# taz.de -- Interview mit Umweltchef des Flughafens: "Grünkohl funktioniert wi… | |
> Die Umweltbelastungen durchs Fliegen lässt Jochen Heimberg von Bienen und | |
> Pflanzen testen. Zudem hofft der Umweltchef des Flughafens auf den | |
> technischen Fortschritt | |
Bild: Die Flughäfen können beeinflussen, ob bei ihnen eher laute oder eher le… | |
taz: Herr Heimberg, früher haben Sie die Öffentlichkeitsarbeit für den | |
Naturschutzbund Nabu gemanagt, heute leiten Sie die Umweltabteilung des | |
Flughafens BER. Sind Sie vom Paulus zum Saulus geworden? | |
Jochen Heimberg: Das sehe ich nicht so. Der Flughafen ist eine große | |
Infrastruktur-Einrichtung, die man wie andere Projekte gut oder weniger gut | |
betreiben kann. Und mein Ziel ist natürlich, dass wir das hier sehr gut | |
machen. Der Flughafen ist ja letztlich wie eine kleine Stadt, wir | |
produzieren Energie, hier fällt Abfall an, es geht um Verkehrsmanagement. | |
Umweltaspekte sollen hier möglichst optimal ablaufen, und dazu möchte ich | |
beitragen. | |
Sie sind jetzt ein gutes Jahr dabei. Was haben Sie bewirkt? | |
Die letzten Monate standen im Zeichen des Baus. Wir haben mit dem Terminal | |
einen energetisch sehr modernen Flughafen, wir haben ein eigenes | |
Blockheizkraftwerk, das Strom erzeugt und auch Wärme beziehungsweise Kälte. | |
Die Grundwärme und Kühlung des Terminals kommt aus der Erdwärme. Es ist | |
also nicht so, dass ich hier ein unbestelltes Feld übernommen hätte. | |
Und was haben Sie angestoßen? | |
Zunächst haben wir uns auf die Luftgütemessung konzentriert. Wir haben eine | |
Luftgütemessstelle am Ende der Nordbahn, die seit dem Sommer im | |
Probebetrieb läuft. Wir machen zusätzlich Bienenmonitoring; wir untersuchen | |
dabei Honig auf Rückstände, aber auch Waben und Pollen. Ein Stock steht am | |
Ende der Nordbahn, in Waßmannsdorf, einer in Rangsdorf. Letzteren haben wir | |
als Referenzstock, so weit fliegen die Bienen ja nicht. | |
Was kam bei dem Monitoring heraus? | |
Die Ergebnisse kommen im Frühjahr 2012. Wir haben das extra schon vor der | |
Eröffnung des neuen Flughafens gemacht, um später Veränderungen | |
dokumentieren zu können. | |
Leiden Bienen unter Fluglärm? | |
Das weiß ich nicht. Beim Bienenmonitoring geht es um Schadstoffe. Bei | |
Vögeln gibt es Untersuchungen, sie gewöhnen sich wohl relativ schnell an | |
Fluglärm. | |
Was hat es mit dem Grünkohlmonitoring auf sich? | |
Das ist ein standardisiertes Verfahren ebenfalls zur Schadstoffmessung. | |
Grünkohl funktioniert wie eine technische Messanlage. Er wird angezogen auf | |
Ständern, wir haben zehn Standorte im Umland. Grünkohl neigt dazu, | |
Schadstoffe zu sammeln und zu speichern. Zum Messen ist das von Vorteil. | |
Die Aussagekraft ist oft höher, als wenn ich eine technische Messanlage | |
habe. Denn so weiß ich, welche Stoffe in dem Lebensmittel stecken, das ich | |
später esse. | |
Was können Sie denn tun, wenn Sie überdurchschnittlich viele Schadstoffe im | |
Honig und im Grünkohl finden? | |
Das müssten wir uns dann anschauen. Wir arbeiten an Regelungen, die die | |
Nutzung von Hilfstriebwerken der Flugzeuge beschränken. Wo wir sicherlich | |
noch Verbesserungen erreichen können, ist bei den Fahrzeugen und | |
Generatoren, die hier auf der Baustelle und später auf dem Flughafen | |
