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# taz.de -- Duma-Abgeordneter über das System Putin: "Europa hat kein Rückgra…
> Wahlbetrug, Putins Rückkehr, drohende Aufstände und die Nachsicht der
> Europäer mit den russischen Machthabern. Der Duma-Abgeordnete Gennadi
> Gudkow findet klare Worte.
Bild: Elf Jahre KGB: Gennadi Gudkow ist ein erfahrener Mann.
taz: Herr Gudkow, Sie haben als einziger Abgeordneter die Kreml-Partei
Geeintes Russland (GR) ausdrücklich aufgefordert, die Vorbereitungen für
einen Wahlbetrug einzustellen. Sonst drohten Russland "Extremismus und
Zerfall". Sind Sie ein Nestbeschmutzer?
Gennadi Gudkow: Wenn ich mich zum ersten Mal so eindeutig geäußert hätte,
wäre ich wohl auf der schwarzen Liste gelandet. Meine Position ist jedoch
seit Langem bekannt. Ich gehöre wohl zu jenem kleinen Kreis, den man
gewähren lässt.
Warum lässt man Sie?
Als Alibi, weil es ganz ohne Kritik doch ziemlich dumm aussähe. Noch bin
ich nicht unter Druck gesetzt worden. Das bedeutet aber keineswegs, dass
die Wahlen fair verlaufen. Es findet nicht einmal eine Debatte statt.
Ihre Stimme wurde also nicht gehört, der Wahlbetrug geht weiter?
Nach dem Krönungsparteitag Wladimir Putins habe ich keinen Zweifel mehr
daran, dass es in großem Umfang zu Fälschungen kommen wird. Es geht den
Herrschenden um den nackten Machterhalt. Präsident Dmitri Medwedjew hat
alle Oppositionsparteien als unfähig und korrupt verunglimpft. Sein
Auftreten war peinlich, denn es ist sein Geeintes Russland, das im Volk
"Partei der Diebe und Gauner" genannt wird.
Was schätzen Sie, wie stark wird manipuliert werden?
Die GR kann mit maximal 42 Prozent rechnen. Jedes weitere Prozent stammt
aus dem Beutegut anderer Parteien. Wir erwarten für die GR rund 13 Prozent,
davon werden sie uns drei bis vier Prozentpunkte stehlen. Den anderen
Parteien natürlich auch. Die GR ist im Volk nicht populär. Rund 30 Prozent
halten zu ihr, und das auch nur dank der Medienpräsenz, an der wir nicht
teilhaben. Die Partei klammert sich an die Macht und wird daher alles tun,
um an der Macht zu bleiben.
Was bedeutet die Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml für die Entwicklung
Russlands?
Im besten Fall Stillstand. Ich schließe aber auch eine politische Krise
nicht aus. Wenn Putin zurückkehren, seine Fehler eingestehen und eine
Reformagenda präsentieren würde, sähen die Dinge anders aus. So aber wird
alles beim Alten bleiben: Einparteiensystem, ein abhängiges und
ineffektives Parlament, keine unabhängigen Gerichte. Ich erwarte nichts
Gutes für die Zukunft. Medwedjews Werben für Modernisierung und Innovation
hat sich auch als eine PR-Blase herausgestellt.
Hat das System Putin überhaupt eine Überlebenschance?
Nein. Spätestens in zwei, drei Jahren werden die sozialen und
wirtschaftlichen Probleme eine solche Sprengkraft haben, dass
einschneidende Maßnahmen nötig werden, um die politische Stabilität zu
bewahren. Gelingt das nicht, bricht ein Aufstand der Straße los und
nationalistische Extremisten übernehmen die Macht.
Was könnte die EU tun?
Europa könnte das verhindern, wenn es nicht zu allem Ja und Amen sagen
würde. Seine Haltung gegenüber Russland ist schlaff und ohne Rückgrat.
Würden die Europäer bei Verstößen gegen Demokratie und Menschenrechte nicht
nur mit Einreiseverbot drohen, sondern ihre Drohung wahr machen, kämen
viele Amtsträger ins Grübeln.
Was macht Sie so sicher?
Fast die gesamte Elite ist inzwischen in Europa zu Hause. Kapital und
Familien sind längst da. Die Kinder studieren in Europa und haben nicht
vor, nach Russland zurückzukehren. Durch ihre Zurückhaltung stützt die EU
das System Putin. Da die Machthaber von außen nichts zu fürchten haben,
ziehen sie die Schrauben an und gehen immer brutaler gegen die Opposition
vor.
1 Dec 2011
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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