# taz.de -- Streit auf dem Euro-Rettungsgipfel: Der Gipfel spricht noch nicht D… | |
> Streit in Brüssel: Mehrere Länder widersetzen sich Merkels Plan für eine | |
> EU-Vertragsänderung. Doch zur Not will die Kanzlerin ihre Vorstellungen | |
> durchdrücken. | |
Bild: Große Geste: Merkel will zeigen was mit "Europa spricht Deutsch" gemeint… | |
BRÜSSEL taz | Der dritte Euro-Rettungsgipfel innerhalb von sechs Monaten | |
hat Donnerstag mit geballtem Ärger für Angela Merkel begonnen. Die | |
Kanzlerin will das Krisentreffen nutzen, um die deutsche Budgetdisziplin im | |
"Grundgesetz" der EU, dem Lissabon-Vertrag, zu verankern und damit das | |
Vertrauen der Bürger und Märkte in den Euro zu stärken. Wegen ihrer harten | |
Haltung geriet sie jedoch selbst in die Schusslinie. Zudem entbrannte | |
erneut der Streit über eine Aufstockung des Euro-Rettungsschirms ESM. | |
Zum Angriff blies ausgerechnet der Chef der Eurogruppe, Luxemburgs | |
Premierminister Jean-Claude Juncker. Merkel solle nicht so tun, als seien | |
die Deutschen "die einzig Tugendhaften", sagte er der Süddeutschen Zeitung. | |
Außerdem solle sie endlich aufhören, sich in der Frage des Rettungsschirms | |
"apodiktisch einzumauern". Der Schirm müsse unbegrenzt Kredite von der | |
Europäischen Zentralbank bekommen können. | |
Merkel will davon jedoch nichts wissen. Beim Krisengipfel möchte sie | |
möglichst gar nicht über Geld reden - denn FDP und CSU sitzen ihr im Nacken | |
und lehnen alles, was nach "Transferunion" aussieht, vehement ab. Die | |
Kanzlerin will stattdessen zeigen, was es heißt, dass "Europa Deutsch | |
spricht", wie ihr Fraktionschef Volker Kauder gesagt hatte. Konkret | |
bedeutet dies: Schuldenbremse für alle EU-Länder, rechtsverbindlich | |
verankert im EU-Vertrag und einklagbar beim Europäischen Gerichtshof. | |
## Ein "gefährliches Spiel" | |
Bereits im März soll diese Reform stehen. Alle anderen Themen - neben dem | |
Rettungsschirm gehören dazu auch die Einführung von Eurobonds oder die | |
Rolle der EZB - will Merkel ausklammern. Man werde keine "faulen | |
Kompromisse" schließen und auch keinen "Griff in die Brüsseler Trickkiste" | |
akzeptieren. Und wenn nicht alle mitmachen, will Merkel die | |
Vertragsänderung zur Not durchboxen. | |
Diese harte Linie sorgte für massiven Unmut. "Angela hat gesagt: | |
Disziplin", titelte die belgische Tageszeitung La Libre Belgique. Es sei | |
jedoch ein "gefährliches Spiel", allein mit Frankreich die Regeln setzen zu | |
wollen. Der frühere belgische Premier Guy Verhofstadt warnte vor einem | |
deutsch-französischen "Diktat". Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas | |
Sarkozy hätten es versäumt, die Beneluxstaaten einzubinden. | |
Kritik kam auch aus Schweden. Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt warnte, | |
eine Vertragsänderung sei ein gewagtes Unternehmen. Die letzte große | |
Vertragsreform in der EU hat knapp zehn Jahre gedauert und mehrere | |
verlorene Volksabstimmungen gebracht. Nun soll es in knapp drei Monaten | |
gehen - ob das möglich ist, ist selbst unter Juristen umstritten. | |
## Sarkozy platzt der Kragen | |
Die größten Sorgen bereitet Merkel der britische Premier David Cameron. Er | |
will der Vertragsreform nur zustimmen, wenn er mehr Freiheit für die | |
Finanzbranche in der Londoner City sichern kann. Den Brüsseler Gipfel werde | |
er mit der Kampflust einer Bulldogge besteigen, warnte Cameron. Dies | |
ärgerte nicht nur Merkel, sondern auch Juncker - sein Großherzogtum fühlt | |
sich ebenfalls als wichtiger Finanzplatz. London könne keine Sonderrechte | |
herausschlagen, so Juncker. | |
Angesichts dieses Problembergs platzte Frankreichs Präsident Sarkozy | |
Donnerstag der Kragen. Europa sei in Gefahr, warnte er. Im Zuge der | |
Schuldenkrise habe der Euro zuletzt an Vertrauen verloren. "Wenn wir bis | |
morgen keine Einigung haben, dann wird es keine zweite Chance geben." | |
Ob der Gipfel wie geplant am Freitag zu Ende geht, ist fraglich. Man habe | |
sich für das Wochenende nichts vorgenommen, sagte ein deutscher EU-Diplomat | |
augenzwinkernd. Spätestens Montagmorgen muss jedoch ein Deal stehen. | |
Andernfalls werde die Kreditwürdigkeit aller 27 EU-Staaten herabgestuft, | |
warnte die Ratingagentur Standard & Poors. Auch Deutschland bekäme dann | |
eine kalte Dusche. | |
8 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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