# taz.de -- Flugrouten: Vor dem großen Lärm | |
> Eins steht fest: In Blankenfelde und Mahlow wird es nach BBI-Eröffnung | |
> brutal laut. Die Stimmung ist entsprechend, die BewohnerInnen fühlen sich | |
> wie Bürger zweiter Klasse. | |
Bild: Volle Röhre - trotz aller Proteste kriegen Mahlow und Blankenfelde jetzt… | |
Mahlow an einem Mittwochvormittag: Zwei Rentner stehen vor dem | |
Zeitungsladen und unterhalten sich über das Fernsehprogramm. Die | |
Blumenhändlerin richtet Gestecke vor dem Schaufenster, der Bäcker hat | |
Kaffeetische auf den Gehweg gestellt, zwei Frauen trinken dort Kaffee. Es | |
herrscht Kleinstadtidylle - noch: Wenn im Sommer 2012 der Flughafen Berlin | |
Brandenburg International (BBI) im fünf Kilometer entfernten Schönefeld in | |
Betrieb geht, wird es am Himmel über Mahlow und dem angrenzenden | |
Blankenfelde laut. Im Minutentakt werden Flugzeuge über die Köpfe der | |
Bewohner hinwegdonnern. Die von der Deutschen Flugsicherung im September | |
vorgeschlagenen abknickenden Flugrouten hätten das Gebiet vom Abfluglärm | |
verschont - daraus wird nach den jüngsten Plänen wohl nichts. | |
"Wir fühlen uns wie Bürger zweiter Klasse", sagt Uta Krebs. "Im September | |
dachten wir, alles ist hinfällig, wir werden entlastet - und jetzt?" Die | |
Menschen in ihrer Siedlung glaubten "gar nichts mehr". Mahlow und | |
Blankenfelde, seit der Gebietsreform eine Verwaltungsgemeinde, sind seit | |
der Wende stark gewachsen. Aus zwei Brandenburger Dörfern wurde ein mehr | |
als 25.000 Einwohner starkes Speckgürtelkonglomerat. Die Menschen | |
protestierten Ende der 90er lautstark gegen die Entscheidung für den | |
Flughafebstandort Schönefeld - doch keiner hörte sie an. Weder die Medien | |
noch die Politiker in Berlin und Brandenburg. Umso frustrierter sind die | |
Demonstranten von damals, dass der Protest der gutbürgerlichen Ortsteile im | |
Berliner Südwesten jetzt so viel Widerhall gefunden hat. | |
"Die haben alle gedacht, Schönefeld liegt in Sibirien", schimpft Horst von | |
Norsinski. Er lebt seit Jahrzehnten in Mahlow: ein rüstiger Rentner, | |
breitschultrig, mit Schiebermütze auf dem Kopf. Er verschränkt die Arme. | |
"Als die Entscheidung für den Flughafen fiel, habe ich einem Anwalt 1.500 | |
Mark gegeben, damit er klagt." Er verlor. Das Vertrauen in die Politik hat | |
von Norsinski gleich mit verloren - nicht nur das in die Berliner, auch das | |
in seine Landesregierung. "Unserem Herrn Platzeck reicht es ja nicht, dass | |
der Flughafen kommt, er will auch noch die Luftfahrtschau." Wenn die | |
Jagdflugzeuge über sein Haus donnerten, fühle er sich "an den Weltkrieg | |
erinnert". | |
Laut oder sichtbar werde die Wut der Bewohner aber kaum noch, sagt | |
Bürgermeister Ortwin Baier (SPD). "Die Leute haben leider resigniert." Dass | |
andere gehört würden, obwohl sie viel weiter weg vom Flughafen wohnten, | |
verbittere viele. "Hier sitzen sie mit geballten Fäusten zu Hause und | |
denken, die Politiker machen ohnehin, was sie wollen." | |
Baier hat beobachtet, dass zu Protestkundgebungen und Infoveranstaltungen | |
im Ort immer weniger Menschen kommen. Er bekennt zudem, dass mancher den | |
BBI als Arbeitsplatz schätzt oder zumindest darauf hofft. | |
## Gerädert und erschöpft | |
Sylwia Skopek glaubt hingegen, die Frustrierten seien schon weggezogen. Die | |
Inhaberin des Mahlower Bioladens berichtet von mehreren Kunden, die ihre | |
teils nach der Wende gebauten Häuser aufgegeben hätten und nach Berlin | |
gezogen seien. Die Zurückgebliebenen seien gerädert, erschöpft und sähen | |
keinen Sinn mehr im Protestieren. "Dazu kommt der Preisverfall der Häuser. | |
Vielen fehlt inzwischen das Geld, um wegzuziehen." | |
Die Preise sind tatsächlich gesunken: Barbara Henke hat sich gerade in | |
Blankenfelde ein Häuschen aus den 30er Jahren gekauft, mit großem Garten. | |
"In Berlin hätte ich mir das nie leisten können", sagt sie. Ein Leben auf | |
dem Land sei ihr Traum gewesen, nun könne sie den verwirklichen. Der | |
Fluglärm werde schon nicht so schlimm werden, hofft die Exberlinerin. | |
Bürgermeister Baier hingegen würde seinen Einwohnern am liebsten eine | |
komplette Umsiedlung der Gemeinde anbieten. Juristen wie der | |
Flughafenexperte Elmar Giemulla haben Klagen, die auf solche | |
Entschädigungen abzielen, gute Chancen eingeräumt. Bislang mauere die | |
Flughafengesellschaft, sagt Baier dazu. Angeboten worden sei nur, einzelne | |
Schulen und Kitas zu verlegen - damit wäre aber nichts gewonnen. "Wir | |
verhandeln weiter", sagt er. | |
6 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Kristina Pezzei | |
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