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# taz.de -- Ölpest vor Brasiliens Küste: Bohrverbot für Chevron
> Nach dem Unfall im Ölfeld vor der Küste Brasiliens muss der US-Konzern
> Chevron sämtliche Bohrungen im Land einstellen. Die Gefahr ist noch immer
> nicht gebannt.
Bild: Schaurig-schönes Ölgemälde: Meeresverschmutzung vor der Küste von Rio…
PORTO ALEGRE taz | Die derzeitige Ölpest vor der Küste von Rio de Janeiro
könnte ausländische Ölmultis teuer zu stehen kommen: Präsidentin Dilma
Rousseff hat am Mittwoch verfügt, dass Chevron seine Ölbohrungen in ganz
Brasilien einstellen muss.
Dies gelte, bis Ursachen und Verantwortliche für die Ölpest im
Campos-Becken ermittelt sowie die Sicherheitsbedingungen in dem Gebiet
wiederhergestellt seien, erklärte die Ölagentur ANP. Dem US-Konzern warf
sie "Fahrlässigkeit bei der Ermittlung fundamentaler Daten für die
Bohrungen" vor.
Auch ein Antrag Chevrons auf Bohrungen bis zur "Pré-Sal-Schicht", also den
begehrten Öl- und Gasreserven unterhalb der dicken Salzkruste vor
Brasiliens Küste, liegt somit auf Eis. Bereits am Montag hatte die
nationale Umweltbehörde eine erste Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 20
Millionen Euro verhängt.
Zweieinhalb Wochen nach dem Unfall im Ölfeld Frade rund 370 Kilometer
nordöstlich von Rio sind immer noch viele Fragen offen. Chevron beziffert
die aus dem Bohrloch ausgetretene Menge auf 2.400 Barrel oder 381.600 Liter
Öl, für die Regierung könnte sie doppelt so groß sein. Das knapp 1.800
Meter unter der Meeresoberfläche gelegene Leck in der Fördersonde,
verursacht durch Überdruck bei einer Probebohrung, ist zwar abgedichtet.
Die Ölagentur will aber auch Risse in dem 500 Meter tiefer gelegenen
Reservoir nicht ausschließen.
Für Entwarnung ist es jedenfalls zu früh: Strömungen könnten einen Teil des
Öls immer noch an die Küste treiben, meint Brasiliens Umweltminister Carlos
Minc. Auch die Auswirkungen auf die Meeresfauna sind unklar. Das
Campos-Becken ist ein Durchzugsgebiet von Buckelwalen und Delfinen.
Immerhin zeigen Satellitenbilder, dass der Ölteppich schrumpft. Im
Vergleich zur Katastrophe im Golf von Mexiko 2010 ist der Schaden gering –
unterhalb der BP-Plattform waren damals 3.000 Barrel Öl am Tag ausgelaufen.
## Auf dem Sprung zur Ölgroßmacht
Doch in Brasilien, das wegen riesiger Öl- und Gasfunde in großer
Meerestiefe auf dem Sprung zur Ölgroßmacht steht, hat der Chevron-Unfall
eine heftige Debatte ausgelöst. Trotz des BP-Desasters ist der bereits im
Jahr 2000 angestoßene Notplan für große Ölunfälle immer noch nicht fertig.
Seit Jahren streiten die Bundesstaaten untereinander und mit der
Zentralregierung um die Verteilung des Öls, das bei der Förderung der
Pré-Sal-Reserven in 5.000 bis 7.000 Meter Tiefe sprudeln soll.
Die Verfahren sind jedoch teuer und aufwendig. Während die private Öllobby
auf neue Konzessionen drängt, wächst auf der Linken dass Misstrauen
gegenüber den ausländischen Multis, und der Ruf nach einem Fördermonopol
für den Mischkonzern Petrobras wird wieder lauter.
In Südamerika war der Ruf Chevrons bereits angeschlagen: Wegen der
großflächigen Verseuchung des Amazonasgebietes in Ecuador in den neunziger
Jahren wurde der US-Konzern Anfang des Jahres dort zu Schadensersatz in
Milliardenhöhe verurteilt. In Brasilien vermutete die Bundespolizei sogar,
Chevron habe auf eigene Faust zur Pré-Sal-Schicht vorstoßen wollen.
Ausgeschlossen, meint der Petrobras-Ingenieur Fernando Siqueira. Chevron
habe eine über 35 Jahre alte Sonde verwendet. Dem Multi wirft er dennoch
eine "Folge von Fehlern und Lügen" vor und fordert eine Überarbeitung des
Pré-Sal-Gesetzes von 2010.
Darin wird Petrobras zwar die operative Hoheit bei den Tiefseeprojekten
zugesichert, ausländische Firmen sollen aber mit von der Partie sein. "Wir
haben doch schon das beste Tiefseeförder-Know-how", meint Siqueira von
Petrobas. "Wozu brauchen wir dann Partner, die unsere Gesetze missachten
und auch noch die Hälfte unseres Öls abziehen?"
24 Nov 2011
## AUTOREN
Gerhard Dilger
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
Ölkonzern
Brasilien
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