# taz.de -- Vor den Toren Hamburgs: NPD ist angekommen | |
> Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zeigt, dass die Strategie der | |
> Partei, die Mitte der Gesellschaft zu erobern, aufgegangen ist. Ihre | |
> Stammgebiete liegen dabei auch vor den Toren Hamburgs. | |
Bild: Spitzenkandidat Udo Pastörs (rechts) und NPD-Landesvorsitzender Stefan K… | |
HAMBURG taz | Im gesamten Land zwischen Elbe und Peene war sein Gesicht zu | |
sehen. An Straßen standen große Plakatwände mit seinem Bild und der | |
Aussagen "Unsere Heimat - unser Auftrag". An Laternen hingen Plakate mit | |
Aufnahmen von ihm und dem Versprechen "Konsequent für deutsche Interessen". | |
Mit Udo Pastörs, ihrem Spitzenkandidaten, zog die NPD aber nicht allein | |
wegen eines hohen Wahlzuspruchs in Ost-Mecklenburg-Vorpommern wieder in den | |
Landtag ein. "Nicht nur im Wahlkampf erfahre ich Zuspruch", sagt Pastörs | |
der taz. | |
Keine bloße Behauptung. Die Wahlergebnisse aus der Region Ludwigslust, wo | |
Pastörs lebt, liegen oft über 20 Prozent. Im Wahlkreis Ludwigslust I | |
erreichte seine Partei in Lübtheen allein 24,6 Prozent. Werden die | |
absoluten Zahlen der NPD in den drei Ludwigsluster Wahlkreise | |
zusammengezählt, kommt die Partei auf 3.736 Zweitstimmen. | |
"Im ländlichen und kleinstädtischen Raum gelang es der NPD wieder, die | |
Wähler zu erreichen", sagt Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung, | |
der während des Wahlkampfes Projekte gegen Rechts mit anschob. Die | |
Ergebnisse in Ost und West hätten gezeigt, so Frank, dass es gerade vor Ort | |
"viel zu wenig inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen der Rechten" | |
gegeben hätte. | |
In Lübtheen ist zu erleben, wie schwierig diese Auseinandersetzung ist. | |
Viel wird hier gegen die NPD unternommen, doch mitten in der Kleinstadt | |
unterhält Pastörs mit dem wiedergewählten NPD-Landtagsabgeordneten und | |
Landesvorsitzenden Stefan Köster ein Bürgerbüro. In dessen Schaufenster | |
hängen nicht nur Wahlplakate mit "Müttergehalt durchsetzen!", sondern auch | |
ein Dauerplakat: "Wir kümmern uns. Wir helfen ihnen". | |
Ab 10 Uhr ist das Büro am Donnerstag offen. Freitags sind die Abgeordneten | |
da. Nicht nur Kameraden kommen. Hinter vorgehaltener Hand wird vor Ort | |
erzählt, dass Pastörs es geschafft habe, auch Anwohner, die finanziell | |
nicht schlecht gestellt sind, für sich zu gewinnen. Im Vergleich zu anderen | |
Städten hat Lübtheen eine geringe Arbeitslosenquote. | |
Seit Jahren sind Vereine, Kindergarten, Schule und Gemeindevertretung | |
genötigt, sich mit "den Rechten" auseinanderzusetzen. "Wir sind hier | |
verankert", sagt Köster. "Über die Kinder" hätten sie "Vorurteile abbauen | |
können". Eine wissenschaftliche Studie von Hubertus Buchstein und Gudrun | |
Heinrich bestätigt die Verankerung im vorpolitischen Raum, die mittlerweile | |
regelmäßig in Wahlgunst umschlägt. | |
Auch in Güstrow, wo wie in Lübtheen viele rechtslastige Familien leben, war | |
der Wählerzuspruch hoch. Bis zu 13,8 Prozent erreichte die NPD. Im | |
Landkreis Güstrow agieren allein ein Dutzend "nationale Familien", zu denen | |
etwa 60 Kinder gehören. Das Engagement der Eltern ist ein Thema in der | |
Region - unabhängig von Wahlkämpfen. "Das beschäftigt uns sehr", sagt eine | |
Expertin der NPD-kritischen "Landesarbeitsgemeinschaft Völkische Siedler". | |
Zählt man hier die Zweitstimmen der Wahlkreise für die Partei zusammen, | |
kommt sie auf knapp 1.900 Stimmen. | |
Andere Parteien haben es da nicht immer leicht. "Wir hatten da schon | |
Ärger", sagte drei Tage vor der Wahl eine SPD-Wahlkampfhelferin von den | |
Jusos am Infostand. Während des Wahlkampfes kamen NPD-Kandidaten öfters zu | |
Infoständen der anderen Parteien, um zu provozieren. In Boizenburg nutzte | |
Pastörs den Wahlauftritt des SPD-Politikers Till Bachkaus, um ihn verbal | |
anzugehen. | |
Über 2.400 Zweitstimmen bekam die NPD in den Wahlkreisen von | |
Nordwestmecklenburg. Hier, in Grevesmühlen, unterhalten Pastörs und Köster | |
im "Thing-Haus" ein weiteres Bürgerbüro. Das Haus selbst wird von Kameraden | |
für Kinderfeste und Konzerte genutzt. Sven Krüger, bekennender Neonazi und | |
erstinstanzlich als Hehler verurteil, stellt der NPD das Gebäude. | |
Mit einer braunen Graswurzelrevolution habe sich die NPD in einzelnen | |
Region eine soziale Infrastruktur aufbauen können, sagt Reinfrank. Bei der | |
zeitgleich stattgefunden Wahl der Kreistags konnte die NPD in der Region | |
sogar noch mehr punkten: Ihr Stimmanteil wuchs um 2,1 Prozent: 2009 hatte | |
sie rund 52.000 Stimmen erhalten, 2011 etwa 89.480. Das entspricht 23 | |
Mandaten. Köster schwärmte prompt: "Die NPD hat ihre kommunale Verankerung | |
ausbauen können." | |
6 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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