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# taz.de -- Uno und Palästina: Der unklare Staat
> Aufnahme, Anerkennung oder nur symbolische Aufwertung? Vor der
> Abstimmung, ob Palästina ein UN-Vollmitglied wird, ist unklar, worüber
> abgestimmt wird.
Bild: Symbolische Aktion: Palästinensische Aktivisten montieren einen Stuhl f�…
GENF taz | Die EU ist sich weiterhin uneinig, ob sie nächste Woche auf der
UNO-Vollversammlung in New York einer Aufnahme des Staates Palästina als
Vollmitglied der Weltorganisation zustimmen soll. Der Streit, der das
Treffen der 27 EU-Außenminister am letzten Wochenende im polnischen Sopot
beherrschte, mutet einigermaßen bizarr an.
Denn der Text des Antrages, über den die Palästinensische Autonomiebehörde
unter Präsident Mahmud Abbas nach der für kommende Woche vorgesehenen
Ausrufung des Staates Palästina in den Vorkriegsgrenzen von 1967 in der
UNO-Generalversammlung abstimmen lassen will, liegt noch gar nicht vor.
Und wenn überhaupt, werden sich zur Frage einer Vollmitgliedschaft des
Staates Palästinas in der UNO mit größter Wahrscheinlichkeit nicht alle 27
EU-Staaten, sondern nur die vier im Sicherheitsrat vertretenen verhalten
müssen: die beiden ständigen und vetoberechtigten Ratsstaaten
Großbritannien und Frankreich sowie die beiden nichtständigen
Ratsmitglieder Portugal und Deutschland.
Denn die Aufnahme eines neuen Vollmitgliedes in die UNO ist gemäß Artikel 2
und 18 der UNO-Charta nur möglich mit Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit
der Generalversammlung nach einer entsprechenden "Empfehlung" des
Sicherheitsrates.
Die Zweidrittelmehrheit von 129 der 193 Mitglieder der Generalversammlung
für die Aufnahme Palästinas wäre zwar gesichert. Knapp 150 Staaten haben
bislang ihre Absicht zur Zustimmung signalisiert. Unter den restlichen
Ländern wollen sich rund 20 enthalten. Einige Regierungen sind noch
unentschlossen. Lediglich Israel, die USA, Deutschland und eine Handvoll
weiterer Staaten haben für den Fall einer Abstimmung in der
Generalversammlung ihr "Nein" angekündigt. Doch diese Abstimmung in der
Generalversammlung wird kaum stattfinden, da es die erforderliche
"Empfehlung" des Sicherheitsrates nicht geben wird.
Zwar würde auch im Rat bei einer Abstimmung eine große Mehrheit von bis zu
elf der 15 Ratsmitglieder die UNO-Vollmitgliedschaft Palästinas
befürworten. Aber die USA haben ihr Veto angekündigt. Auch Deutschland und
Bosnien-Herzegowina wollen mit Nein stimmen. Großbritannien hält sich
bislang noch alle Optionen offen. Angesichts der Veto-Drohung der USA wird
der Sicherheitsrat voraussichtlich keine formale Abstimmung über eine
Aufnahme Palästinas durchführen.
## Abbas hat drei Möglichkeiten
In dieser Situation hat Abbas drei Optionen. Er könnte der
Generalversammlung eine Resolution vorlegen, die lediglich die Anerkennung
des Staates Palästina vorsieht. Die absehbare Mehrheit von drei Viertel der
Generalversammlung würde eine erhebliche politische Aufwertung Palästinas
bedeuten und den praktischen Vollzug der bilateralen Anerkennung durch
zahlreiche Staaten nach sich ziehen.
Unter anderem durch Einrichtung diplomatischer Vertretungen in der
bisherigen Hauptstadt Ramallah und durch eine Intensivierung
wirtschaftlicher, politischer und kultureller Beziehungen. Israel würde
unter verstärkten internationalen Druck geraten, die völkerrechtswidrige
Besatzung von Teilen des nunmehr anerkannten Staates Palästina zu beenden.
