# taz.de -- Regierungsbildung in Lettland: Staatspräsident lässt Koalition pl… | |
> Andris Berzins lehnt ein Regierungsbündnis ohne Beteiligung der | |
> "Russen-Partei" als zu instabil ab. 3000 demonstrieren in Riga gegen | |
> ethnische Diskriminierung. | |
Bild: Anhänger des "Harmonie-Zentrums" demonstrieren am Montag in Riga gegen e… | |
STOCKHOLM taz | Die in Lettland geplante Koalitionsregierung unter | |
Einschluss der rechtsextremen "Nationalen Allianz" ist schon vor ihrem | |
Amtsantritt geplatzt. Anstatt wie erwartet zur ersten Sitzung des neuen | |
Parlaments am Montag den bisherigen Premier Valdis Dombrovskis auch mit der | |
Bildung einer neuen Regierung zu beauftragen, stoppte Staatspräsident | |
Andris Berzins die schon sicher geglaubte Koalition. Für diese hatte | |
Dombrovskis Ende vergangener Woche bereits die Ministerposten verteilt. Die | |
Begründung von Berzins: Diese Koalition sei nicht stabil genug, um eine | |
Legislaturperiode zu überstehen. | |
Unmittelbarer Anlass für Berzins Schritt war eine Spaltung in der Partei | |
von Valdis Zatlers - dem ehemaligen Staatspräsidenten, dessen Wiederwahl | |
Berzins im Juli vereitelt hatte. Am Sonntag hatten sechs | |
ParlamentarierInnen der "Zatlers-Reformpartei" ihren Austritt aus der | |
Partei erklärt und die Bildung einer unabhängigen Fraktion angekündigt. Als | |
Grund nannten sie undemokratische Entscheidungsprozesse in der Partei und | |
ein weitverbreitetes gegenseitiges Misstrauen. | |
In Zatlers neugegründeter Partei hatte sich in den vergangenen Wochen der | |
Unmut darüber verstärkt, wie ihr Parteivorsitzender sich von Dombrovskis | |
vorführen ließ. Obwohl stärkste Kraft in der Koalition, konnte sich die | |
Partei Zatlers nicht mit der von ihrer Fraktion einstimmig aufgestellten | |
Forderung nach einer Koalitionsbeteiligung des linken "Harmonie-Zentrums" | |
durchsetzen. Das "Harmonie-Zentrum", das vor allem die russischsprachige | |
Bevölkerungsgruppe repräsentiert, war bei den Parlamentswahlen im September | |
stärkste Partei geworden. Stattdessen drängte Dombrovskis auf eine | |
Regierungsbeteiligung der "Nationalen Allianz" - ein für viele liberale | |
Kräfte in der "Zatlers-Reformpartei" unmöglicher Koalitionspartner (taz v. | |
12. 10.). Mit der Spaltung dieser Partei verschwand auch die | |
parlamentarische Mehrheit der geplanten Koalition. Diese kommt nun auf 50 | |
der 100 Sitze. | |
Dass die Abtrünnigen ankündigten, eine Regierung Dombrovskis von Fall zu | |
Fall unterstützen zu wollen, reichte dem Staatschef nicht. Wenn eine | |
Regierung schon von Anfang an auf Abweichler angewiesen sei, könne von | |
Stabilität keine Rede sein. Berzins forderte die Parteien am Montag auf, | |
neue Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Das bedeutet wohl, dass er neue | |
Wege empfiehlt: eine erstmalige Regierungsbeteiligung der "Russenpartei". | |
Das forderten am Montag in Riga auch 3000 Anhänger des "Harmonie-Zentrums". | |
Mit Plakaten, Parteifahnen und Lautsprechern protestierte die Menge vor dem | |
lettischen Parlament dabei auch gegen ethnische Diskriminierung. | |
17 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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