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# taz.de -- Beten an Berliner Schule verboten: Angst vor dem gefährlichen Gebet
> Ein muslimischer Schüler aus Berlin darf an seiner Schule nicht beten.
> Das Urteil gilt aber nur für den Einzelfall, im allgemeinen sind Gebete
> an Schulen weiter erlaubt.
Bild: Yunus M. vor der Urteilsverkündung in Leipzig.
LEIPZIG taz | Vier Jahren ist es her, da hatte Yunus M. mit einigen
Freunden in der Schulpause auf dem Flur seines Gymnasiums in Berlin-Wedding
gen Mekka gebetet. Sie knieten auf ihren Jacken und berührten mit der Stirn
den Boden. Die Rektorin der Schule erklärte den Schülern daraufhin, solche
Gebete seien in der Schule verboten. Auch den Eltern von Yunus M. schrieb
sie einen entsprechenden Brief.
Yunus M., dessen Vater ein zum Islam konvertierter Deutscher ist, klagte
dagegen: Er wollte sein Recht bestätigen lassen, einmal am Tag während
einer Pause in der Schule zu beten. Am Verwaltungsgericht Berlin hatte er
zunächst Erfolg. Doch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin entschied
2010 gegen ihn. Nun scheiterte er auch mit der Revision beim
Bundesverwaltungsgericht.
Die Richter akzeptierten das Gebetsverbot nun, weil es an der fraglichen
Schule, dem Diesterweg-Gymnasium in Berlin-Wedding, bereits religiöse
Spannungen gegeben haben soll. Schiitische und sunnitische Jugendliche
hätten gestritten, welche Richtung des Islam die bessere sei. Muslimische
Schüler, die im Ramadan das Fastengebot missachten, seien unter Druck
gesetzt worden. Das hatte das OVG festgestellt.
## Kein Gebetsraum gefordert
"An diese Tatsachenfeststellung ist das Bundesverwaltungsgericht in der
Revision gebunden", sagte der Vorsitzende Richter Werner Neumann nun. Hier
gehe es nur noch um Rechtsfragen. Der Anwalt des Schülers, Bülent Yasar,
hatte bestritten, dass es solche Spannungen gab. Richter Neumann betonte,
dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. In dieser
Konstellation könne das für alle sichtbare Beten eines Schülers die
religiösen Spannungen weiter befeuern.
Zur Wahrung des Schulfriedens müsse die Schule zwar zunächst versuchen, die
Konflikte erzieherisch zu bewältigen, so Richter Neumann. Bevor Gebete ganz
verboten werden, könne den betroffenen Schülern auch ein Raum angeboten
werden, in den sie sich zurückziehen können. Doch auch hier standen die
Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Weg. Danach könnten an dieser
Schule erzieherische Mittel die zu erwartenden "erheblichen Konflikte"
nicht eindämmen. Aus organisatorischen Gründen könne auch kein Gebetsraum
eingerichtet werden.
Anwalt Yasar betonte, sein Mandant habe ohnehin nie einen solchen
Gebetsraum gefordert. Er wolle lediglich beten dürfen. In den letzten
Jahren hatte Yunus M. oft in Umkleideräumen gebetet. In Freistunden hatte
er sich auch in eine nahe gelegene Moschee zurückgezogen. Andere Schüler,
die auch in der Schule beten wollten, haben inzwischen das Weddinger
Gymnasium verlassen. Die Anwältin des Berliner Senats, Margarete
Mühl-Jäckel, sagte in der Verhandlung, der Schüler könne sein Gebet
verschieben, "wie es auch Mohammed schon getan hat" - oder das Schulgelände
verlassen.
## Schulen sind "kein religionsfreier Raum"
Das Gericht stellte nun klar, dass jenseits konkreter Konflikte derzeit
keine Gebetsverbote an Schulen zulässig sind. Schüler könnten sich auch in
der Schule auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit berufen. Die "negative
Glaubensfreiheit" andersgläubiger und atheistischer Schüler stehe privaten
Gebeten an der Schule nicht entgegen. "Das Recht, nicht mit unerwünschten
religiösen Handlungen behelligt zu werden, richtet sich gegen den Staat,
nicht gegen andere Privatpersonen", erläuterte Richter Neumann.
Auch die Neutralitätspflicht des Staates könne nicht als Begründung für ein
schulisches Gebetsverbot herangezogen werden. In Deutschland gebe es keine
strikte Trennung von Kirche und Staat wie in Frankreich, deshalb sei auch
die Schule "kein religionsfreier Raum", so Neumann. Der Staat müsse aber
alle Religionen gleich behandeln. Wenn die Politik zur Vermeidung
religiöser Spannungen vorsorglich ein generelles Gebetsverbot an Schulen
aussprechen wolle, sei dafür ein ausdrückliches Gesetz erforderlich, so wie
es bei den Kopftuchverboten für muslimische Lehrerinnen der Fall ist.
Yunus M. könnte gegen das Gebetsverbot an seinem Gymnasium im Wedding zwar
noch Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen, sein Anwalt Bülent Yasar
sagte aber nach der Verkündung, er werde das wohl "eher nicht" tun.
30 Nov 2011
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Moschee
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