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# taz.de -- Chodorkowski-Prozess: Verurteilung auf Anweisung von oben
> Das Urteil im Chodorkowski-Prozess war nicht vom Vorsitzenden Richter
> verfasst, sagt dessen Assistentin. Damit bestätigt sie die Vorwürfe der
> Verteidung.
Bild: Weitere sechs Jahre Haft waren dem ehemaligen Yukos-Eigentümer Michail C…
MOSKAU taz | Natalja Wasiljewa war nervös. Die Dimension ihrer Aussagen
schien ihr erst während des Interviews vor laufender Kamera klar zu werden.
Die junge Frau arbeitete als Assistentin des leitenden Richters Wiktor
Danilkin im Prozess gegen den ehemaligen Yukos-Eigentümer Michail
Chodorkowski und dessen Kompagnon Platon Lebedew. Ende Dezember wurden
beide in einem Verfahren, das wegen offener Rechtsverletzungen weltweit für
Empörung sorgte, zu einer weiteren sechsjährigen Haftstrafe verurteilt.
Gestern ließ Wasiljewa, die am Chamownitschi-Bezirksgericht auch als
Pressesekretärin arbeitete, eine Bombe platzen. "Das Urteil wurde vom
Moskauer Stadtgericht angeliefert, das weiß ich ganz genau", sagte
Wasiljewa in einem Interview mit der Netzzeitung gazeta.ru, das auch der
private TV-Sender "doschd" ausstrahlte.
Damit bestätigte Wasiljewa die Vorwürfe der Verteidigung Chodorkowskis, die
behauptet hatte, dass das Urteil nicht von Richter Danilkin verfasst worden
sei. Während des Verfahrens sei er unter Druck gesetzt worden. Von der
Vorsitzenden des Moskauer Stadtgerichts, der übergeordneten Instanz, hätte
der Richter laufend telefonische Anweisungen erhalten.
Wasiljewa behauptet, häufiger zugegen gewesen zu sein, wenn das Gericht
Danilkin anrief. Mindestens einmal wöchentlich musste der Richter zum
Rapport erscheinen. Gegen Prozessende hätte er sich resigniert
zurückgezogen und mit niemandem mehr gesprochen. Danilkins Prozessführung
sei von Anfang an kritisiert worden. Auf besonderes Missfallen stießen
jedoch die richterlichen Versuche, bekannte Zeugen vorzuladen.
## Bestellter Prozess
Damit spielte Wasiljewa auf ehemalige Minister und hochgestellte
Persönlichkeiten aus der Regierung und dem Umfeld Putins an. Außerdem wurde
ihm vorgeworfen, den Prozess absichtlich zu verschleppen. Der Druck soll in
der Phase der Urteilsabfassung seit November immer stärker geworden sein.
Wasiljewa vermutet, dass das Moskauer Gericht und jene Kräfte, die hinter
dem Prozess stehen, mit dem Urteil unzufrieden waren und den Schriftsatz
neu verfassten. Einige Teile des Urteils wurden erst im Laufe der
Urteilsverlesung fertig. Der Teil mit dem Strafmaß sei in letzter Minute
geliefert worden. "In Justizkreisen versteht man sehr gut, dass es
Auftragsarbeit und ein bestellter Prozess war", meinte Wasiljewa.
Moskaus Stadtgericht wies die Anschuldigungen als Provokation zurück.
Richter Danilkin kündigte an, die Assistentin wegen Verleumdung zu
verklagen.
14 Feb 2011
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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