, | |
kann sich den Koalitionspartner aussuchen. Die SPD könnte also wieder, wie | |
schon von 1998 bis 2008, mit der Linkspartei koalieren. Vorsorglich hat | |
Sellering schon mal den Mindestlohn zur Bedingung für ein Bündnis gemacht - | |
ein Thema, dem die Union bislang noch ablehnend gegenüber steht. | |
## Strategisches Rot-Rotes-Bündnis | |
In Berlin betonte auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, er hoffe auf eine | |
Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern. Eine | |
Mehrheit der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern hat er damit hinter | |
sich. Die SPD könnte aber durchaus an einem neuerlichen Bündnis mit der | |
Linken im Landtag von Schwerin gelegen sein – und das nicht nur, um sich | |
alle Optionen offen zu halten. | |
Denn wenn ihr Berliner Lokalmatador Klaus Wowereit, wie erwartet, in zwei | |
Wochen sein Amt als Regierender Bürgermeister der Hauptstadt verteidigt und | |
bei der Wahl in Schleswig-Holstein im kommenden Mai die schwarz-gelbe | |
Regierung kippt, könnte die SPD mit einem rot-roten Bündnis in Schwerin im | |
Bundesrat plötzlich eine gestaltende Mehrheit haben. Mit einem | |
schwarz-roten Bündnis dagegen wäre das anders. | |
5 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
D. Bax | |
M. Lohre | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schwarz-Gelb im Taumel: Gefährliches Unwissen | |
SPD und Grüne applaudieren dem CDU-Finanzminister. In den | |
Koalitionsfraktionen aber nehmen die Zweifel an Merkels Kurs zu. Doch diese | |
basieren oft auf Unkenntnis. | |
Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern: Grünes Erfolgsrezept: Jobs, Jobs, Jobs | |
Die Nordost-Grünen haben das beste Wahlergebnis erreicht, das Grüne je in | |
Ostdeutschland erzielen konnten. Der Schlüssel zum Erfolg: Arbeitsplätze. | |
NPD in Mecklenburg-Vorpommern: "Verpiss dich!" | |
Den Wiedereinzug in den Schweriner Landtag verdankt die NPD ihren | |
Stammwählern im Landesosten. Die sind weit entfernt vom bürgerlichen Touch, | |
den sie so gerne hätten. | |
Meck-Pomms Grünen-Sprecherin Silke Gajek: Die Frau im Aufwind | |
Die Grünen ziehen 21 Jahre nach der Wiedervereinigung endlich in den | |
Schweriner Landtag ein. Das haben sie nicht nur dem Trend im Bund zu | |
verdanken, sondern auch ihrer Frontfrau. | |
Wahl in Mecklenburg-Vorpommern: Grüne jubeln in Schwerin | |
Erstmals schaffen es die Grünen ins Landesparlament von MV. Der Erfolg geht | |
vor allem aufs Konto des Spitzenduos, das besonders vor Ort punkten konnte. | |
Kommentar Mecklenburg-Vorpommern: Bitte keine Wählerbeschimpfung | |
Die Wähler im Nordosten haben sich nicht ignorant verhalten, sondern | |
angemessen. Was stand eigentlich außer dem Thema Mindestlohn zur Wahl? | |
Nichts. Das ist zu wenig. |