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# taz.de -- Neue Regierung in Lettland: SS-Freunde regieren mit
> Die rechtsextreme Partei "Alles für Lettland!" ist erstmals Teil der
> lettischen Regierungskoalition, teilte Ministerpräsident Valdis
> Dombrovskis mit. Menschenrechtler sind entsetzt.
Bild: Ministerpräsident Valdis Dombrovskis sieht keinen Grund, die Nationale A…
STOCKHOLM taz | Die Parteiführung hört es nicht gern, wenn man "Visu
Latvijai!" ("Alles für Lettland!") als Neonazipartei bezeichnet oder ihr
faschistische Züge vorwirft. Doch wie anders soll man eine Partei
charakterisieren, die in Programmatik und Symbolik – bis hin zur
Parteiuniform mit der Runen-Armbinde – solche Bezüge ganz bewusst selbst
herstellt? Die Hunderttausende nur wegen ihrer ethnischen – russischen -
Herkunft aus dem Land deportieren möchte. Und deren Aktivisten vor allem
als Mitveranstalter der jährlichen Feiern der lettischen SS-Veteranen und
bei gewaltsamen Protesten gegen Schwule und Lesben von sich reden machen.
Die Rechtsaußenpartei übernimmt in Lettland nun erstmals
Regierungsverantwortung. Das kündigte der bisherige und künftige
Ministerpräsident Valdis Dombrovskis am Montagabend an. Neben dem
konservativ-liberalen Parteienbündnis "Einheit" ("Vienotība"), für das er
kandidierte und das bei den Wahlen im September drittstärkste Kraft
geworden war, und der damals zweitplatzierten "Zatlers Reformpartei"
("Zatlera reformu partija") des ehemaligen Staatspräsidenten Valdis Zatlers
ist die "Nationale Allianz" ("VL-TB/LNNK") zu der sich die rechtsnationale
Ex-Regierungspartei "Für Vaterland und Freiheit!" mit der rechtsextremen
"Alles für Lettland!" zusammengeschlossen hatten, Teil der neuen Koalition.
Der Sieger der Parlamentswahlen vom 17. September, das sozialdemokratische
"Harmonie-Zentrum" ("Saskaņas Centrs"), das 28,4 Prozent errungen hatte,
muss damit erneut in die Opposition.
##
Zatlers Reformpartei hatte sich eigentlich ausdrücklich für eine Koalition
unter Einschluss des Harmonie-Zentrums ausgesprochen. Auch mit der
Begründung, dass eine – erstmalige – Regierungsbeteiligung dieser Partei
dazu beitragen könne, die ethnischen Gräben in der Gesellschaft zu
überbrücken.
Das Harmonie-Zentrum repräsentiert vorwiegend den russischsprachigen
Bevölkerungsteil, stellt seit Sommer 2009 mit dem Parteichef Nils Ušakovs
auch den Oberbürgermeister der Hauptstadt Riga und konnte bei den letzten
Wahlen ihre Stimmenbasis jeweils deutlich verbreitern.
Es hatte sich nun koalitionswillig gezeigt und Ušakovs stellte ein
Zugeständnis in Aussicht, das die "Russen-Partei" bisher immer abgelehnt
hatte: Eine ausdrückliche Anerkennung, dass die Lettische Sowjetrepublik
zwischen 1940 und 1990 eine Okkupation des Landes durch Moskau gewesen sei.
Doch Dombrovskis und seine "Einheit" blockierten eine solche Koalition und
schlugen stattdessen eine von vorneherein unmögliche Konstellation vor:
Eine Koalition der nationalen Einheit, die sowohl das linke
Harmonie-Zentrum, wie die rechte Nationale Allianz einschliessen sollte.
Doch letztere wollte erwartungsgemäß nicht mit "den Russen" und das
Harmonie-Zentrum nicht mit den "Neonazis" an einem Tisch sitzen.
Der künftige Ministerpräsident Dombrovskis sagte, er sehe keinen Grund, die
Nationale Allianz wegen extremistischer Ansichten "zu bestrafen und in der
Opposition zu belassen". Das lettische Menschenrechtszentrum verbreitete
demgegenüber ein Statement, in dem es als "untragbar" bezeichnet wird, wenn
"Rechtsradikale nun Teil der Regierung eines EU-Landes werden".
Mit ihrer nationalistischen Propaganda und dem Ruf nach einem starken Staat
konnte die Nationale Allianz im von der Wirtschafts- und Finanzkrise stark
gebeutelten Lettland ihren Stimmenanteil gegenüber den Wahlen von 2010 auf
14 Prozent nahezu verdoppeln. Dombrovskis hat mit der Rechtsaußenpartei
vereinbart, dass diese in der Koalition beispielsweise keine Alleingänge
bei Themen wie "Repatriierung" der russischen Bevölkerung, dem Status der
russischen Sprache an den Schulen und Staatsbürgerschaftsfragen machen
dürfe.
In seiner Regierungserklärung will er laut Medienberichten betonen, dass es
unter rechtlichen und moralischen Gesichtspunkten in Lettland heute keine
"Okkupanten" mehr gebe. Der Nationale Allianz-Vorsitzende Raivis Dzintars
hat bereits klargemacht, dass das die Einschätzung seiner Partei nicht
ändere: In Lettland lebende Russen mit militärischem Hintergrund seien
Okkupanten, alle anderen "illegale Kolonialisten".
11 Oct 2011
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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