herumfahren. Das greift aber schon in den operativen Bereich des | |
Flughafens, solche Maßnahmen verfolgen wir unabhängig von den | |
Monitoring-Ergebnissen. | |
Gibt es überhaupt eine Möglichkeit für den Flughafen, positive ökologische | |
Signale zu senden und nicht nur Negatives so weit wie möglich zu begrenzen? | |
Ein 0-Energie-Terminal ist leider sehr schwer vorstellbar, denn er benötigt | |
sehr viel Strom und Wärme. Auch das Beheizen von Hangars ist kompliziert, | |
da macht man einmal die Tore für ein Flugzeug auf, und schon ist die Wärme | |
draußen. Aber ein bisschen heizen muss man eben doch, weil ja Menschen in | |
den Hangars arbeiten. Denkbar ist zum Beispiel, dass die Gebäude für die | |
zukünftigen Satellitenterminals mit modernen Energiesystmen ausgestattet | |
werden. | |
Welche Satelliten? | |
Uns sind zwei weitere Terminals genehmigt worden, sollte die Kapazität des | |
jetzt im Bau befindlichen Terminals nicht mehr ausreichen. Es wären zwei | |
versetzte Gebäuderiegel westlich des Hauptterminals. | |
Was ist denn mit Kerosineinträgen im Boden? | |
Es gibt Altlasten aus DDR-Zeiten, die derzeit saniert werden. Für die | |
Zukunft kann ich das ausschließen. Wir haben ganz neue Tankanlagen. In | |
Tegel finden schon lange Altlasten- und Trinkwassermonitoring statt. Tegel | |
ist ja ein sehr alter Standort, lange waren dort die Alliierten. Der Umgang | |
mit den dort bekannten Altlasten ist mit dem Land Berlin geregelt worden. | |
Was hat es eigentlich mit der Diskussion über angeblichen Kerosin-Regen auf | |
sich? | |
Das ist ein Ammenmärchen. Es gab in den vergangenen fünf Jahren einen | |
einzigen Fall in Berlin/Brandenburg, in dem Kerosin in der Luft abgelassen | |
werden musste, weil eine Maschine technische Schwierigkeiten hatte. Im | |
Übrigen verflüchtigt sich Kerosin sehr schnell, es kommt also nicht auf dem | |
Boden an. Von Kerosinregen oder Kerosinnebel kann nicht die Rede sein. | |
Woher kommt das Kerosin für die Maschinen? | |
Aus der Region. In Schwedt steht eine große Raffinerie, von dort kommt es | |
mit Tankzügen. | |
Gehen Umweltstrategien so weit, Wohngebäude in der Nähe zu bauen für die | |
erwarteten Arbeitskräfte? | |
Für die Klimabilanz wäre es natürlich positiv, wenn unsere Mitarbeiter und | |
Dienstleister in der Umgebung wohnen. Wir werden ihnen aber nicht | |
vorschreiben können, wo sie zu wohnen haben. | |
Wie kommen Sie zur Arbeit? | |
Ich fahre mit dem Rad aus Bohnsdorf, wann immer es möglich ist. Im Winter | |
nehme ich auch mal das Auto. | |
Sie wohnen in Bohnsdorf im Prinzip in der Einflugschneise. Keine Angst vor | |
übermäßigem Krach? | |
Ich höre die Flugzeuge schon. Angst habe ich nicht. Ich glaube, ich habe | |
eine relativ realistische Einschätzung über die zu erwartenden Lautstärken. | |
Sie haben im Sommer Ihre Lärmmessungen ausgeweitet, etwa auf den | |
Schwielowsee, wo die Menschen unerträgliche Lebensbedingungen befürchten. | |
Was kam dabei heraus? | |
Es entsteht schon Lärm, aber einer, der sich sehr an den Umgebungslärm | |
annähert. Man muss schon aufpassen, dass die Vögel dann nicht lauter sind | |
als die Flugzeuge. Es ist nicht mit dem vergleichbar, was im | |
Flughafenumfeld zu hören ist. Übrigens kann man in der Langzeitbeobachtung | |
sehr gut verfolgen, dass Flugzeuge insgesamt leiser werden. Es gab in Tegel | |
