# taz.de -- Verstaatlichter russischer Ölkonzern: Yukos zu Recht bestraft | |
> Russland hat den Ölkonzern Yukos nicht gezielt verstaatlicht, urteilt der | |
> Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Ganz sauber war das Verfahren | |
> trotzdem nicht. | |
Bild: Russische Ölförderanlage nahe der Stadt Nefteyugansk, Sibirien. | |
FREIBURG taz | Russland hat die Rechte des aufgelösten russischen | |
Ölkonzerns Yukos verletzt. Das stellte am Dienstag der Europäische | |
Gerichtshof für Menschenrechte fest. Die Straßburger Richter wiesen aber | |
den Vorwurf zurück, dass der Konzern des oppositionellen Milliardärs | |
Michail Chodorkowski aus politischen Gründen zerschlagen worden sei. Dies | |
habe Yukos nicht nachweisen können. | |
Yukos war die zweitgrößte Ölfirma Russlands. 2004 entdeckten die Behörden, | |
dass Yukos massiv Steuern hinterzogen hat. Über 22 Scheinfirmen waren | |
Gewinne in russische Niedrigsteuerzonen verschoben worden. Allein für das | |
Jahr 2000 wurden Steuerrückstände in Höhe von umgerechnet 1,4 Milliarden | |
Euro festgestellt. Für die Folgejahre bis 2003 erhoben die Steuerfahnder | |
entsprechende Vorwürfe. | |
Am Ende verlangten die Behörden von Yukos 15,1 Milliarden Euro für | |
ausstehende Steuern, Zinsen und Strafen. Der Konzern konnte dies auf die | |
Schnelle nicht bezahlen. Ende 2004 wurde deshalb die wichtigste | |
Tochtergesellschaft, die eigentliche Ölfördergesellschaft, Yuganskneftegaz, | |
zwangsversteigert. 2007 war auch die Mutter Yukos am Ende und wurde | |
aufgelöst. | |
Yukos ging (vor seiner Auflösung) nach Straßburg und beschwerte sich über | |
die "versteckte Verstaatlichung". Der Konzern verlangte eine | |
Rekordentschädigung von 71 Milliarden Euro. Die "Steuervermeidung" wurde | |
zwar nicht bestritten. Allerdings seien die Praktiken legal gewesen, | |
zumindest hätten die Behörden sie zuvor geduldet und andere Konzerne mit | |
ähnlichen Praktiken nicht behelligt. | |
Im zentralen Punkt hatte die Klage aber keinen Erfolg. Der Gerichtshof sah | |
keine Beweise dafür, dass Yukos willkürlich herausgegriffen worden sei. Der | |
Vorwurf der Steuerhinterziehung sei auch belegt worden. Die Strafen seien | |
nicht unverhältnismäßig hoch gewesen. Dennoch wiegen die Vorwürfe gegen die | |
Behörden schwer. | |
## Neue Rechtsprechung | |
Für die Steuerhinterziehung im Jahr 2000 konnte Yukos nur bestraft werden, | |
weil die Verjährungsregeln nachträglich neu interpretiert wurden. Als | |
Verletzung des Eigentumsrechts stuften die Richter auch ein, dass die | |
Strafen ab 2001 wegen Wiederholung des Delikts verdoppelt wurden. Auch dies | |
war vorher nicht üblich. | |
An zwei Punkten sahen die Richter auch den Anspruch auf ein faires | |
Verfahren verletzt. So hatte Yukos bis zur ersten Gerichtsverhandlung nur | |
vier Tage Zeit, um 43.000 Seiten Akten durchzuarbeiten. Außerdem hätten die | |
Gerichtsvollzieher zur Begleichung der Steuerschuld auch andere Wege als | |
den Verkauf von Yuganskneftegaz prüfen müssen. Denn die Firma sei die | |
"einzige Hoffnung" für ein Überleben von Yukos gewesen. | |
Das Straßburger Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sowohl Russland als | |
auch Yukos können die Große Kammer des Gerichtshofs anrufen. Die Höhe des | |
Schadenersatzes ließen die Richter noch offen. Darüber sollen Yukos und | |
Russland zunächst verhandeln - wenn das Urteil rechtskräftig ist. | |
Im Juni hatte Straßburg eine Klage Chodorkowskis ähnlich beschieden. Bei | |
Einleitung des Verfahrens gegen ihn habe es Fehler gegeben, aber eine | |
politische Verfolgung konnte nicht bewiesen werden. Der inhaftierte | |
Chodorkowski gilt als einer der wichtigsten Gegner von Regierungschef | |
Wladimir Putin. In Straßburg laufen noch weitere Klagen Chodorkowskis. | |
20 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Michail Chodorkowski | |
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