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# taz.de -- Anonymous-Aktivisten gegen Facebook: "Das Internet ist meine Front"
> Das digitale Protestkollektiv Anonymous hat für den 5. November eine
> Attacke auf Facebook angekündigt. Ein Aktivist erklärt, was
> Facebook-Nutzern blühen soll.
Bild: Facebook bekommt ihre Gesichter nicht: Anonymous-Aktivisten.
taz: Du bezeichnest dich als Anon, als Element von Anonymous, das sich an
der Meinungsbildung und an der Durchführung von Aktionen beteiligt. Du bist
Anonymous. Warum eigentlich?
Auch du bist Anonymous. Du kannst es in jenem Augenblick sein, indem du
dich einer Aktion von Anonymous anschließt oder etwas im Namen von
Anonymous unternimmst. Ich habe mich entschieden Anonymous zu sein, weil
die Möglichkeit, frei sprechen zu können ohne die Gefahr, verfolgt zu
werden, bei Anonymous ideell einen hohen Stellenwert einnimmt. Seit zwei
Jahren verbinden sich die Aktionen von Anonymous fast immer mit politischem
Widerstand in irgendeiner Form.
Unter den Anons gibt es Linke, Anarchisten, Nazis, Kommunisten, Rassisten,
Marxisten, Hippies, Aufklärer, Bürgerliche, Revolutionäre … Ich selbst
lasse mich am ehesten als libertäre_r Sozialist_in einordnen. Ich bin
Anonymous, weil ich die Rechte auf informationelle Selbstbestimmung, auf
Freiheit von Zensur und auf Netzneutralität in der digitalen Welt
verteidigen will. Das Internet ist meine Front.
Und an dieser Front kämpft Anonymous jetzt gegen Facebook. "Bereiten Sie
sich auf einen Tag vor, der in die Geschichte eingehen wird: der 5.
November 2011 - Operation Facebook" heißt es in eurer Videobotschaft. Was
plant ihr denn?
Einen genauen Plan gibt es nicht. Das ist bei der dezentralen
Organisationsstruktur von Anonymous auch nicht verwunderlich. Eine
Presseerklärung von Anonymous wurde über die Webanwendung pastebin
veröffentlicht. Darin wird explizit darauf hingewiesen, dass es sich
diesmal nicht um eine Distributed-Denial-of-Service-Attacke, handeln soll,
also eine Attacke, bei der ein Server durch eine große Menge koordinierter
Anfragen von verschiedenen Rechnern überlastet wird. Sondern um eine
spam-artige Aufklärungskampagne.
Wie soll das aussehen?
In großen Massen sollen auf allen möglichen Kanälen Informationen darüber
verbreitet werden, was für Daten Facebook erhebt, wie diese Daten verwendet
werden und wie unmöglich es ist, diese zu löschen. Aber nicht jeder Anon
wird Lust haben, sich an solch eine Ansage zu halten. Anonymous ist ein
ziemlich anarchisches Kollektiv. Die Aktion wird sich jedoch nicht nur auf
Facebook abspielen, sondern auf dem gesamten Spielplatz von Anonymous - dem
Internet. Facebook soll so stark wie möglich geschädigt werden. Ziel ist
es, dass so viele Benutzer wie möglich Facebook verlassen. Die Server von
Facebook zu überlasten ist jedoch utopisch.
Weil deren Server-Kapazitäten für Anonymous viel zu groß sind?
Genau. Teil der Aktion wird auch sein, das System über speziell für den 5.
November angelegte Facebook-Profile mit Spam zu überziehen. Von diesen
Profilen gibt es jetzt schon ziemlich viele, schließlich braucht es Zeit
sich dort Zugang zu sämtlichen Kommentarfunktionen und Pinnwänden zu
verschaffen. Denkbar ist auch, dass Anonymous mit Spambots Nachrichten
verbreitet, das sind Programme, die für das automatische Versenden von Spam
geschrieben sind. Ich kann noch nicht sagen, ob ein solches Programm
speziell für Facebook schon existiert. Aber falls es eines gibt, wird es
sich bestimmt über die IRC-Chatserver von Anonymous verbreiten.
Warum ist es Anonymous nicht egal, wie Facebook mit den Daten seiner Nutzer
umgeht? Die haben den Nutzungsbedingungen doch freiwillig zugestimmt.
Genau wegen dieser sogenannten Freiwilligkeit ist Aufklärung bitter nötig.
Unsere Kritik richtet sich gegen die Datensammelwut der Firma Facebook und
dagegen, dass die Nutzer sich nicht im Klaren darüber sind, an wen Facebook
die gesammelten Daten verkauft und was für Konsequenzen das für sie hat.