2006 noch 1.746 Flugzeuge der Lärmklasse 5, die in der Luft so laut sind, | |
wie wenn man am Straßenrand einer Hauptstraße steht. Im vergangenen Jahr | |
waren es 27 Prozent weniger. In Schönefeld waren es gar 75 Prozent weniger | |
in dieser Klasse. Die Tendenz ist also: Die Flugzeuge, die die Beschwerden | |
verursachen, werden weniger - und das bei steigendem Verkehrsaufkommen. | |
Denn die leiseren Flugzeuge, und das sage ich als Bohnsdorfer, die hören | |
Sie zwar, sie stören aber nicht in dem Maße. | |
Was machen Sie eigentlich, wenn alles gemessen und in die Wege geleitet | |
ist? | |
Oh, es gibt dann sicher neue Techniken, die es auszuprobieren gilt. Denken | |
Sie an unseren Fuhrpark: Noch ist der nicht mit alternativen Antrieben wie | |
Elektromotoren ausgestattet, aber da wollen wir vorne mit dabei sein. | |
Können Sie als Umweltvertreter des Flughafens einen Ausbau mittragen, wie | |
er jetzt im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU festgeschrieben werden | |
soll? | |
Wenn der Bedarf da ist, viele Leute Berlin besuchen wollen, es der Stadt | |
gut geht, dann wird auch die Zahl der Passagiere wachsen, und der Flughafen | |
wird sich daran anpassen. Aber wir haben ja Kapazitäten, wir haben ein | |
Terminal, das genehmigt ist, und zwei ebenfalls genehmigte Satelliten, | |
damit können wir bis zu 45 Millionen Passagiere im Jahr abfertigen. Derzeit | |
haben wir 22 Millionen! Wir freuen uns, wenn wir kontinuierlich wachsen, | |
wir haben viel Luft nach oben. | |
Wie kritisch sehen Sie solches Wachstum? | |
Ich will niemandem vorschreiben, wie er zu reisen oder Dienstfahrten zu | |
tätigen hat. Unsere Aufgabe ist es, den Flugbetrieb möglichst verträglich | |
fürs Umland zu gestalten. Wir werden uns zum Beispiel die Lärmklassen für | |
Flugzeuge noch einmal anschauen … | |
… also die Gebührenordnungen für Flugzeuge je nachdem, wie laut sie sind �… | |
… und wollen gegebenenfalls mehr Lärmklassen einführen. Wir wollen uns den | |
Betrieb nach der Eröffnung anschauen und ganz laute Maschinen möglichst | |
rausfiltern, immerhin sind wir ein stadtnaher Flughafen. Das geht natürlich | |
nur im Dialog mit den Fluggesellschaften. | |
Spüren Sie bei Gesprächen mit den Unternehmen allgemein eine Bereitschaft, | |
sich solcher Themen anzunehmen - oder rollen die beim Thema Umwelt nur mit | |
den Augen? Ich denke da zum Beispiel an Billigflieger wie Ryanair. | |
Ich will gar nicht auf Ryanair schimpfen, weil gerade die Low-Cost-Carrier | |
die sind, die sehr modernes Fluggerät einsetzen, das am meisten Kerosin | |
spart. Das sind auch die Maschinen, die am leisesten sind. Ich glaube, die | |
Umweltentwicklung wird von allen gesehen. Das ist so, wie wenn man heute | |
ein Haus baut. Sie können gar kein Haus mehr bauen, das energetisch auf dem | |
Stand von vor 20 Jahren wäre. Sie werden keinen mehr finden, der Ihnen das | |
anbietet. Tatsächlich werden Flugzeuge seit Jahren immer leiser und | |
verbrauchen immer weniger Kerosin. Uns muss gelingen, dass die positiven | |
Entwicklungen des technischen Fortschritts nicht durch den Anstieg des | |
Luftverkehrs insgesamt wieder aufgezehrt werden. Das wird die eigentliche | |
Herausforderung der kommenden Jahre. | |
31 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Kristina Pezzei | |
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