# taz.de -- Studien zur Gesundheitsversorgung: Mit Seelenpein zum Hausarzt | |
> Längst nicht alle seelisch Angeknacksten machen eine Psychotherapie. Fast | |
> die Hälfte der Patienten mit schweren Depressionen wird nur hausärztlich | |
> behandelt. | |
Bild: Trauen sich nicht zum Therapeuten: Zwei Drittel aller PatientInnen mit ps… | |
BERLIN taz | Über zwei Drittel der Menschen mit einer psychiatrischen oder | |
psychosomatischen Diagnose gehen nur zu Hausärzten oder anderen Ärzten ohne | |
psychiatrische Spezialisierungen. Nur ein Drittel sucht einen Psychiater | |
auf oder beginnt gar eine längere Therapie. Dies geht aus Studien zur | |
Versorgung hervor, die am heutigen Freitag auf dem Jahreskongress der | |
Psychiatervereinigung DGPPN in Berlin vorgestellt werden. | |
Bei einem Drittel von erfassten zehn Millionen Versicherten dreier | |
Krankenkassen wurde innerhalb von drei Jahren eine seelische Störung | |
diagnostiziert. So belegen es Zahlen des Düsseldorfer Psychiaters und | |
Klinikleiters Wolfgang Gaebel. Nur knapp jeder 16. der Erkrankten wurde | |
stationär aufgenommen. 45 Prozent der Leute mit schweren Depressionen | |
wurden ausschließlich von Allgemeinmedizinern oder anderen somatischen | |
Ärzten behandelt. | |
Die Psychiater fordern eine bessere "Basisversorgung" der Erkrankten durch | |
Psychiater und Hausärzte auch jenseits einer längeren Sprechtherapie mit | |
vielen Behandlungsstunden. Der Lübecker Psychiater und Klinikleiter Fritz | |
Hohagen, Weiterbildungsbeauftragter der DGPPN, erklärte, bei den nur | |
"Basisversorgten" handele es sich keineswegs um die leichter Erkrankten - | |
im Gegenteil. | |
Menschen mit einer Psychose etwa könnten eine mehrmonatige Behandlung mit | |
jeweils 50-minütigen Gesprächen oftmals "gar nicht durchhalten". Auch | |
chronisch Erkrankte seien auf die Basisversorgung angewiesen. Sie bräuchten | |
in diesem Rahmen mehr kürzere psychotherapeutische Interventionen durch | |
Fachärzte. | |
## Drei Monate für Therapieplatz | |
In Deutschland mangele es an der Vernetzung zwischen Kliniken und | |
ambulanten Therapien, sagte Hohagen. Allerdings sei Deutschland | |
unangefochten, was die Versorgung mit kassenfinanzierten Psychotherapien | |
betreffe: In keinem anderen Land sind diese Verbaltherapien so wie hier | |
prinzipiell jedem Krankenversicherten zugänglich. Die Krankenkassen zahlen | |
in Deutschland Behandlungen mit mindestens 25 Gesprächseinheiten à 50 | |
Minuten, entweder in Verhaltenstherapie oder in den analytisch orientierten | |
Verfahren. Laut Umfrage der Bundespsychotherapeutenkammer muss man im | |
Schnitt drei Monate auf einen Therapieplatz warten. | |
Die Richtlinienpsychotherapie ist allerdings relativ teuer. Zwei Drittel | |
des Budgets für die Behandlung von psychisch Erkrankten gehen an nur ein | |
Drittel der Patienten, die mit den längeren Sprechtherapien versorgt | |
werden. Die anderen, darunter viele chronisch Erkrankte, müssen mit der | |
knapp bemessenen Gesprächszeit bei Psychiatern oder Hausärzten auskommen, | |
die vor allem Medikamente verordnen. Hohagen möchte aber auf keinen Fall | |
die Behandlungsmöglichkeiten gegeneinander ausspielen. "Wir bräuchten | |
höhere Budgets für die Basisversorgung und mehr Psychotherapieplätze". | |
Im europäischen Ausland sind der stationäre und der ambulante Bereich | |
mitunter besser vernetzt. In Großbritannien beispielsweise, schildert | |
Hohagen, suchen Sozialarbeiter, Pflegekräfte und Ärzte die schwerer | |
Erkrankten auch zu Hause auf. | |
25 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Studie der Kassenärzte: Warten auf den Doc | |
Eine Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung ergab lange Wartezeiten für | |
gesetzlich Versicherte. Auch fühlten sich Patienten zu privat bezahlten | |
Zusatzleistungen gedrängt. | |
FDP will neues Fortpflanzungsgesetz: Die Freiheit der Entscheidung | |
Die FDP-Abgeordnete Ulrike Flach möchte ein "Fortpflanzungsmedizingesetz" | |
auf den Weg bringen. Darin soll unter anderem die Eizellspende erlaubt | |
werden. | |
Bremer Kliniken: Nachfolgersuche ohne Vorwarnung | |
Die Leitung der Gesundheit Nord will, dass weitere Chefärzte gehen. | |
Unterdessen stoppt das Klinikum Nord wegen resistenter Keime vorübergehend | |
die Notaufnahme | |
Fragwürdige Säuglingsnahrung: Nur "nach dem Vorbild" der Natur | |
Muttermilchersatznahrung ist nicht so gut, wie die Hersteller das in der | |
Werbung suggerieren. Zweifelhafte Gesundheitsversprechen rufen nun | |
Kinderärzte auf den Plan. | |
Neuregelung zum Transplantationsgesetz: Staat darf nach Organspende fragen | |
Das Parlament will die Organspende neu regeln: Mit regelmäßigen Abfragen, | |
etwa beim Versand der Versicherungskarten. Wer nicht antwortet wird aber | |
nicht bestraft. | |
Abhängigkeit vom Psychotherapeuten: Keiner versteht mich so wie er | |
Eine Psychotherapie ist eine „hoch asymmetrische Beziehung“ und kann | |
durchaus Nebenwirkungen haben. Etwa Abhängigkeit vom Therapeuten oder | |
Problemfixierung. |