Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- SPD-Parteitag für Koalition: Votum für Rot-Schwarz
> Nur 79 Prozent der Delegierten stimmen beim SPD-Landesparteitag am
> Montagabend für den Koalitionsvertrag mit der CDU.
Bild: Klaus Wowereit beim SPD-Parteiitag am Montagabend
Den größten Beifall beim Landesparteitag der Berliner SPD bekam kein
Sozialdemokrat, sondern Harald Wolf. Dem noch amtierenden
Wirtschaftssenator der Linken sprach der Regierende Bürgermeister Klaus
Wowereit (SPD) ausdrücklich seinen Dank aus, und die 227 Delegierten
quittierten die Geste mit einem Applaus, in dem auch ein wenig Wehmut lag.
Zehn Jahre lang hat Wowereits SPD mit der PDS/Linkspartei regiert – und
wäre es nach den Sozialdemokraten gegangen, hätten es weitere fünf Jahre
sein können. Stattdessen mussten die Delegierten am Montagabend im
überfüllten Leonardo Royal Hotel [1][den Koalitionsvertrag mit der CDU]
abnicken. Auch für die „größte Selbsthilfegruppe der Stadt“, wie
Ex-SPD-Chef Peter Strieder seinen Laden einst nannte, keine einfache
Aufgabe.
Am Ergebnis der Abstimmung, das stand schon vorher fest, gab es zwar keinen
Zweifel. Dennoch fiel die Zustimmung deutlich geringer aus als erwartet.
176 Delegierte stimmten mit Ja, sieben enthielten sich. Mit Nein stimmten
in der geheimen Abstimmung 39 Delegierte. Damit stimmten nur 79 Prozent der
Delegierten dem Bündnis mit der CDU zu. [2][Bei der CDU lag die Zustimmung
bei hundert Prozent.]
Schon zu Beginn des insgesamt vier Stunden dauernden Beitrags hatte Klaus
Wowereit noch einmal daran erinnert, dass die CDU nicht der Wunschpartner
der SPD war. „Da gab es ja keinen Jubel“, rief er den Delegierten zu. „Es
war eine reine Verstandesentscheidung.“ SPD Landes- und Fraktionschef
Michael Müller ging noch einen Schritt weiter. „An die CDU muss man sich
erst noch gewöhnen. Es ist immer noch nicht einfach, mit Herrn Steffel zu
verhandeln“, sagte Müller an die Adresse des einstigen
CDU-Spitzenkandidaten Frank Steffel. „Aber die Koalitionsverhandlungen
waren gute erste Schritte in ein neues Bündnis.“
Dass Rot-Schwarz für die Sozialdemokraten kein Spaziergang wird, war
bereits vor dem Parteitag ersichtlich. [3][Etwa hundert Demonstranten
hatten sich vor dem Hotel in der Otto-Braun-Straße nahe dem Alexanderplatz
versammelt.] Dass die SPD-Delegierten den 98 Seiten starken
Koalitionsvertrag ablehnen werden, erwarteten auch die Protestierer nicht.
Jedem, der das Hotel betrat, riefen sie sarkastisch entgegen: „Und wieder
ein Delegierter, der uns verkaufen wird.“
Es waren vor allem S-Bahner der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG,
die von der SPD enttäuscht waren. In vielen Punkten haben sich die
Sozialdemokraten gegenüber der CDU durchgesetzt. Die CDU dagegen konnte mit
der Ankündigung punkten, einen Teil der S-Bahnstrecken auszuschreiben,
falls die Deutsche Bahn ihre Tochter nicht ans Land Berlin verkauft. Die
S-Bahn, hieß es auf einem Flugblatt, dass die Gewerkschafter den
SPD-Delegierten in die Hand drückten, „soll für den Machterhalt der
Berliner SPD und das Entstehen einer großen Koalition mit der ebenfalls
machthungrigen CDU in Berlin geopfert werden“.
In seiner Rede kritisierte Klaus Wowereit noch einmal den ehemaligen
Wunschpartner, die Grünen. „Die A 100 war nur ein Symbol“, sagte der
Regierende zum ehemaligen Wunschpartner der SPD. „Wir wären bei vielen
anderen Themen immer wieder an denselben Punkt gekommen.“ Die Sondierungen
mit den Grünen und den Abbruch der Koalitionsverhandlungen nach nur einer
Stunde nannte Wowereit ein „Desaster“. Die Verantwortung dabei habe aber
eindeutig bei den Grünen gelegen. „In den Sondierungen hatte man manchmal
das Gefühl, dass da nicht eine Partei auftrat, sondern zwei oder gar drei
Parteien.“ Wowereits Fazit. „Die Grünen sind nicht regierungsfähig.“
Zumindest nicht in Berlin. Die Bundesgrünen nahm der Regierungschef von der
Schelte ausdrücklich aus.
