# taz.de -- Kommentar Chodorkowski-Urteil: Kleiner Sieg in Straßburg | |
> In Russland ist es Methode, Gefangene wie Tiere in Käfigen zur Schau zu | |
> stellen. Vielleicht macht das Urteil Betroffenen in Russland Mut, | |
> ebenfalls Straßburg anzurufen. | |
Bild: Der berühmteste Häftling in Russland: Michail Chodorkowski. | |
Zweifellos bedeutet für Michail Chodorkowski das Urteil des Europäischen | |
Gerichtshofes für Menschenrechte über seine Grundrechtsbeschwerde eine | |
herbe Niederlage. Schließlich ging es dem früheren russischen Ölmagnaten | |
zuallererst darum, feststellen zu lassen, dass der erste Prozess gegen ihn | |
wegen Betruges und Steuerhinterziehung eindeutig politisch motiviert | |
gewesen sei. | |
Doch für diese Anwürfe konnten die Straßburger Richter allenfalls | |
Verdachtsmomente finden, jedoch keine eindeutigen Beweise. Sie verwiesen | |
darauf, dass der politische Status keine Immunität garantiere. | |
Dieser Auffassung kann man folgen. Zumal bekannt ist, dass ein Großteil der | |
späteren Oligarchen in den chaotischen Jahren der Jelzin-Ära den Grundstein | |
für ihren Reichtum, ihre Macht und ihren Einfluss gelegt hat - und das oft | |
mit unlauteren Mitteln. | |
Einen wenn auch kleinen moralischen Sieg gegen Russland hat Chodorkowski | |
dennoch errungen. Denn das Gericht hat mehrere Verstöße der Behörden gegen | |
die Rechte des Klägers in der Untersuchungshaft und während des Prozesses | |
benannt. | |
Diese erniedrigende Behandlung Chodorkowskis, für die Moskau jetzt | |
Schmerzensgeld zahlen muss, hat in Russland Methode. Täglich werden im | |
Gerichtssaal Gefangene wie Tiere in Käfigen zur Schau gestellt. In | |
überfüllten und verdreckten Knästen büßen sie mit ihrer Gesundheit oder mit | |
ihrem Leben. | |
Es sind aber genau diese menschenverachtenden Praktiken, die einem | |
Rechtsstaat Hohn sprechen, die das Urteil erneut in den Fokus rückt. Damit | |
weist es über die Causa Chodorkowski hinaus. Und vielleicht macht der | |
Richterspruch weiteren Betroffenen in Russland Mut, ebenfalls den Weg nach | |
Straßburg anzutreten. | |
31 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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