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# taz.de -- Notenbanken stärken Finanzmärkte: Geld gegen Angst
> Jetzt greifen weltweit die Notenbanken ein, denn die zuständigen
> Finanzminister kommen nicht voran. Die Aktion beweist, wie ernst die
> Eurokrise mittlerweile geworden ist.
Bild: Konzertierte Sammelaktion: Die Notenbanken stützen die Finanzmärkte.
BRÜSSEL taz | Die Finanzkrise ist wieder da. Zwar noch nicht so schlimm wie
2008, als der Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers zu einem weltweiten
Schock führte. Aber immerhin ist die Lage so ernst, dass sich die
Zentralbanken der USA, der Eurozone, der Schweiz, Kanadas, Japans und
Großbritanniens am Mittwoch zu einer überraschenden Intervention gezwungen
sahen. In einer konzertierten Aktion stellten sie den Finanzmärkten mehr
Geld zur Verfügung.
Dabei wurden nicht etwa die Notenpressen angeworfen, wie es viele Deutsche
angesichts der wachsenden Schuldenkrise in der Eurozone fürchten. Zunächst
ging es nur darum, die Versorgung der europäischen Banken mit US-Dollar zu
sichern, um Liquidität bereitzustellen. Ziel sei es, "den Anspannungen an
den Finanzmärkten entgegenzutreten" und dadurch einer möglichen
Kreditklemme vorzubeugen, teilten die Zentralbanken in einer gemeinsamen
Erklärung mit. Dies solle das Wirtschaftswachstum stützen.
Doch die Aktion zeigt, wie ernst die Eurokrise mittlerweile geworden ist.
Zuletzt hatten sich die europäischen Banken untereinander kaum noch Geld
geliehen, weil sie sich gegenseitig misstrauen. Auch die EZB bekam
Probleme, die Versorgung sicherzustellen. Nun wurden die Kosten für
sogenannte Dollar-Swaps gesenkt. Um für einen Notfall gewappnet zu sein,
vereinbarten die Zentralbanken zudem Tauschgeschäfte, um jederzeit die von
Banken benötigte Währung bereitstellen zu können.
## EU konnte Ansteckungen nicht verhindern
Die Börsen reagierten begeistert auf die internationale Stützungsaktion.
Demgegenüber waren die EU-Finanzminister, die sich gestern in Brüssel
trafen, zunächst sprachlos. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verlegte
seine Pressekonferenz auf den Nachmittag, auch EU-Währungskommissar Olli
Rehn hielt sich bedeckt. Am Vormittag hatte Rehn noch gewarnt, die Zeit für
eine Lösung der Eurokrise laufe ab. Die Europäer hätten nur noch zehn Tage
- bis zum nächsten EU-Gipfel -, um eine "Brandmauer" gegen die Krise zu
errichten.
Bisher sind alle Versuche, eine Ausweitung der Eurokrise zu verhindern,
gescheitert. Die EU hat in diesem Jahr zwar bereits drei Krisengipfel
abgehalten, um eine "Ansteckung" weiterer Länder zu verhindern - einen im
Juli, zwei im Oktober. Doch neben Griechenland, Irland und Portugal, die
bereits von der EU und dem IWF gestützt werden, bekam auch Italien
Probleme, seinen Schuldenberg zu refinanzieren. Zuletzt steigen auch die
Kreditkosten für solide Länder wie Österreich oder Finnland.
Und der eigentlich als Brandmauer geplante "Finanzhebel" für den
Euro-Rettungsschirm EFSF funktioniert immer noch nicht. Ursprünglich war
geplant, die verfügbaren Mittel des EFSF von derzeit 250 Milliarden Euro
auf über eine Billion auszuweiten. Doch der "Hebeltrick", den
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem letzten Rettungsgipfel durchsetzte,
verfängt nicht. Denn Länder wie China zögern, den Europäern beim EFSF-Hebel
zu helfen.
## Angeblich Gespräche über neuen IWF-Kredit
Der neue EFSF wurde zwar am Mittwoch von den Finanzministern abgesegnet;
mehr als 750 Milliarden Euro wird er jedoch nicht bereitstellen können. Das
reicht nicht, um Krisenländer wie Italien zu stützen. Die Eurogruppe will
sich daher nun beim Internationalen Währungsfonds um zusätzliche Hilfe
bemühen. Angeblich laufen bereits Gespräche über einen IWF-Kredit über 400
Milliarden Euro an Italien.
Auch die EZB müsse sich stärker engagieren, sagte der belgische
Finanzminister Didier Reynders. Seine österreichische Kollegin Maria Fekter
sagte, es werde diskutiert, wie die EZB trotz der vertraglichen Begrenzung
ihres Mandats die Anleihenkäufe ausweiten könne. "Trotz der Versuche, den
EFSF zu hebeln, müssen der IWF und die Europäische Zentralbank im Boot
sein", sagte ein Vertreter eines Euro-Landes.
Doch Deutschland stemmt sich gegen neue Hilfen für Krisenländer. Die
Bundesregierung möchte weder gemeinsame Staatsanleihen (Eurobonds) noch ein
größeres Engagement der EZB. Die Eurogruppe geht daher ohne neuen
Rettungsplan in die Zielgerade zum EU-Gipfel.
Ob sich dies nach der Feuerwehraktion der Notenbanken ändert, war am
Mittwoch noch nicht abzusehen. In einem Punkt konnte sich Berlin beim
Treffen der Finanzminister durchsetzen: Der Staatsminister im Auswärtigen
Amt, Werner Hoyer (FDP), wird nach Angaben von Diplomaten neuer Präsident
der Europäischen Investitionsbank (EIB). Hoyer wird Nachfolger des Belgiers
Philippe Maystadt.
Die EIB ist die "Hausbank" der EU mit Sitz in Luxemburg. Sie hat 2010
Finanzierungen im Wert von 83 Milliarden Euro genehmigt. Damit werden etwa
Projekte zur Regionalentwicklung bezahlt. Als einer von zwei
Staatsministern ist der profunde EU-Kenner Hoyer derzeit einer der engsten
Mitarbeiter und Stellvertreter von Außenminister Guido Westerwelle
(ebenfalls FDP).
30 Nov 2011
## AUTOREN
Eric Bonse
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