# taz.de -- Kommentar Literaturnobelpreis: Wo bleibt die Öffnung für die Lyri… | |
> Lyrik ist beliebt - bekommt in der Öffentlichkeit aber kaum die nötige | |
> Aufmerksamkeit. Das wird sich auch mit dem Preis für Tomas Tranströmer | |
> nicht ändern. | |
Bild: Tomas Tranströmer im Jahr 2011 | |
Lyrik boomt derzeit in Deutschland. Doch, doch. Das Poesiefestival in | |
Berlin, nur zum Beispiel, hat beeindruckende Zuschauerzahlen vorzuweisen - | |
und mitten drin im Publikum all die jungen Leute, die man auf | |
Kulturveranstaltungen so gerne sieht, weil man weiß, dass sie für die | |
Zukunft stehen. Wie in anderen Großstädten auch gibt es eine junge, | |
quirlige, kenntnisreiche Lyrikszene, die zudem über Lyrikzeitschriften | |
sowie Internetforen gut vernetzt ist. | |
Was aber auch stimmt, ist, dass Lyrik hierzulande über Events und | |
Insiderforen hinaus in der Öffentlichkeit kaum von Bedeutung ist. Und daran | |
wird nun auch der Nobelpreis für Tomas Tranströmer wenig ändern. Sosehr man | |
sich mit dem schwedischen Autor freut und mit seinen Landsleuten, die jetzt | |
jubeln: Letztlich hat die Wahl doch etwas Strukturkonservatives. | |
Sagen wir es so: Jede Lyrikgeneration muss sich offenbar wieder aufs Neue | |
darum bemühen, den Staub von dieser literarischen Gattung zu pusten und ihr | |
diesen Hang zum Bildungsbürgerlichen auszutreiben, der ihr schnell anhängt, | |
in Deutschland noch mehr als anderswo. Mit dem 80-jährigen schwedischen | |
Autor hat die Akademie nun einen Vertreter der vorangegangenen Generation | |
ausgezeichnet, die diese Aktualisierungsarbeit der lyrischen Traditionen | |
auf ihre Weise geleistet hat. | |
In Deutschland präsentierte sie sich lange Zeit als elitäres Unternehmen. | |
Das kann man aber auf die aktuelle Lyrikszene nicht einfach hochrechnen. | |
Ihr fehlt nicht nur diese Tendenz zum Bibliophilen, hier sind die Grenzen | |
zu anderen kulturellen Disziplinen sehr viel offener, Einflüsse holt man | |
sich aus der lyrische Tradition genauso wie aus der Szene der | |
elektronischen Musik und, ja, auch das, aus der Werbesprache. | |
Wahrscheinlich würde der Lyrik eine Öffnung des Literaturbegriffs seitens | |
der schwedischen Akademie genauso gut tun wie der Literatur insgesamt. | |
Ein Preis für Bob Dylan, der schon seit einigen Jahren auf der | |
Favoritenliste steht, hätte viel mehr für diese Öffnung gestanden. Nicht, | |
dass man diesen Musiker noch als jung oder neu verkaufen könnte. Aber man | |
hätte ihn halt gekannt und man hätte über seine Songtexte - also über Lyrik | |
- im breiten Kreis diskutieren können. So etwas würde man sich wirklich | |
einmal für Gedichte wünschen. Bei Tomas Tranströmer wird es bei den | |
Fachkreisen bleiben. Eigentlich sehr schade. | |
6 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
## TAGS | |
Nobelpreis für Literatur | |
Nachruf | |
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