# taz.de -- Gebetsurteil: Berlin rettet die deutsche Schule | |
> Berlins Schulen können muslimischen SchülerInnen künftig das Beten | |
> verbieten. Müssen sie aber nicht. Eine Analyse des Gebetsraum-Urteils. | |
Bild: Teppich des Anstoßes | |
Wie sie künftig mit Raum 205a verfahren wird, stehe noch nicht fest, sagte | |
Schulleiterin Brigitte Burchardt am Donnerstag. Der Raum im Weddinger | |
Diesterweg-Gymnasium war Streitpunkt eines Prozesses, wie Berlin ihn zuvor | |
noch nicht erlebt hat: Ein muslimischer Schüler hatte auf das Recht | |
geklagt, in der Schule sein Gebet verrichten zu dürfen. Dies hatte das | |
Verwaltungsgericht im September erlaubt. Am Donnerstag hat das | |
Oberwaltungsgericht (OVG) dieses Urteil nun kassiert: Beten verboten (taz | |
berichtete). | |
Das OVG folgte dabei der Argumentation der Senatsschulverwaltung, die als | |
Schulträgerin Prozessgegner des Schülers war. Sie hatte angeführt, dass | |
öffentliches Beten "den Schulfrieden störe". Ein Raum für das islamische | |
Gebet könne auch nicht zur Verfügung gestellt werden: Denn so etwas könnten | |
dann ja auch SchülerInnen anderer Religionen für sich einfordern. | |
Dabei ist es vor allem das islamische Gebet, auf das sich das Urteil | |
bezieht: Es habe sich gezeigt, heißt es in der Pressemitteilung des OVG, | |
dass "der für die Verwirklichung des staatlichen Unterrichts- und | |
Erziehungsauftrags unabdingbare Schulfrieden" nicht mehr zu gewährleisten | |
sei, "wenn religiöse kultische Handlungen zugelassen würden, die - wie das | |
oftmals kollektiv verrichtete rituelle islamische Pflichtgebet - ohne | |
weiteres von außen wahrnehmbar seien". Das "islamische Ritualgebet" habe | |
"Demonstrationscharakter", hatte ein Vertreter der Schulverwaltung im | |
Prozess vorgetragen: Es diene "sozialer Kontrolle und hat missionarischen | |
Charakter". | |
Da half es dem Schüler Yunus M., der die Klage angestrengt hatte, wenig, | |
darauf hinzuweisen, er habe keine Probleme mit MitschülerInnen wegen des | |
Gebets. Schulleiterin Burchardt, die von "Auseinandersetzungen verbaler | |
Natur" berichtete, überzeugte das Gericht offenbar mehr. Es sei "ein guter | |
Tag für Berlins Schulen", sagte Burchardt nach dem Urteil. | |
Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke (SPD) leitete später ihre Bewertung | |
mit den gleichen Worten ein. | |
Doch was bedeutet das Urteil wirklich? Was sagt es über den künftigen | |
Umgang mit der religiösen Vielfalt an Berlins Schulen aus? Schulen müssen | |
keine Gebetsräume einrichten, kein sichtbares Gebet erlauben, sagt das | |
Urteil. Dass sie es nicht dürften, sagt es jedoch nicht. Der von Yunus M. | |
angestrengte Prozess ist der erste dieser Art 50 Jahre nach Beginn der | |
Niederlassung von Muslimen in Deutschland. Das legt nahe, dass die meisten | |
Schulen längst einen Umgang mit der religiösen Vielfalt der | |
Einwanderungsgesellschaft entwickelt haben. | |
Ihr sei das Urteil "eigentlich egal", sagt etwa Jutta Deppner, Leiterin des | |
Kreuzberger Hermann-Hesse-Gymnasiums. Wie an der Diesterweg-Schule sind die | |
meisten ihrer SchülerInnen Einwandererkinder, vor allem muslimischer | |
Religionszugehörigkeit. Manche kommen von der nahen Islamischen | |
Grundschule. Wenn Schüler beten wollten, bekämen sie die Gelegenheit, einen | |
leeren Raum dafür zu nutzen, so Deppner. Das werde sie auch weiterhin so | |
handhaben. Sie betrachte den Islam nicht "als Religion, von der eine | |
Bedrohung ausgeht", sagt die Schulleiterin, die selbst lange mit einem | |
Muslim verheiratet war: "Der Islam ist ebenso tolerant wie das | |
Christentum." Es habe an ihrer Schule "nie größere Auseinandersetzungen" um | |
Religion gegeben. Als Ende 2008 der Nahostkonflikt eskalierte und auch | |
Angehörige palästinensischer Schüler betroffen waren, organisierten die | |
Hesse-Schüler von sich aus eine Diskussion mit SchülerInnen der Jüdischen | |
Oberschule. | |
Wenn dagegen die Anwältin der Schulverwaltung vor Gericht die | |
Gepflogenheiten "hier bei uns an einer deutschen Oberschule in einem | |
nichtmuslimischen Staat" beschwört, spricht daraus ein anderer Blick auf | |
die Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft. Der hat sich nun vor | |
Gericht zunächst durchgesetzt. Die Herausforderungen bleiben. | |
29 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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