# taz.de -- Netzneutralität in der Internetenquete: Einig, aber zerstritten | |
> Die Arbeit der Kommission geht schleppend voran. In der Sitzung um das | |
> wichtige Thema Netzneutralität bestimmt politische Taktierei das | |
> Geschehen. | |
Bild: Für viele schwierig zu durchschauen: Gesellschaft im digitalen Zeitalter. | |
Auch nach der Sommerpause ist die Atmosphäre in der Enquete-Kommission zur | |
Digitalen Gesellschaft giftig – Geschäftsordnungstricks und Tagespolitik | |
bestimmen das Geschehen. In der Sitzung vom Montag standen Netzneutralität, | |
Datenschutz und Gutachtenvergabe auf der Agenda und waren intensiv | |
umstritten. | |
Zentraler Tagesordnungspunkt war der Abschnitt des Zwischenberichts zur | |
Netzneutralität, also zu der Frage, ob alle Daten durch die | |
Internetprovider grundsätzlich gleich behandelt werden sollen. Darin waren | |
sich die Mitglieder – 17 Abgeordneten und 17 Sachverständige – auch | |
vordergründig einig: Alle sprachen sich für die Netzneutralität aus, doch | |
blieb umstritten, was das genau bedeutet und wie diese Neutralität | |
sicherzustellen sei. Darum wurde erbittert und teils mit persönlichen | |
Attacken gestritten. | |
Die Koalitionsparteien waren der Meinung, dass zumindest vorläufig auf den | |
Markt vertraut werden könne – er hätte bislang nicht versagt. Die | |
Oppositionsvertreter sahen dies anders und meinten, dass mit den von der | |
Regierungsfraktionsseite propagierten Ansätzen keine Markt funktionieren | |
könne, da die Transparenz und Bestrafung von Verstößen mangelhaft sei. | |
Zudem besteht offensichtlich Uneinigkeit in der Frage, ob die Einführung | |
sogenannter Diensteklassen selbst einen Verstoß gegen die Netzneutralität | |
darstellt oder mit dieser konform gehen könne. Am Ende, auch weil der von | |
der FDP nominierte Sachverständige padeluun gegen den Koalitions- und für | |
den Entwurf der Sachverständigen und Bundestagsmitglieder der Opposition | |
stimmte, herrschte ein 17 zu 17 Patt in der 34er-Runde – keine der Seiten | |
konnte für ihre Ansichten eine Mehrheit finden. | |
Einigkeit herrschte allein in der Ablehnung von Netzsperren, die den wohl | |
härtesten Eingriff in die Neutralität des Netzes darstellen. Für viele | |
Sachverständige war diese Ablehnung eine Selbstverständlichkeit, | |
insbesondere für die Unionsabgeordneten jedoch ein großer und innerhalb | |
ihrer Bundestagsfraktion umstrittener Schritt. Ob und inwieweit diese | |
weitergehend auszuschließen seien, als diese nur abzulehnen, blieb | |
umstritten. | |
## Koalitionsvertreter wollen doch keine Gutachten | |
Zuvor hatte sich die Kommission um die Vergabe von Gutachten zu den Themen | |
Netzneutralität und Urheberrecht gestritten. Nachdem sie vor der | |
Sommerpause beschlossen hatte, hierzu Studien auszuschreiben, wollten | |
Abgeordnete der Koalitionsfraktionen diesen Beschluss nun kippen. Ihr | |
Argument: die Antworten auf die Ausschreibung hätten ergeben, dass dazu | |
keine wissenschaftlichen Studien möglich seien – und dafür seien etwa | |
70.000 Euro pro Studie schlecht angelegt. | |
Das sahen die Vertreter der Opposition anders: nur weil einige potenzielle | |
Auftragnehmerinstitute die Studien so nicht durchführen wollten, hieße das | |
nicht, dass dies grundsätzlich nicht machbar sei. Tatsächlich hatten sich | |
vor allem solche Gutachter gefunden, die der Opposition nahe stehen – für | |
Urheberrecht beispielsweise ein Konsortium um den Rechtswissenschaftler | |
Till Kreutzer, der als Grünen-nah gilt. | |
Die Mehrheit aus Koalitionsabgeordneten und ihren Sachverständigen stoppte | |
die Gutachtenvergabe – mit der Folge, dass nun keinerlei Gutachten mehr in | |
diesem Jahr ausgeschrieben werden und das zur Verfügung stehende Geld | |
ungenutzt zurückgeht. | |
18 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Falk Lüke | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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