# taz.de -- Vor der Abstimmung über Rettungsfonds: Viel Nebel um Hebel | |
> Die Debatte über eine Ausweitung des Rettungsfonds versetzt die Koalition | |
> vor der entscheidenden Abstimmung in Aufruhr - doch die Mehrheit steht | |
> wohl. | |
Bild: Einmal den Hebel umlegen und das Geld vermehrt sich? EU-Währungskommissa… | |
BERLIN taz | Für die Bundesregierung hätte das Timing nicht schlechter sein | |
können. Wenige Tage vor der entscheidenden Abstimmung über die Ausweitung | |
des Eurorettungsfonds (EFSF) wurde darüber spekuliert, wie dieses Geld | |
durch eine "Hebelwirkung" faktisch vermehrt werden kann - ausgelöst durch | |
Bemerkungen von EU-Währungskommissar Olli Rehn und Finanzminister Wolfgang | |
Schäuble (CDU) bei der IWF-Tagung am Wochenende in Washington. Was den | |
Finanzminister geritten hat, diese Debatte zur Unzeit zu starten, darüber | |
wird in Berlin allgemein gerätselt. | |
Zunächst sah es so aus, als ob die Spekulationen die Kritiker des | |
Regierungskurses stärken würden. Wolfgang Bosbach (CDU) sagte, er sehe sich | |
durch die jüngsten Gerüchte in seiner ablehnenden Haltung bestätigt. Auch | |
FDP-Rebell Frank Schäffler sieht in den Plänen eine "gigantische | |
Ausweitung" des Risikos, das Deutschland trage. "Über die Hebelwirkung kann | |
man die wahre Summe schön vernebeln", sagte er der taz. | |
FDP-Haushaltsexperte Hermann Otto Solms, eigentlich ein Befürworter des | |
EFSF, drohte in der Welt, ohne eine Klarstellung, dass es keine | |
Hebelwirkung geben werde, werde man dem Gesetz nicht zustimmen. | |
Auch die SPD, die der EFSF-Ausweitung zustimmen will, äußerte sich empört | |
über die Gerüchte. Die Regierung plane offenbar hinter den Kulissen einen | |
"Deal", mit dem das Risiko weit größer werde, sagte Parteichef Sigmar | |
Gabriel. "Aber sie klärt Öffentlichkeit und Parlament nicht über ihre | |
wahren Pläne auf." Dies solle offenbar erst nach der Abstimmung geschehen. | |
Die Bundesregierung bemühte sich derweil nach Kräften, die Debatte wieder | |
einzufangen. Finanzminister Schäuble erschien eigens in der Sitzung der | |
FDP-Fraktion, um Zweifel zu zerstreuen; bei einer anderen Veranstaltung | |
nannte er eine Aufstockung des EFSF eine "dumme Idee". Regierungssprecher | |
Steffen Seibert versicherte, es bleibe dabei, dass der Rettungsfonds ein | |
Volumen von 440 Milliarden Euro bekomme. Eine Erweiterung sei nicht | |
geplant, darüber bestehe in der Regierung "vollkommene Einigkeit". | |
## Dementis gehen am Kern der Sache vorbei | |
Diese Dementis gehen allerdings am Kern der Sache vorbei. Denn eine | |
Hebelwirkung beruht gerade darauf, dass die Summe des eingesetzten Kapitals | |
gleich bleibt, die Wirkung aber durch eine Erhöhung des Risikos gesteigert | |
wird. In der Diskussion sind mehrere Hebelmodelle: So könnte der EFSF, | |
statt selbst Staatsanleihen aufzukaufen, sein Geld dafür einsetzen, | |
privaten Käufern in Form einer Versicherung einen Teil ihres Risikos | |
abzunehmen. | |
Einen ähnlichen Effekt hätte es, die Anleihen in Tranchen mit | |
unterschiedlichem Risiko aufzusplitten, wobei der Fonds nur die mit höherem | |
Ausfallrisiko erwerben würde, während die sichereren weiter am Markt | |
platziert werden könnten. Realisiert werden könnte dies etwa über eine | |
Zweckgesellschaft der Europäischen Investitionsbank, die über den EFSF | |
finanziert würde. Eine eigene Banklizenz für den EFSF, die die | |
Bundesregierung strikt ablehnt, wäre dafür nicht erforderlich. | |
Infrage gestellt wurde das deutsche Dementi auch von der Aussage der | |
österreichischen Finanzministerin Maria Fekter zur möglichen Stärkung des | |
EFSF: Die EU-Mitgliedstaaten würden "wahrscheinlich kommenden Montag | |
intensiv beraten, ob das ausreichend ist, was jetzt schon auf dem Tisch | |
ist, oder ob es noch ergänzt werden muss", sagte Fekter. An den Märkten | |
wurde diese Aussage positiv gewertet: Der Euro sprang kurzzeitig über 1,36 | |
Dollar, der DAX legte um mehr als 5 Prozent zu. | |
Die Regierungsfraktionen hingegen schienen die Dementis der Regierung zu | |
glauben: Die Zahl der Abweichler wurde nicht größer, sondern kleiner. Bei | |
einer Probeabstimmung in der Unionsfraktion gab es am Dienstagnachmittag | |
nach Agenturberichten elf Neinstimmen und zwei Enthaltungen; Anfang | |
September waren es noch zwölf Neinstimmen und sieben Enthaltungen gewesen | |
Bei der FDP war keine Probeabstimmung geplant; vor der Sitzung hatte | |
Fraktionschef Rainer Brüderle erklärt, er rechne aktuell mit vier | |
Abweichlern. Damit würde die Kanzlermehrheit knapp stehen - sofern die | |
Debatte in den letzten 24 Stunden keine neue Wendung nimmt. | |
27 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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