# taz.de -- Neuregelung zum Transplantationsgesetz: Staat darf nach Organspende… | |
> Das Parlament will die Organspende neu regeln: Mit regelmäßigen Abfragen, | |
> etwa beim Versand der Versicherungskarten. Wer nicht antwortet wird aber | |
> nicht bestraft. | |
Bild: Die "erweiterte Zustimmungslösung" soll eine "Erklärungslösung" werden. | |
BERLIN taz | Nach monatelangem politischen Ringen ist der Weg für eine | |
gesetzliche Neuregelung der Organspende frei. Die Spitzen aller | |
Bundestagsfraktionen und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) | |
einigten sich am Donnerstag in Berlin darauf, dass künftig jede Bürgerin | |
und jeder Bürger regelmäßig darüber Auskunft geben soll, ob er im Fall | |
seines Hirntods zur Organspende bereit ist. | |
Ein entsprechender, fraktionsübergreifender Gesetzentwurf werde bis | |
Jahresende von den Ethikexperten der Fraktionen erarbeitet. Damit verbunden | |
ist die Hoffnung, dass die Zahl potenzieller Organspender steigt. | |
Die Abfrage solle künftig etwa beim Versand der Versichertenkarte erfolgen, | |
und zwar "mit so viel Nachdruck wie möglich, ohne jedoch eine Antwort zu | |
erzwingen oder Sanktionen auszuüben", heißt es in der Erklärung von Union, | |
SPD, FDP und Linkspartei. Wer nicht antwortet, wird also auch nicht | |
bestraft. | |
Mit der Neuregelung wird die heutige im Transplantationsgesetz verankerte | |
"erweiterte Zustimmungslösung" ersetzt, nach der Organe nur entnommen | |
werden dürfen, wenn der Verstorbene vor seinem Tod zugestimmt hat oder | |
seine Angehörigen in eine Transplantation einwilligen. Künftig soll die | |
"Erklärungslösung" gelten, nach der der Staat die Bürger zu einem Votum | |
anhalten darf. | |
Die Fraktionsspitzen werteten die Einigung als Erfolg: Die | |
gesellschaftspolitische Bedeutung der Organspende werde dadurch gewürdigt, | |
dass die gesetzliche Neuregelung aus der Mitte des Parlaments entspringe - | |
und nicht etwa, wie zunächst vorgesehen, per schlichtem Änderungsantrag des | |
Gesundheitsministers erfolge. | |
Jährlich warten in Deutschland 12.000 Menschen auf ein Organ. Rund 1.000 | |
von ihnen sterben infolge des Mangels. Die Spenderrate liegt mit 16 | |
Spendern pro eine Million Einwohner im unteren europäischen Mittel. | |
Bei Anhörungen vor dem Deutschen Bundestag hatten Experten von der | |
Bundesärztekammer, der Transplantationschirurgie und der Kirchen in diesem | |
Sommer jedoch deutlich gemacht, dass allein der Wechsel von der | |
Zustimmungs- zur Erklärungslösung keinen zwingenden Anstieg der | |
Spenderzahlen zur Folge haben könnte. | |
Nötig seien vielmehr eine bessere Aufklärung und höhere Transparenz über | |
Umstände und Ablauf von Organentnahmen, der ihnen vorhergehenden | |
Hirntoddiagnostik sowie der Befugnisse der vor allem nichtstaatlichen | |
Institutionen, die in Deutschland die Organspende verantworten. | |
24 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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