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# taz.de -- Justizfarce in Russland: Chodorkowskis Berufung abgeschmettert
> Ein Moskauer Gericht bestätigt die Verurteilung des Ex-Yukos-Eigentümers
> und seines Kompagnons. Die Haftstrafe wird jedoch auf 13 Jahre
> verringert.
Bild: Michail Chodorkowsky bei seiner Berufungsverhandlung vor einem Moskauer S…
MOSKAU taz | "Posor, posor - Schande, Schande!" skandierten die
aufgebrachten Besucher im Moskauer Stadtgericht. Das Gericht hatte soeben
der Berufung des Ex-Yukos Eigentümers Michail Chodorkowski und seines
Kompagnions Platon Lebedew nicht stattgegeben.
Im Dezember 2010 war der ehemalige Öl-Tycoon zu einer zweiten Haftstrafe
verurteilt worden, die ihn für 14 Jahre hinter Gitter brachte. Den beiden
Angeklagten wurde im zweiten Prozess zur Last gelegt, die gesamte
Ölproduktion des Yukos-Konzerns gestohlen und am Fiskus vorbeigeschleust zu
haben.
Bereits im ersten Verfahren waren sie der Steuerhinterziehung derselben
Menge Öls für schuldig befunden worden. Die absurde Anklage hatte im In-und
Ausland Proteste hervorgerufen und die eklatanten Mängel des russischen
Rechtsstaates offengelegt.
Das Moskauer Stadtgericht folgte der Anklage der ersten Instanz, setzte
aber die Haftstrafe auf 13 Jahre herab und verringerte überdies auch den
angeblichen Öldiebstahl um 130 Millionen Tonnen und 68 Milliarden Rubel.
Mit einer Aufhebung des Urteils hatte in Russland auch niemand ernsthaft
gerechnet, da es sich im Fall Chodorkowski um einen politischen Prozess
handelt. Der erfolgreiche Unternehmer wurde vom Kreml als politischer
Konkurrent wahrgenommen.
Michail Chodorkowski hatte in seiner Berufungsbegründung ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass er weder Gnade noch eine Strafverkürzung verlange.
Das Urteil zu verbessern sei nicht möglich, kosmetische Korrekturen sähen
nur dümmlich aus.
## Urteil "wissentlich gegen rechtsstaatliche Kriterien"
Ihm ginge es darum, durch die Aufhebung des Schandurteils Schaden vom
russischen Justizwesen abzuwenden. Das Urteil hätte "wissentlich gegen
rechtsstaatliche Kriterien" verstoßen, sagte er. Es sei absurd, voller
Widersprüche und lasse Russland als Staat in der Welt lächerlich
erscheinen. "In welchem Keller wurde diese stalinistische Spinne
ausgegraben, die solchen Blödsinn schrieb?" fragte der Angeklagte und wurde
umgehend vom Richter gerügt, sich eines angemessenen Tons zu befleißigen.
Auch die Anwälte wurden mehrfach ermahnt, gegenüber der Justiz und dem
politischen System nicht ausfallend zu werden.
Nach dem Urteil im Dezember hatte sich eine Gehilfin des Richters, Natalja
Wasiljewa, im zweiten Verfahren an die Öffentlichkeit gewandt und
behauptet, dass der Schriftsatz nicht vom Vorsitzenden Richter verfasst
worden sei, sondern noch während der Verlesung des Urteils von einem
anderen Gericht stückweise angeliefert wurde. Die Justizassistentin gab
auch vor, dass der leitende Richter während des Verfahrens einer höheren
Instanz regelmäßig Bericht erstatten musste.
Diesem ungeheuerlichen Vorwurf ging das Gericht indes nicht nach. Dass die
Justiz keine Untersuchung einleitete, werteten Beobachter bereits als eine
Bestätigung der Vorwürfe. Der Fall sollte nicht noch größere Wellen
schlagen. Natalja Wasiljewa kehrte nach der Enthüllung auch nicht an ihren
Arbeitsplatz im Gericht zurück.
Vergangene Woche hatte Präsident Dmitri Medwedjew in einem Gespräch mit
Journalisten unterdessen Hoffnungen geweckt, dass die beiden Angeklagten
womöglich doch vorzeitig entlassen werden könnten. Sollten Chodorkowski und
Lebedew in die Freiheit gelangen, stellten sie absolut keine Gefahr dar,
sagte der Kremlchef. Daraus meinten Beobachter entnehmen zu können, dass
der Jurist Medwedjew im Gegensatz zu Premier Putin nichts gegen eine
Freilassung einzuwenden hätte. Allerdings hat der Kremlchef in den drei
Jahren seiner Amtszeit viel Richtiges gesagt, aber nichts zu sagen.
24 May 2011
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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