Auch ohne Aufnahme in die UNO-Generalversammlung könnte der international
anerkannte Staat Palästina bereits der Weltgesundheitsorganisation und
anderen Sonderorganisationen des UNO-Systems mit eigenständiger
Mitgliedschaft beitreten. Das hat auch die Schweiz bis zu ihrer
UNO-Vollmitgliedschaft im Jahre 2004 jahrzehntelang so praktiziert. Möglich
würde auch der Beitritt Palästinas zu Weltbank, Internationalem
Währungsfonds und zur Welthandelsorganisation sowie zum Internationalen
Strafgerichtshof (ISTGH), nicht aber zum für zwischenstaatliche Streitfälle
zuständigen Internationalen Gerichtshof (IGH), da dieser Teil des
UNO-Systems ist.
## EU-Staaten bemüht um "Kompromiss"
Um die Anerkennung des Staates Palästinas durch die UNO-Generalversammlung
und die damit verbundene Aufwertung zu verhindern, bemühen sich die USA
sowie Deutschland und einige andere EU-Staaten derzeit um einen
"Kompromiss". Er sieht einen zumindest symbolisch verbesserten Status der
Palästinenser bei der UNO-Generalversammlung vor.
1974 hatte die Versammlung der Palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO)
einen Beobachterstatus als "andere Körperschaft" eingeräumt - ähnlich wie
zuvor bereits diversen Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika. Nach der
ersten Ausrufung eines palästinensischen Staates durch PLO-Chef Jassir
Arafat und der nachfolgenden Anerkennung durch 50 Länder wurde die
offizielle Bezeichnung dieser "anderen Körperschaft" 1988 von "PLO" in
"Palestine" umgewandelt.
Diesem rein symbolischen und politisch folgenlosen Austausch eines
Namensschildes soll nach dem Kompromissvorschlag nun die Höherstufung zu
einem "beobachtenden Nicht-Mitgliedstaat" folgen - ein Status, den der
Vatikan hat und den bis 2004 auch die Schweiz besaß. Einen entsprechenden
Beschluss könnte die Generalversammlung autonom, ohne vorherige
"Empfehlung" des Sicherheitsrates fassen. Palästinensische Diplomaten bei
der UNO erklären es bislang allerdings für ausgeschlossen, dass sich Abbas
auf einen derart "faulen Kompromiss" einlässt.
## Es gibt eine dritte Option
Abbas und seine Berater haben intern sowie mit den Regierungen einiger
arabischer Staaten auch eine dritte Option diskutiert. Ein Mitgliedstaat
der UNO könnte in der Generalversammlung unter Berufung auf deren "United
for Peace"-Resolution Nr. 377 aus dem Jahre 1950 beantragen, dass die
Versammlung die Entscheidung über eine UNO-Mitgliedschaft Palästinas an
sich zieht, weil der Sicherheitsrat in dieser Frage nicht handlungsfähig
ist.
Mit dieser Begründung beschloss die Generalversammlung vor 61 Jahren mit
der "United for Peace"-Resolution den Einsatz von UNO-Kampftruppen im
Konflikt zwischen Süd- und Nordkorea, nachdem der Sicherheitsrat zuvor
wegen gegenseitiger Vetodrohungen der fünf ständigen Mitglieder sowie wegen
eines zeitweisen Boykotts durch die Sowjetunion monatelang nicht
entscheidungsfähig und daher "nicht in der Lage war, seine laut UNO-Charta
primäre Verantwortung für die Bewahrung des Friedens und der
internationalen Sicherheit in jedem Fall wahrzunehmen, wo immer diese
bedroht sind".
Im aktuellen Fall müssten die Antragsteller begründen, dass ein Veto der
USA gegen die Empfehlung des Sicherheitsrates, den Staat Palästina in die
UNO aufzunehmen, zu einem Versagen des Rates bei der Wahrnehmung seiner
Verantwortung führt, weil die Verweigerung der Aufnahme einen Zustand der
Bedrohung des Friedens in der Nahostregion bestehen lässt oder gar
verschärft, während die Aufnahme Palästinas in die UNO die seit 1947 in
zahlreichen Resolutionen der Weltorganisation geforderte
Zweistaatenregelung herbeiführen und damit zu Frieden und Sicherheit in der
Region beitragen soll.
13 Sep 2011
## AUTOREN
Andreas Zumach
## TAGS
Vatikan
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