Nutzer glauben, dass private Informationen privat bleiben. Da irren sie
sich. Das ist Anonymous nicht egal.
Glaubt ihr tatsächlich, dass sich Menschen von Anonymous überzeugen lassen?
In verschiedenen Ländern wurden einige Anons verhaftet, schließlich sind
eure Aktivitäten meist illegal. Wer hört schon auf eine Aufklärungskampagne
identitätsloser Verbrecher?
Wir haben keinen Ruf zu verlieren, denn der müsste sich ja auf eine
Identität beziehen. Anonymous hat aber keine Identität, denn Anonymous ist
nur ein Aushängeschild dessen sich jeder bedienen kann, um in einer
bestimmten Form in Aktion zu treten. Dass einige, die dieses Aushängeschild
benutzt haben, verhaftet wurden, heißt nur, dass die Justiz sich Schuldige
herausgepickt hat, um diese exemplarisch zu verurteilen. Doch angeklagt ist
eigentlich die ganze Bewegung. Wenn sich jemand von uns überzeugen lässt,
passiert das, weil wir gute Argumente haben.
Wenn eure Argumente gut sind, warum tretet ihr dann nicht mit euren Namen
und Gesichtern an die Öffentlichkeit?
Um das zu beantworten, muss man das etablierte Vorurteil hinterfragen,
warum eine Person, die für Rechte und Freiheit eintreten will, immer mit
offenem Visier zu kämpfen hat. Besonders wenn es politische Konsequenzen
nach sich zieht. Das war bis zum Ende der Französischen Revolution anders,
da war es Autoren gestattet, im Schutz der Anonymität zum politischen
Widerstand aufzurufen.
Aus der Pflicht zur Namensnennung entsteht heute eine absurde
Ritterromantik, denn wer seinen Namen nennt, riskiert Repression. Wir
kämpfen gegen die bestehende Gesellschaftsordnung. Wer da sein Gesicht der
Öffentlichkeit zeigt, wird schnell zum Ziel staatlicher Verfolgung. Die
Verhaftungen von Anons zeigen, wie wichtig der Schutz unserer Anonymität
ist, um dem Druck von staatlicher Seite zu entgehen.
Wann bist du eigentlich das erste Mal Anonymous geworden?
Zum ersten Mal habe ich mich im Herbst 2010 an einer Aktion von Anonymous
beteiligt, als von der spanischen Regierung strenge Gesetze gegen
Filesharing erlassen wurden.
Und was hat dich damals dazu getrieben?
Die Wut über die Einschränkung der Freiheit des Einzelnen - wenn auch "nur"
in der digitalen Welt. Unter unseren DDoS-Attacken ist die Webseite des
spanischen Ministeriums für Kultur dann zusammengebrochen.
Auch wenn es bei eurem anarchistischen Kollektiv wahrscheinlich schwer zu
prognostizieren ist: Was genau erwartet Facebook-Nutzer denn nun am 5.
November?
Eine Überraschung! Es kann sein, dass die Aktion riesengroß wird und
Hunderttausende Facebook verlassen. Vielleicht schweigen aber auch die
Vöglein im Walde. Anonymous muss nicht zwangsläufig tun, was es selbst
angekündigt hat.
Das würde doch bedeuten, dass Anonymous ernstzunehmende
Mobilisierungsprobleme hat. Vielleicht sind eure Kommunikationsstrukturen
einfach nicht mehr tragfähig genug, um die Gruppe zusammenzuhalten?
Anonymous hat keine Probleme. Wenn Anonymous sich in eine Richtung bewegen
will, tut es das auch - weil es das will. Es gibt auch keine besseren
Kommunikationsstrukturen als die Foren und Chatrooms, in denen wir
miteinander sprechen. Anonymous wird nur als anarchistisches Kollektiv
funktionieren. Danach richten sich die Mittel unserer Kommunikation:
dezentral, hierarchiefrei, heterogen. Die Frage ist nur, ob diese
Kommunikationsstrukturen weiterhin dafür ausreichen werden, um eine
Schwarmintelligenz zu bilden. Die Gefahr ist immer, dass die Gruppe auf
Grund ihrer Heterogenität zerfällt. Bei der "Operation Facebook" ist diese
Gefahr besonders groß. Ob wir dennoch Facebook durch den Dreck ziehen
können, wird sich am 5. November zeigen.
Dieses Interview wurde in einem Internet Relay Chat (IRC) geführt. In
diesen anonymen Chaträumen tauschen Anons sich aus, planen Aktionen und
mobilisieren für ihre Operationen.
4 Nov 2011
## AUTOREN
Alissa Starodub
## TAGS
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
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