In der mehr als zweistündigen Debatte leckten die meisten Rednerinnen und
Redner nicht mehr die Wunden von gestern, sondern richteten den Blick nach
vorne. So lobte die Bundestagsabgeordnete Eva Högl die frauenpolitischen
Aussagen im Koalitionsvertrag. „Da bin ich sehr zufrieden.“ Das Lob Högls
ist aber auch eine Mahnung an den Regierenden, bei der Besetzung der vier
Senatsposten auch zwei Frauen zum Zug kommen zu lassen.
Auch der Sprecher der SPD-Linken, Mark Rackles, betonte, dass er „zu
hundert Prozent“ hinter dem Koalitionsvertrag stehe. Neben den Vertrag, so
Rackles, müsse man aber einen zweiten legen, nämlich das, was nicht drin
stehe. Reckles nannte das die „Giftliste“ Sein Fazit: „Die CDU ist nicht
der natürliche Bündnispartner, sondern der Gegenpol der SPD.“
Michael Müller hingegen lobte nicht nur den Koalitionsvertrag, von dem er
sagte, er sei „mit roter Tinte geschrieben“, sondern auch die
Ressortverteilung. „Wir haben die gestaltenden Ressorts bekommen. Und wir
haben mit Finanzen und Stadtentwicklung auch die großen
Querschnittsressorts bekommen.“ Vor allem mit der Stadtentwicklung, so der
Landeschef, könne man die Stadt regieren. Das kann man auch als
Bewerbungsrede für dieses Amt verstehen – umso mehr, als das
Wirtschaftsressort, mit dem Müller auch liebäugelte, an die CDU geht.
Die Faust in der Tasche hatten die Genossen also nicht, als sie dem Bündnis
mit der CDU den Segen gaben. Ganz wohl war ihnen aber auch nicht. Und ein
bisschen hatten sie auch noch Probleme mit dem politischen Kompass, wie ein
Fauxpass zu Beginn des Parteitags zeigte. Da begrüßte
SPD-Landesgeschäftsführer Rolf Wiegand auch einen Vertreter der spanischen
Sozialisten – und wünschte ihnen viel Erfolg bei den Wahlen. Dass diese am
Sonntag mit einem Debakel für die Schwesterpartei endeten, muss an der SPD
vor lauter Aufregung um die neue Koalition irgendwie vorbeigegangen sein.
21 Nov 2011
## LINKS
[1] /Koalitionsvertrag-/!82325/
[2] /CDU-Parteitag-fuer-Koalition/!82336/
[3] /Koalitionsparteitag-der-SPD/!82332/
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vorbereitung der A 100: Räumung gestoppt
Das Bundesverwaltungsgericht untersagt dem Senat, Pflanzen und Bäume von
dem Gelände der künftigen Trasse zu entfernen.
Sitzplan nennt Senatsriege: Kolat, Heilmann, Seibeld und Ziegler
Geheime Senatorenliste im Abgeordnetenhaus aufgetaucht. Klaus Wowereit
bekommt bei seiner Wiederwahl zwei Stimmen weniger, als seine Koalition
Sitze hat.
Koalitionsdeal von SPD und CDU in Berlin: "Liebeserklärung an unsere Stadt"
Die große Koalition steht: Die SPD spricht von einem mit roter Tinte
geschriebenen Vertrag, die CDU sagt, beide Seiten würden sich darin
wiederfinden.
CDU-Parteitag für Koalition: Wie in des Kaiser neuen Kleidern
Beim CDU-Parteitag kritisiert nicht ein einziger der rund 300 Delegierten
die magere Ausbeute in den Verhandlungen mit der SPD. Einstimmige
Zustimmung zum Koalitionsvertrag.
Koalitionsvertrag: Berlin bleibt doch Berlin
Am Montag haben SPD und CDU über den Koalitionsvertrag abgestimmt. Was
steht da eigentlich drin?
Koalitionsparteitag der SPD: Proteste vor der Tür
Vor dem SPD-Parteitag zur Billigung des Koalitionsvertrags demonstrieren
Gewerkschafter gegen eine Ausschreibung der S-Bahn. Eine Ablehnung erwartet
niemand.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.