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# taz.de -- Die Ukraine und Europa: Zurück in die Vergangenheit
> Mehrere Abkommen mit der Ukraine sind reif für die Unterzeichnung, doch
> die EU zögert. Das Urteil gegen Timoschenko ist eine Bestätigung für die
> Skeptiker.
Bild: Anhängerin Julia Timoschenkos vor dem Gericht am Dienstag.
BERLIN taz | "Die Position bezüglich des Falles Timoschenko ist klar. Wir
sind gegen die selektive Anwendung von Gesetzen. Wir haben die Ukraine
mehrmals dazu aufgefordert, dieses Verfahren transparent und gemäß dem
Buchstaben des Gesetzes durchzuführen. Uns beunruhigt sehr, was wir dort in
Kiew sehen", sagte die Sprecherin von Catherine Ashton, Hohe Vertreterin
der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der
Europäischen Kommission, bei einem Treffen der EU-Außenminister am Montag
in Luxemburg vor der Urteilsverkündung.
Nach dem Urteilsspruch vom Dienstag muss Brüssel nun Grund zur Beunruhigung
haben. Denn aller verbalen Warnschüsse zum Trotz - nicht zuletzt auch auf
dem EU-Osteuropagipfel in Warschau Ende September - wurde Julia Timoschenko
wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Dieser Schuldspruch bringt die EU in eine prekäre Lage. Denn die Ukraine
ist einer der bevorzugten Adressaten im Rahmen der 2009 gegründeten
Östlichen Partnerschaft - ein Instrument, mit dem Brüssel seine
Nachbarstaaten bei der Demokratisierung unterstützen und näher an Europa
heranführen will.
Doch seit dem Amtsantritt vom Staatspräsident Wiktor Janukowitsch im
Februar 2010 ist innenpolitisch genau der umgekehrte Prozess zu beobachten.
Von den Errungenschaften der Orange Revolution vor fast sieben Jahren ist
kaum noch etwas übrig geblieben. Statt weiter in Richtung demokratischer
Reformen zu gehen, ist das Land auf dem Weg zurück in die Vergangenheit,
sind Einschränkungen der Pressefreiheit, Manipulationen bei Wahlen und
Repressionen politischer Gegner wieder an der Tagesordnung.
## Bestätigung für Skeptiker
Dessen ungeachtet geriert sich Janukowitsch als der, für den eine
Annäherung an Europa eines seiner außenpolitischen Ziele ist. Die
Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der
EU, das auch eine Freihandelszone vorsieht, sind abgeschlossen. Bis
Jahresende soll die Vereinbarung unterschrieben sein. Im Juli bezeichnete
der ukrainische Außenminister Gryschenko das Abkommen noch als prioritär.
Zudem bestehe Kiew auf einer Festigung seiner europäischen Perspektive -
trotz der Skepsis einiger EU-Mitgliedstaaten.
Genau die dürften sich durch das Urteil gegen Julia Timoschenko bestätigt
fühlen. Bereits vor der Urteilsverkündung waren vermehrt Stimmen laut
geworden mit der Forderung, die Abkommen erst einmal auf Eis zu legen.
Kritiker eines solchen Schrittes führen wiederum ins Feld, dass die EU
dadurch ein entscheidendes Instrument aus der Hand geben würde, um auf
ihren Nachbarn im Sinne einer Öffnung und Liberalisierung Einfluss zu
nehmen. Und so machen derzeit Überlegungen die Runde, vorerst nur die Teile
des Abkommens zu unterzeichnen, die wirtschaftliche Fragen betreffen.
Die Osteuropaexpertin Marieluise Beck von den Grünen hält ein solches
Vorgehen für wenig zukunftsweisend. "Die EU steht im typischen Zwiespalt
zwischen einer wertegebundenen Außenpolitik und kurzfristigen
wirtschaftlichen Interessen", sagt sie. Auf lange Sicht werde eine
putinisierte Ukraine für die EU kein guter Partner sein.
Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat das Urteil scharf
kritisiert. Es werfe "ein sehr negatives Schlaglicht auf die
Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine", erklärte er in Berlin. Dies könne
nicht ohne Folgen bleiben.
12 Oct 2011
## AUTOREN
Barbara Oertel
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